19. Januar 2022
Arbeitnehmerüberlassung Master Vendor Co-Lieferant
Arbeitsrecht

Arbeitnehmerüberlassung: Kein Anspruch auf Vergütung des Co-Lieferanten gegenüber dem Master

Regelmäßig hat der Co-Lieferant in dem vertraglichen Dreiecksverhältnis einer Master-Vendor-Konstruktion keinen eigenen unmittelbaren Vergütungsanspruch gegenüber dem Master selbst, sondern ausschließlich gegen den Kunden, bei dem die Zeitarbeitnehmer eingesetzt werden.

Master-Vendor-Konstruktionen sind in der Praxis weit verbreitet. Der sog. Master ist gegenüber dem Kunden* für die Organisation des Einsatzes von Zeitarbeitnehmern im Einsatzbetrieb verantwortlich. Regelmäßig werden derartige Projekte „onsite“, d.h. bei dem Kunden vor Ort, durchgeführt, indem der Master einen (internen) Mitarbeiter zur Koordination des Fremdpersonaleinsatzes bei dem Kunden abstellt. Dieser dient als Ansprechpartner zur Koordination und Abwicklung des zwischen dem Kunden und dem Master abgeschlossenen Master-Vendor-Vertrages.

Arbeitnehmerüberlassungsvertrag zwischen Master und Kunde

Dieser wird regelmäßig kombiniert mit einer Rahmenarbeitnehmerüberlassungsvereinbarung. Der Master kann dem Kunden auf dieser Grundlage seine eigenen Mitarbeiter überlassen. Kann er die von dem Kunden angefragte Menge an Zeitarbeitnehmern oder gewisse Profile nicht bedienen, werden sog. Co-Lieferanten, d.h. weitere Zeitarbeitsunternehmen, von dem Master eingebunden, die ihrerseits Personal – auf Grundlage entsprechender Arbeitnehmerüberlassungsverträge mit dem Kunden – an diesen überlassen; koordiniert werden die entsprechend erforderlichen Schritte und Prozesse gegenüber dem Co-Lieferanten – zur administrativen Entlastung des Kunden, die u.a. durch den Master-Vendor-Vertrag bezweckt ist – von dem Master. 

Für seine Tätigkeiten und Dienstleistungen erhält der Master – neben dem vereinbarten Entgelt für eine konkret durchgeführte Überlassung – regelmäßig eine gesonderte Vergütung (von dem Kunden und/oder den Co-Lieferanten). 

Keine Kettenüberlassung bei Master-Vendor-Konzepten

Bekanntermaßen ist eine Kettenüberlassung unzulässig und damit rechtswidrig (§ 1 Abs. 1 S. 3 AÜG). Vor diesem Hintergrund ist bei Master-Vendor-Konzepten und deren Umsetzung in der Praxis darauf zu achten, dass die Arbeitnehmerüberlassung ausschließlich zwischen dem Kunden und dem Master bzw. dem Kunden und dem jeweiligen Co-Lieferanten (und nicht über den Master als an den Kunden „weiterverleihendes“ Kettenglied) erfolgt. Dies wird dokumentiert durch entsprechend zwischen den jeweils am konkreten Überlassungsvorgang beteiligten Parteien abgeschlossene Arbeitnehmerüberlassungsverträge, die im Verhältnis vom Kunden zum Co-Lieferanten vom Master angebahnt und vorbereitet werden.

In diesem vertraglichen Dreiecksverhältnis zwischen Kunde, Master und Co-Lieferant musste sich das LG Dortmund mit (vorgeblichen) Ansprüchen eines Co-Lieferanten gegen den Master befassen(Urteil v. 6. Oktober 2021 – 6 O 16/19).

Co-Lieferant klagt gegen Master auf Zahlung aus Co-Partner-Rahmenvertrag 

Der Kläger macht als Insolvenzverwalter der X-GmbH (im Folgenden: Schuldnerin) gegen die Beklagte einen Zahlungsanspruch i.H.v. EUR 7.015,04 wegen der Überlassung von Pflegekräften geltend. Die Schuldnerin war und die Beklagte ist im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung tätig.Am 28. Mai 2015 schloss die Schuldnerin (als Co-Lieferant) mit der Beklagten (als Master) einen sog. Co-Partner-Rahmenvertrag für das „Projekt Master-Vendor A“.

In der Präambel des Vertrags (§ 1) heißt es:

[…] Sofern der Master [die hiesige Beklagte] das angeforderte Personal nicht selbst überlassen kann, koordiniert und verwaltet er die Arbeitnehmerüberlassungen durch weitere Personaldienstleister (Co-Partner) [die hiesige Schuldnerin]. […] Die Überlassung von Arbeitnehmern geschieht auf Vermittlung des Masters. Die Überlassung von Arbeitnehmern durch den Co-Partner an den Master ist weder Ziel noch Gegenstand dieser Vereinbarung und wird daher ausdrücklich ausgeschlossen.

