4. Dezember 2019
Gleichstellungsgrundsatz
Arbeitsrecht

AÜG-Reform 2017: Der Gleichstellungsgrundsatz (Teil 1 von 3)

Das AÜG wurde 2017 erneut reformiert. Im ersten von drei Blogbeiträgen werden die Grundlagen des Gleichstellungssatzes des neuen AÜG zusammengefasst.

Das AÜG hat mit Wirkung zum 1. April 2017 (erneut) eine erhebliche Anpassung erfahren. Gesetzgeberisch intendiert sollte die Arbeitnehmerüberlassung auf ihre Kernfunktion, nämlich zur zeitlich begrenzten Deckung eines bei dem Kunden bestehenden Arbeitskräftebedarfs begrenzt und Scheinwerk-/Dienstverträge in ihrer Erscheinung als verdeckte Arbeitnehmerüberlassung vermieden werden (BT-Drucks. 18/9232, S. 2, 19). Zu diesem Zweck wurde eine gesetzliche Überlassungshöchstdauer von grundsätzlich 18 Monaten in das AÜG eingeführt (dazu: Bissels/Falter, MDR 2019, 198 ff.).

Nachfolgend werden die rechtlichen Grundlagen und die sich inzwischen abzeichnenden Entwicklungen bei der Anwendung eines der wesentlichen Elemente der AÜG-Reform, nämlich des Gleichstellungsgrundsatzes, zusammengefasst.

Die rechtlichen Grundlagen des Gleichstellungsgrundsatzes

Nach § 8 Abs. 1 AÜG hat der Zeitarbeitnehmer* gegen den Personaldienstleister grundsätzlich einen Anspruch auf die im Betrieb des Kunden für einen vergleichbaren Arbeitnehmer geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts. Die Vorschrift ist nicht in den in § 1 Abs. 3 AÜG geregelten Fällen, insbesondere bei einer Konzernarbeitnehmerüberlassung, und nicht für die Arbeitnehmerüberlassung außerhalb einer wirtschaftlichen Tätigkeit anwendbar.

Die Gleichstellungspflicht nach dem AÜG – auch „equal treatment“ genannt; „equal pay“ bezieht sich hingegen nur auf die ebenfalls von „equal treatment“ erfasste Entgeltgleichheit – gilt nur für die Zeit der Überlassung; in verleihfreien Zeiten sind ausschließlich die mit dem Personaldienstleister vereinbarten Arbeitsbedingungen einschließlich der Lohnuntergrenze nach § 3a AÜG zu beachten (§ 8 Abs. 5 AÜG).

Vergleichbarkeit der (Zeit-)Arbeitnehmer

Vergleichbar mit dem Zeitarbeitnehmer sind solche Mitarbeiter des Kunden, die dieselbe oder eine ähnliche Tätigkeit wie dieser ausführen (vgl. LAG Rheinland-Pfalz v. 15. März 2012 – 2 Sa 468/11; Urban-Crell/Germakowski/Bissels/Hurst, § 8 AÜG Rn. 29). Die Vergleichbarkeit der Arbeitnehmer ist anhand tätigkeitsbezogener Merkmale zu überprüfen (vgl. BAG v. 21. Oktober 2015 – 5 AZR 604/14). Ausgangspunkt dafür ist der konkrete Arbeitsplatz, den der Zeitarbeitnehmer besetzt.

Maßgeblich für die Bestimmung des Vergleichsentgelts eines Stammbeschäftigen im Einsatzbetrieb ist die Tätigkeit, die der Kunde dem Zeitarbeitnehmer ausdrücklich oder konkludent durch Billigung oder Duldung zugewiesen hat. Dies gilt auch dann, wenn diese Tätigkeit von den zwischen dem Personaldienstleister und dem Zeitarbeitnehmer vereinbarten arbeitsvertraglichen Bedingungen abweicht (vgl. BAG v. 23. November 2016 – 5 AZR 53/16).

