Nach dem LAG Düsseldorf hat sich auch das BAG zum Vorbeschäftigungsverbot bei sachgrundloser Befristung geäußert.
Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf (Urteil v. 10. Oktober 2018 – 7 Sa 792/17) hatte bereits im Oktober 2018 entschieden, dass bei einer fünf Jahre zurückliegenden vergleichbaren Vorbeschäftigung noch nicht von einem „sehr langen″ Zeitraum zwischen den beiden Arbeitsverhältnissen im Sinne der Rechtsprechung des BVerfG (Beschluss v. 6. Juni 2018 – 1 BvL 7/14, 1 BvR 1375/14) gesprochen werden könne. Eine erneute sachgrundlose Befristung sei daher nach § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG (noch) nicht zulässig.
Rechtsprechungsänderung des Bundesarbeitsgerichts zum Vorbeschäftigungsverbot
Nun hat das BAG zum ersten Mal zur Thematik des Vorbeschäftigungsverbots nach dem Beschluss des BVerfG Stellung genommen und seine Rechtsprechung geändert.
Seit 2011 hatte das BAG die Auffassung vertreten, dass eine sachgrundlose Befristung des Arbeitsverhältnisses – entgegen § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG – dann wieder zulässig sei, wenn das Ende des vorangegangenen Arbeitsverhältnisses mehr als drei Jahre zurückliege (Urteil v. 6. April 2011 – 7 AZR 716/09). Diese Rechtsprechung hatte das BVerfG im Juni 2018 gekippt, nahm aber in Ausnahmefällen an, dass trotz einer Vorbeschäftigung eine erneute sachgrundlose Befristung zulässig sein könne, wenn die Vorbeschäftigung
- sehr lang zurückliegt,
- ganz anders geartet war oder
- von sehr kurzer Dauer gewesen ist.
Das BAG (Urteil v. 23. Januar 2019 – 7 AZR 733/16) entschied auf dieser Basis nun, dass eine acht Jahre zurückliegende Vorbeschäftigung nicht im Sinne des BVerfG „sehr lang zurückliegt″. Denn die Möglichkeit einer erneuten sachgrundlosen Befristung acht Jahre nach dem Ende der Vorbeschäftigung würde allein wegen des Zeitablaufs den gesetzgeberischen Zweck, das unbefristete Arbeitsverhältnis als Regelbeschäftigungsform zu erhalten, gefährden.
Darüber hinaus seien auch die geschuldeten Tätigkeiten beide Male nicht „ganz anders geartet″ gewesen, da der Arbeitnehmer erst als „Montagearbeiter“ mit dem Hauptaufgabenfeld „Schweiß- und Montagearbeiten″ und nun als „Facharbeiter im Bereich Produktion und Logistik“ beschäftigt gewesen sei.
Schließlich sei auch eine Dauer von 1 ½ Jahren nicht „sehr kurz″. Zur Beurteilung dessen verweist das BAG auf die gesetzliche Höchstdauer eines sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrags von zwei Jahren (§ 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG), den Erwerb des allgemeinen Kündigungsschutzes gemäß § 1 Abs. 1 KSchG nach Ablauf von sechs Monaten sowie auf die Kündigungsfrist vorübergehender Aushilfen nach § 622 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 BGB. Im Hinblick auf diese Fristen sei ein Zeitraum von 18 Monaten keinesfalls als sehr kurz anzusehen.
Kein Vertrauensschutz für Arbeitgeberin
Wie das LAG Düsseldorf zuvor geht auch das BAG davon aus, dass die Arbeitgeberin sich auf Vertrauensschutz nicht berufen könne. Sie habe beim Abschluss der Verträge mit dem Arbeitnehmer jedenfalls die Möglichkeit in Betracht ziehen müssen, dass die vom BAG vorgenommene verfassungskonforme Auslegung der Norm vor dem BVerfG keinen Bestand haben könnte.