In § 2 „Vertragsgegenstand“ heißt es:

[…] Gegenstand dieser Vereinbarung sind die Koordination der Zusammenarbeit […] sowie die weiteren in § 7 aufgeführten Dienstleistungen des Masters.

In § 5 des Vertrags heißt es:

[…] Die Parteien sind sich darüber einig, dass eine Verbindlichkeit gegenüber dem Auftraggeber [hier: A] nur durch die zwischen dem Co-Partner und dem Auftraggeber abgeschlossenen Arbeitnehmerüberlassungsverträge (Einzelverträge) hergestellt wird.

In § 7 „Dienstleistungen“ heißt es:

Der Master übernimmt folgende Dienstleistungen, die sich auf die eingesetzten Arbeitnehmer des Co-Partners erstrecken: […] Übergabe der Rechnungen ausschließlich durch den Master.

In § 11 Abs. 3, 6 „Abwicklung der Einzelverträge; Inkassovollmacht“ heißt es:

Der Co-Lieferant übersendet seine Rechnungen ausschließlich an den Master. Der Co-Lieferant ist Rechnungssteller, der Master ist Adressat der Rechnung. […]

Die Ansprüche des Co-Partners werden nicht an den Master abgetreten (keine Inkassozession). Der Master tritt keiner Schuld bei, die zwischen Co-Partner und Auftraggeber besteht. Sofern der Auftraggeber nur einen Teil der vom Co-Partner in Rechnung gestellten Vergütung zahlt, tritt Befreiung von der Schuld in dem Teil ein, als im Verhältnis zum Gesamtbetrag geleistet wurde. […] 

Ansprüche des Co-Partners auf Erfüllung bestehen nur gegenüber dem Auftraggeber.

In § 12 Abs. 1, 2 „Vergütung/Rechnungsstellung“ heißt es:

Der Master erwirbt für die in diesem Vertrag vorgesehenen Dienstleistungen (Vermittlung und Koordination der Einzelüberlassungen zwischen dem Co-Partner und dem Auftraggeber, sonstige Betreuungsleistungen) einen Vergütungsanspruch (Servicegebühr). […]

Der Master ist berechtigt, den sich nach Absatz 1 ergebenden Betrag von dem im Rahmen der Inkassovollmacht erhaltenden Rechnungsbetrag über die Arbeitnehmerüberlassungen des Co-Partners abzuziehen und einzubehalten.

Mit Beschluss des AG Essen vom 7. November 2018 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet. 

Der Kläger (als Insolvenzverwalter) ist der Ansicht, der Schuldnerin stehe gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung von ca. EUR 7.000 zu. Hierzu behauptet er, die Schuldnerin habe der Beklagten im Zeitraum von Dezember 2015 bis Januar 2016 Pflegekräfte überlassen. Die entsprechenden Rechnungen seien nebst Tätigkeitsnachweisen an die Beklagte übergeben worden. Er ist der Ansicht, die Beklagte sei auch Schuldnerin der Vergütung, da sie laut § 11 des Co-Partner-Rahmenvertrags Rechnungsadressatin sei.

Keine Anhaltspunkte, dass Arbeitnehmer an den Master selbst überlassen worden sind

Das AG Dortmund wies die Klage als unbegründet ab. Das Urteil ist sowohl im Ergebnis als auch in der Begründung richtig. Die Argumentation des Klägers (in seiner Funktion als Insolvenzverwalter der X-GmbH) zur Begründung der Klage dürfte dabei durchaus als „gewagt“ zu bezeichnen sein.

Richtigerweise begibt sich das LG Dortmund zunächst auf die Suche nach einer Anspruchsgrundlage, die den von dem Kläger geltend gemachten Zahlungsanspruch überhaupt begründen könnte. Zu Recht wird es nach einer Auslegung des insoweit – zumindest theoretisch – anspruchsbegründend wirkenden Co-Partner-Rahmenvertrages, der zwischen der Beklagten (als Master) und der Schuldnerin (als Co-Partner) im Rahmen des Master-Vendor-Projektes bei dem Kunden (hier: A) abgeschlossen worden ist, nicht fündig. 