Dem steht auch die Erwägung nicht entgegen, es dürfe nicht zu Lasten des Personaldienstleisters gehen, wenn der Kunde den Zeitarbeitnehmer anders als im Überlassungsvertrag vereinbart einsetzt. Ist eine zu gewährende Arbeitsbedingung an besondere persönliche Merkmale gebunden, wie eine bestimmte Qualifikation oder einen Berufsabschluss, muss der Zeitarbeitnehmer diese erfüllen. Darüber hinaus sind auch personenbezogene Komponenten zu beachten, z.B. die Berufserfahrung (LAG Schleswig-Holstein v. 12. Februar 2014 – 6 Sa 325/13; zust. Bissels, jurisPR-ArbR 21/2014 Anm. 3).

Berücksichtigung nur, wenn auch für Stammarbeiter von Relevanz

Dies gilt jedoch nur für den Fall, dass der Kunde diese bei der Ermittlung und Bemessung der Vergütung von Stammarbeitnehmern als vergütungsrelevant berücksichtigen würde. Nicht von Belang für die wesentlichen Arbeitsbedingungen, insbesondere für die Höhe des Vergleichsentgelts, sind hingegen die zwischen dem Personaldienstleister und dem Zeitarbeitnehmer getroffenen Abreden (vgl. BAG v. 21. Oktober 2015 – 5 AZR 604/14). Vor diesem Hintergrund gelten die für den Stammbeschäftigten zu beachtenden anspruchsbegründenden oder -ausschließenden Voraussetzungen ebenfalls für den Zeitarbeitnehmer, z.B. bestimmte Wartezeiten oder eine bestimmte Betriebszugehörigkeit (Stumpp/Nölke, PuR 2018, 32).

Frühere Beschäftigungszeiten werden zugunsten des Zeitarbeitnehmers berücksichtigt

Beschäftigungszeiten, die von dem Zeitarbeitnehmer vor dem 1. April 2017 bei dem Kunden geleistet worden sind, sind bei der Bestimmung der wesentlichen Arbeitsbedingungen zu dessen Gunsten zu berücksichtigen. Die Übergangsregelung gem. § 19 Abs. 2 AÜG ist insoweit nicht einschlägig. Auch Stichtagsregelungen, eine pro rata-Kürzung bei einem unterjährigen Ein-/Austritt und Rückzahlungsvorbehalte haben für den Zeitarbeitnehmer Geltung, wenn diese bei einem vergleichbaren Stammbeschäftigten zu beachten sind (Thüsing/Kock/Greiner, § 8 AÜG Rn. 16).

Bedingungen in Fällen, in denen es keine vergleichbaren Stammarbeitnehmer gibt

Nicht geregelt ist, welche Arbeitsbedingungen dem Zeitarbeitnehmer zu gewähren sind, wenn im Betrieb des Kunden keine vergleichbaren Mitarbeiter beschäftigt werden. Die wohl überwiegende Auffassung nimmt an, dass in diesem Fall zu ermitteln ist, wie ein Arbeitnehmer zu behandeln wäre, wenn er bei dem Kunden beschäftigt worden wäre, wobei auch auf einschlägige Tarifverträge abgestellt werden kann (Greiner, RdA 2017, 154 f.; Urban-Crell/Germakowski/Bissels/Hurst, § 8 AÜG Rn. 32). Diese Ansicht hat das BAG inzwischen bestätigt: wendet der Kunde in seinem Betrieb ein allgemeines Entgeltschema an, kann auf die fiktive Eingruppierung des Zeitarbeitnehmers in dieses abgestellt werden (Urt. v. 13. März 2013 – 5 AZR 242/12; Urt. v. 19. Februar 2014 – 5 AZR 920/12).

Schlechterstellungsverbot darf nicht zu einer Besserstellung führen

Maßstab ist das Arbeitsentgelt, das der Zeitarbeitnehmer erhalten hätte, wenn er für die gleiche Tätigkeit unmittelbar bei dem Kunden eingestellt worden wäre. Gibt es mehrere vergleichbare Arbeitnehmer, für die unterschiedliche individuell ausgehandelte Arbeitsbedingungen gelten, wird man sich am „Minimum“, also am geringsten Entgelt, zu orientieren haben (LAG Schleswig-Holstein v. 12. Februar 2014 – 6 Sa 325/13; zust. Bissels, jurisPR-ArbR 21/2014 Anm. 3; Urban-Crell/Germakowski/Bissels/Hurst, § 8 AÜG Rn. 30, m.w.N.). Das Schlechterstellungsverbot kann sich in diesem Zusammenhang nicht in ein Besserstellungsgebot wandeln.