Sachgrundlose Beschäftigung bei Vorbeschäftigung als Ausnahmefall
Im Nachgang zu dieser grundlegenden Entscheidung des BAG sind bereits weitere Urteile ergangen. Hieraus können folgende „Lehren″ gezogen werden:
- Das BAG stellte klar, dass weder eine neun Monate (Urteil v. 23. Januar 2019 – 7 AZR 733/16; Urteil v. 12. Juni 2019 – 7 AZR 429/17), noch eine nur sechs Monate (Urteil v. 23. Januar 2019 – 7 AZR 13/17) währende Vorbeschäftigung eine „sehr kurze Dauer″ aufweise. Das LAG Rheinland-Pfalz (Urteil v. 11. März 2020 – 4 Sa 44/19) führt an, aus der gesetzgeberischen Wertung des § 622 Abs. 2 Nr. 7 BGB ergebe sich, dass jedenfalls solange ein Arbeitnehmer sich durch eine längere Betriebszugehörigkeit noch einen höheren Bestandschutz in Form von längeren Kündigungsfristen erwerben könne, eine sehr lan-ge Zeitdauer noch nicht vorliegen könne. Dies habe zur Folge, dass bis zu einer Zeitdauer von 20 Jahren zwischen den Beschäftigungen eine sehr lange Zeit nicht vorlegen könne.
- Weiterhin geht das BAG davon aus, dass eine bereits 22 Jahre zurückliegende Vorbeschäftigung im Regelfall einen „besonders langen″ Zeitraum darstelle (BAG v. 21. August 2019 – 7 AZR 452/17). Jedoch seien auch dann besondere Umstände, die dennoch die Anwendung des in § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG bestimmten Verbots gebieten, zu prüfen. Demgegenüber hält es 15 Jahre für zu kurz (Urteil vom 17. April 2019 – 7 AZR 324/17).
Hieraus wird erkennbar, dass die Möglichkeit zur sachgrundlosen Befristung bei Vorbeschäftigungen nunmehr auf absolute Ausnahmesituationen beschränkt sein wird.
Ich hatte die vom BVerfG gekippte alte BAG-Rechtsprechung schon in AuR 11,413 und in AuR 14,31 stark kritisiert. Die BVerfG-Entscheidung vom 6.6.18 (= NJW 18,2542) ist aber auch in methodischer Hinsicht bahnbrechend: Ein aus den Gesetzesmaterialien klar erkennbarer Wille des Gesetzgebers müsse von den Gerichten immer beachtet werden, da dies Ausdruck demokratischer Verfassungsstaatlichkeit sei, dem Grundsatz der Gewaltenteilung Rechnung trage und dies auch die Bindung der Gerichte an das Gesetz verwirkliche. Leider wurden in die Neuauflagen 2019 des Baumbach, ZPO und des Palandt, BGB diese BVerfG-Grundsätze in den Rubriken Auslegung und Rechtsfortbildung gar nicht bzw. unzureichend eingearbeitet. Bei Baumbach/Hartmann wird die Entscheidung mit keinem Wort erwähnt. In der Einleitung III Rn. 42 heißt es weiterhin, dass die Entstehungsgeschichte nur hilfsweise beachtbar sei. Beim Palandt wird die Entscheidung zwar immerhin in der Einleitung, Rubrik Rechtsfortbildung genannt. In der Rubrik Auslegung wird sie dagegen vom BGH-Richter Grüneberg mit keinem Wort erwähnt und das obwohl gerade die dort von ihm aufgestellte These, maßgebend sei die objektive Auslegungstheorie und nicht die auf den Willen des historischen Gesetzgebers abstellende subjektive Theorie in krassem Widerspruch zu den jetzt vom BVerfG aufgestellten Grundsätzen steht. Grüneberg hätte, wenn er schon an der Maßgeblichkeit der objektiven Theorie festhalten will, zumindest einfügen müssen: a.A. BVerfG, NJW 18,2542.