Der Kläger konnte sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Schuldnerin gegen eine Vergütung Zeitarbeitnehmer an den Master selbst überlassen haben soll. Diese Argumentation wirkt bereits befremdlich, wird in § 1 des Vertrages eine derartige Überlassung doch gerade ausgeschlossen; die Parteien bekennen sich ausdrücklich dazu, dass eine solche nicht gewollt ist. Es gibt auch im Übrigen keine Anhaltspunkte im Tatbestand des Urteils dafür, dass der Kläger bzw. die Schuldnerin direkt Arbeitnehmer an den beklagten Master überlassen hätte, der diese dann seinerseits – wegen des Verstoßes gegen das Verbot der Kettenüberlassung nach § 1 Abs. 1 S. 3 AÜG – rechtswidrig an den Kunden „durchgereicht“ hätte. Vielmehr wird in dem maßgeblichen Vertrag explizit vereinbart, dass Arbeitnehmerüberlassungsverträge nur zwischen dem klagenden Co-Partner und dem Kunden, nicht aber zwischen dem Co-Partner und dem Master geschlossen werden.

Einziger Anknüpfungspunkt für die Herleitung eines etwaigen Anspruchs des Klägers sind die Regelungen im Vertrag zur Abrechnung. Die von dem Co-Partner erstellten Rechnungen (für die von dem Co-Partner erbrachten Leistungen in Form der Arbeitnehmerüberlassung) sollen an den Master übermittelt werden, der sein Adressat sein soll. Die Bezeichnung „Adressat“ dürfte im vorliegenden Kontext untechnisch zu verstehen sein, nämlich als tatsächlicher Empfänger der Rechnung, nicht hingegen als solcher, dem gegenüber von dem Co-Partner auch eine Arbeitnehmerüberlassung erbracht worden ist. Dafür spricht insbesondere, dass der gesamte zwischen dem beklagten Master und dem Kläger vertraglich vereinbarte Pflichtenkatalog nicht auf eine Arbeitnehmerüberlassung ausgerichtet ist. Der Beklagte übernimmt für den Kunden im Verhältnis zu dem Co-Partner als Dienstleister und als „Service“ den Abrechnungsprozess und seine Abwicklung, indem er als Empfänger der Rechnungen diese kontrolliert und an den Kunden zur Zahlung weiterleitet. Schuldner für die Vergütung als Gegenleistung für die von dem Co-Partner erbrachte Arbeitnehmerüberlassung ist und bleibt aber ausschließlich der Kunde, der entsprechende Ansprüche des Co-Partners über den Master als „Erfüllungsgehilfen“ – mit der Möglichkeit der Verrechnung eigener Ansprüche des Masters gegenüber dem Co-Partner – ausgleichen lässt.

Vertragliche Gestaltung kann bei Master-Vendor-Konstruktionen entscheidend sein 

Das Urteil gibt einen Einblick in die komplexen vertraglichen Strukturen zwischen dem Kunden, dem von ihm „als Koordinator“ zu den Co-Partnern eingebundenen Master und den Co-Partnern selbst.

In der Praxis ist auf eine „saubere Abgrenzung“ der vertraglichen Pflichten zwischen den beteiligten Parteien zu achten, sodass insbesondere jegliche Anhaltspunkte und „Verdachtsmomente“ ausgeschlossen werden können, die darauf hindeuten, dass eine Leistungsbeziehung zwischen dem Master und dem Co-Lieferanten – gerichtet auf eine Arbeitnehmerüberlassung mit einer entsprechenden Vergütungspflicht – entstanden sein könnte. Dies gilt insbesondere mit Blick auf die Abrechnungsmodalitäten, die im vorliegenden Fall – zumindest im Ansatz – dergestalt missverstanden werden konnten, dass der beklagte Master auch Leistungsempfänger (als Entleiher einer Arbeitnehmerüberlassung) gewesen ist und vor diesem Hintergrund dem verleihenden Co-Partner eine Überlassungsvergütung schuldet.

Überzeugend ist dies freilich nicht, dennoch ist in der Praxis bei der Formulierung derartiger Verträge eine besondere Sorgfalt geboten, um keine „offenen Flanken“ für eine mögliche Geltendmachung von Ansprüchen zu liefern. Auch wenn diese in dem vorliegenden Fall durchaus mit dem „Mut der Verzweiflung“ erfolgte, sind entsprechende Rechtsstreitigkeiten zeit- und kostenintensiv, selbst wenn die Klage im Ergebnis abgewiesen wird – Zeit und damit verbunden natürlich Geld, die/das man sich sparen kann, wenn entsprechend missverständliche Formulierungen bei der Erstellung der entsprechenden Verträge direkt „herausgefiltert“ werden. 

*Gemeint sind Beschäftigte jeder Geschlechtsidentität. Lediglich der leichteren Lesbarkeit halber wird künftig bei allen Bezeichnungen nur noch die grammatikalisch männliche Form verwendet.

Tags: Arbeitnehmerüberlassungsvertrag Arbeitsrecht Co-Partner Master Vendor