Gleichstellungspflicht umfasst alle „wesentlichen Arbeitsbedingungen“

Die Gleichstellungspflicht bezieht sich auf die wesentlichen Arbeitsbedingungen. Das BAG hat im Rahmen einer europarechtskonformen Auslegung entschieden, dass die in Art. 3 Abs. 1 lit. f) der ZeitarbeitsRL genannten Regelungsgegenstände den Begriff der „wesentlichen Arbeitsbedingungen“ in § 8 Abs. 1 AÜG abschließend ausformen (Urt. v. 23. März 2011 – 5 AZR 7/10). Dazu gehören neben dem Arbeitsentgelt die Dauer der Arbeitszeit, Überstunden, Pausen, Ruhezeiten, Nachtarbeit, Urlaub sowie arbeitsfreie Tage.

Bei dem Kunden geltende (tarifliche) Ausschlussfristen zählen dagegen nach Auffassung des BAG nicht dazu (Urt. v. 23. März 2011 – 5 AZR 7/10, NZA 2011, 850; dazu: Bissels, BB 2011, 893; a.A. LAG München v. 12. November 2009 – 3 Sa 579/09, ArbR 2010, 99; Lützeler/Bissels/Domke, ArbR 2011, 136). Abweichendes gilt freilich für die zwischen dem Personaldienstleister und dem Zeitarbeitnehmer unmittelbar arbeitsvertraglich oder durch eine Bezugnahme auf Tarifverträge geltenden Verfallfristen.

Die Bestandteile des Arbeitsentgelts

Zum Arbeitsentgelt zählt nach der herrschenden Meinung alles, was für die Arbeitsleistung pro Zeiteinheit und/oder für das Arbeitsergebnis bezahlt wird bzw. aufgrund gesetzlicher Entgeltfortzahlungstatbestände (vgl. aber Bissels/Falter, ArbR 2018, 327, die davon ausgehen, dass das Urlaubsentgelt nicht vom equal pay-, sondern nur vom equal treatment-Grundsatz erfasst wird) gewährt werden muss (BT-Drucks. 18/9232, 23 unter Hinweis auf BAG v. 19. Februar 2014 – 5 AZR 1046/12).

Provisionen, Tantiemen, Gewinnbeteiligungen, ein 13. Monatsgehalt und eine (tarifliche) Sonderzahlung sind ebenso zu berücksichtigen wie Zuschläge und Zulagen, die an die Arbeitsstunden geknüpfte Belastungen ausgleichen (Schüren/Schüren, § 9 AÜG Rn. 132, 135; Urban-Crell/Germakowski/Bissels/Hurst, § 3 AÜG Rn. 37), sowie sämtliche weitere Vergütungsbestandteile, die als Gegenleistung für die Erbringung der Arbeitsleistung vergleichbarer Arbeitnehmer des Kunden erbracht werden (vgl. BAG v. 13. März 2013 – 5 AZR 294/12; BAG v. 19. Februar 2014 – 5 AZR 1047/12).

Dazu gehören auch vermögenswirksame Leistungen (BAG v. 19. Februar 2014 – 5 AZR 1047/12; BAG v. 13. März 2013 – 5 AZR 242/12) sowie (steuerpflichtige) geldwerte Vorteile eines zur privaten Nutzung überlassenen Firmenwagens (BAG v. 19. Februar 2014 – 5 AZR 1047/12; Bissels, BB 2014, 1658) und sonstige Sachbezüge, für die ein Wertausgleich (in Euro) gewährt werden kann (vgl. § 8 Abs. 1 S. 3 AÜG).

Maßgebend sind daher sämtliche auf den Lohnabrechnungen vergleichbarer Stammarbeitnehmer des Kunden ausgewiesene Vergütungsbestandteile. Außer Betracht bleibt vor diesem Hintergrund ein echter Aufwendungsersatz (Fahrt-, Übernachtungs-, Verpflegungskosten, vgl. BAG v. 19. Februar 2014 – 5 AZR 700/12). Soweit sich dieser allerdings als „verschleiertes“ und damit steuerpflichtiges Arbeitsentgelt darstellt, ist er beim Gesamtvergleich der Entgelte zu beachten (BAG v. 13. März 2013 – 5 AZR 294/12).

Stichtagsregelungen gelten auch für Zeitarbeitnehmer

Bei Vergütungsbestandteilen, die über das laufende Entgelt hinausgehen, ist zu fragen, ob ein entsprechend der Überlassungsdauer befristet beschäftigter Stammarbeitnehmer Anspruch auf die Leistung hätte oder nicht. Gewährt der Kunde dessen Mitarbeitern zu einem bestimmten Stichtag eine Sonderzahlung, kann der Zeitarbeitnehmer diese im Rahmen des equal pay nur für sich reklamieren, wenn dieser an diesem Stichtag bei dem betreffenden Kunden im Einsatz ist (LAG Schleswig-Holstein v. 21. Mai 2013 – 2 Sa 398/12).

Herrschende Ansicht zählt auch betriebliche Altersversorgung zum Arbeitsentgelt

Streitig ist, ob die bei dem Kunden gewährte betriebliche Altersversorgung zum Arbeitsentgelt zählt. Im Ergebnis sprechen zumindest gute Argumente dafür, dass die betriebliche Altersversorgung – entgegen der wohl herrschenden Ansicht – nicht zu berücksichtigen ist (Schüren/Hamann, § 8 AÜG Rn. 52; Sudmann/Diederich, AuA 2018, 365; Stumpp/Nölke, PuR 2018, 34; a.A. Ulber, § 8 AÜG Rn. 34; Thüsing/Kock/Greiner, § 8 AÜG Rn. 20; Giese/Orth, BB 2017, 693 ff.; ErfK/Wank, § 8 AÜG Rn. 6; Ulrici, § 8 AÜG Rn. 25; differenzierend Greiner, RdA 2017, 155). Dies gilt erst recht, wenn die maßgeblichen Unverfallbarkeitsfristen bei einem Kundeneinsatz nicht überschritten werden (Thüsing/Kock/Greiner, § 8 AÜG Rn. 20; Urban-Crell/Germakowski/Bissels/Hurst, § 8 AÜG Rn. 38).

Zahlungen des Kunden, die ausschließlich die Betriebstreue der Stammbeschäftigten honorieren sollen, sind ebenfalls keine im Rahmen von equal pay zu berücksichtigenden Entgeltbestandteile (Schüren/Hamann, § 8 AÜG Rn. 55). Auch Lohnersatzleistungen, wie die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall oder das Urlaubsentgelt (Bissels/Falter, ArbR 2018, 327: als Bestandteil von equal treatment (nicht hingegen von equal pay) sollen als wesentliche Arbeitsbedingung vom Gleichstellungsgrundsatz erfasst sein (Ulber, § 8 AÜG Rn. 33).

Monatliche Gegenüberstellung – aber Ausgleich zwischen den Monaten möglich

Bei der Bestimmung von equal pay hat eine monatliche Gegenüberstellung der Vergütung des Zeitarbeitnehmers mit dem Entgelt eines vergleichbaren Stammbeschäftigten im Kundenbetrieb in einem Gesamtvergleich zu erfolgen (sog. Schattenrechnung). Dabei werden nicht einzelne Bestandteile der Vergütung gegenübergestellt. Eine etwaige Differenz, die sich aus der monatlichen Saldierung zu Lasten des Zeitarbeitnehmers ergibt, ist zur Herstellung eines equal pay auszugleichen. Dies kann z.B. durch die Zahlung einer „equal pay-Zulage“ geschehen.

Ist das Entgelt des Zeitarbeitnehmers in einem Monat höher als die Vergleichsvergütung, ist dieses vereinbarungsgemäß auszuzahlen. Das „erwirtschaftete Guthaben“ zugunsten des Zeitarbeitnehmers kann allerdings in Monaten mit einer etwaigen Differenz verrechnet werden. So erfolgt am Ende der Überlassungszeit des jeweiligen Einsatzes tatsächlich nur eine Gleich-, nicht aber eine Besserstellung des Zeitarbeitnehmers (Greiner, RdA 2017,155; Thüsing/Kock/Greiner, § 8 AÜG Rn. 15). Einer ausdrücklichen Vereinbarung zwischen Personaldienstleister und Zeitarbeitnehmer ist hierfür nicht erforderlich. Vielmehr ergibt sich dies bereits aus dem Sinn und Zweck des equal pay-Grundsatzes.

Kein Ausgleich über verschiedene Einsätze hinweg

Eine einsatzübergreifende Saldierung ist hingegen ausgeschlossen.

Die Berechnung einer (etwaigen) Entgeltdifferenz vollzieht sich dabei immer auf der Ebene der Bruttovergütung. Der Zeitarbeitnehmer hat folglich keinen Anspruch darauf, dass sich einzelne, in die Differenzrechnung einfließende Bestandteile der Vergütung des Kunden, die an sich steuer- und/oder sozialversicherungsrechtlich privilegiert behandelt werden (z.B. Zuschläge für Sonntags-/Nacharbeit) zu dessen Gunsten im Nettoentgelt auswirken. Vielmehr sind diese im Rahmen der durchzuführenden Gesamtrechnung wie herkömmliche, nicht privilegierte Bruttoentgeltbestandteile zu behandeln (vgl. ausführlich dazu: Bissels/Falter, ArbR 2019, 547 ff.).

Monatsentgelt von Stammarbeitnehmern als Richtschnur

Erhalten die vergleichbaren Stammarbeitnehmer ein Monatsgehalt, richtet sich der equal pay-Anspruch des Zeitarbeitnehmers auf selbiges. Das „Herunterrechnen“ des Monatsgehalts auf einen insoweit fiktiven Stundenlohn kommt nach der Rechtsprechung grundsätzlich nicht in Betracht (BAG v. 23. Oktober 2013 – 5 AZR 556/12; BAG v. 19. Februar 2014 – 5 AZR 700/12; Bissels, BB 2014, 1658).

Ausgangspunkt für die Berechnung der Differenzvergütung ist vielmehr das Monatsgehalt, das der Zeitarbeitnehmer erhalten hätte, wenn er unmittelbar bei dem Kunden beschäftigt gewesen wäre. Erstreckt sich ein Überlassungszeitraum (auch) auf nicht volle Kalendermonate, muss das anteilige Monatsgehalt nach den bei dem Kunden geltenden Berechnungsregeln bestimmt werden. Fehlt es an solchen, ist dieses auf der Basis eines Dreißigstel je Tag des Überlassungszeitraums, der in den nicht vollen Kalendermonat fällt, zu ermitteln (BAG v. 19. Februar 2014 – 5 AZR 700/12).

Widerlegbare Vermutung für die Gleichstellung bei Tarifentgelten

Erhält ein Zeitarbeitnehmer das für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Kunden im Einsatzbetrieb geschuldete tarifvertragliche Arbeitsentgelt oder in Ermangelung eines solchen ein für vergleichbare Arbeitnehmer in der Einsatzbranche geltendes tarifvertragliches Arbeitsentgelt, wird nach § 8 Abs. 1 S. 2 AÜG (widerlegbar) vermutet, dass der Zeitarbeitnehmer hinsichtlich des Arbeitsentgelts i.S.v. § 8 Abs. 1 S. 1 AÜG gleichgestellt ist.

Übertarifliche Entgeltbestandteile, die etwaig von dem Kunden gezahlt werden, stehen der Anwendung der Vermutungsregelung nicht entgegen. § 8 Abs. 1 S. 2 AÜG soll dabei der Erleichterung der praktischen Umsetzung der Gewährung von equal pay diesen. Thüsing weist dabei zu Recht darauf hin, dass die Regelung in § 8 Abs. 1 S. 2 AÜG in der Praxis nicht weiter hilft (Thüsing, DB 2016, 2664; Ulrici, § 8 AÜG Rn. 45, der aus anderen Erwägungen ebenfalls anmerkt, dass die Vermutungsregelung keine praktische Relevanz erlangt).

Zur Widerlegung der Vermutung muss der Zeitarbeitnehmer nämlich nur vortragen, dass der Kunde nicht tarifgebunden ist oder dass ein vergleichbarer Arbeitnehmer bei einer bestehenden Tarifbindung, z.B. aufgrund einer Betriebsvereinbarung oder einer Gesamtzusage, eine geldwerte übertarifliche Leistung bezieht. Dies nachzuweisen, ist insbesondere aufgrund der Betriebsöffentlichkeit von Betriebsvereinbarungen (vgl. § 77 Abs. 2 S. 3 BetrVG) in der Regel unproblematisch möglich – auch vor dem Hintergrund, dass tarifgebundene Kunde in der Praxis oftmals übertarifliche Leistungen gewähren.

Unterschiedliche Urlaubsregelungen führen zu Problemen

Nur schwer lösbare Probleme entstehen bei der Urlaubsdauer (vgl. Bissels/Falter, ArbR 2018, 329 f., die die Dauer des Urlaubs den „sonstigen Arbeitsbedingungen“ zuweisen, von denen durch die Tarifverträge der Zeitarbeit auch nach dem 1. April 2017 dauerhaft abgewichen werden kann; so ebenfalls: Schüren/Hamann, § 8 AÜG Rn. 50), wenn der Zeitarbeitnehmer im Urlaubsjahr bei verschiedenen Kunden mit unterschiedlichen Urlaubsregelungen tätig war. Dieser erwirbt immer nur einen anteiligen Urlaubsanspruch für die Dauer des Einsatzes, soweit dieser über die Urlaubsdauer aus dem Zeitarbeitsvertrag hinausgeht.

Gewährt der Personaldienstleister dem Zeitarbeitnehmer während des Zeitraums einer Überlassung Urlaub, berechnet sich das Urlaubsentgelt nach den dafür bei dem Kunden anzuwendenden Bestimmungen. Fehlt es dort an einschlägigen tariflichen Urlaubsregelungen (§ 13 Abs. 1 S. 1, 2 BUrlG), bleibt es bei der Bemessung des Urlaubsentgelts bei den Vorgaben des § 11 Abs. 1 BUrlG (BAG v. 23. Oktober 2013 – 5 AZR 135/12).

Dabei ist das Urlaubsentgelt als urlaubsbezogene Arbeitsbedingung – entgegen der herrschenden Ansicht – kein equal pay-Bestandteil, sondern im Rahmen von equal treatment zu berücksichtigen (Bissels/Falter, ArbR 2018, 329 unter Verweis auf BAG v. 21. Oktober 2015 – 5 AZR 604/14; Schüren/Hamann, § 8 AÜG Rn. 51; Motz, AIP 4/2018, 12; a.A. Thüsing/Kock/Greiner, § 8 AÜG Rn. 16; Bayreuther, NZA 2017, 21; Stumpp/Nölke, PuR 2018, 34; Urban-Crell/Germakowski/Bissels/Hurst, § 8 AÜG Rn. 37). Dieses kann – auch nach dem 1. April 2017 – durch die Anwendung der Tarifverträge der Zeitarbeit oder eine entsprechende Bezugnahme darauf zeitlich unbegrenzt abbedungen werden.

Fortsetzung folgt

Im nächsten Teil dieser Blogserie beleuchten wir die Möglichkeit einer Abweichung vom vorgestellten Gleichstellungsgrundsatz durch einen Tarifvertrag näher.

*Gemeint sind Beschäftigte jeder Geschlechtsidentität. Lediglich der leichteren Lesbarkeit halber wird künftig bei allen Bezeichnungen nur noch die grammatikalisch männliche Form verwendet.

Tags: 2017 AÜG Reform Gleichstellungsgrundsatz