1. April 2019
Betriebsrat digitales Zeitalter
Arbeitsrecht

Betriebsratsarbeit im digitalen Zeitalter

Das Betriebsverfassungsgesetz von 1972 stellt Betriebsparteien im digitalen Zeitalter vor immer neue Herausforderungen. Der Gesetzgeber muss handeln!

Das digitale Zeitalter stellt die Arbeit von und mit Betriebsräten vor neue Herausforderungen, denen das Betriebsverfassungsgesetz von 1972 nicht Stand halten kann. Gesetzgeberisches Handeln erscheint unumgänglich.

Unsere Arbeitswelt ist im stetigen Wandel. Die zunehmende Digitalisierung verändert sie in einem nie zuvor dagewesenen Tempo. Digitalisierung wirkt sich dabei auf die Arbeitsinhalte und -bedingungen der Arbeitnehmer, aber auch auf die Arbeit des Betriebsrats bzw. die Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat aus. Folgende Themen stehen dabei aktuell besonders im Fokus: „virtuelle Betriebsratssitzungen und Beschlussfassungen“, „virtuelle Betriebsversammlungen“ und „Online-Betriebsratswahlen“.

Bundesregierung prüft Zulässigkeit von Videokonferenzen für Betriebsräte

Das deutsche Betriebsverfassungsrecht sieht bislang grundsätzlich keine virtuellen Betriebsratssitzungen vor. Vielmehr schreiben die gesetzlichen Regelungen der §§ 29 ff. BetrVG sowie die gefestigte Rechtsprechung eine Präsenzpflicht der Mitglieder bei Betriebsratssitzungen vor. Sie ist Voraussetzung dafür, dass Beschlüsse wirksam gefasst werden können.

In der Literatur gibt es inzwischen aber auch Stimmen, die eine modernere Auslegung bevorzugen. Diese gehen davon aus, dass „Anwesenheit″ im Sinne des § 33 Abs. 1 BetrVG lediglich bedeute, dass man von anderen Sitzungsteilnehmern audiovisuell wahrgenommen werde und sich am Willensbildungsprozess des Gremiums beteiligen könne. Diesen Anforderungen werde eine Videokonferenz gerecht (siehe Thüsing/Beden, BB 2019, S. 372 ff.).

Der Gesetzgeber hat unlängst für Seebetriebsräte in Umsetzung der EU-Richtlinie EU 2015/1794 die Änderung des Gesetzes über Europäische Betriebsräte (EBRG) herbeigeführt. Mit einem neuen § 41a EBRG wird es nun Seebetriebsräten erstmals erlaubt, an Betriebsratssitzungen auch virtuell teilzunehmen. Diese Teilnahme kann dann beispielsweise per Videokonferenz erfolgen.

Diese Gesetzesänderung geht einen ersten Schritt in die richtige Richtung. In der Praxis werden Telefon- und Videokonferenzen zur internen Absprache der Betriebsräte bereits vielfach genutzt. Die Notwendigkeit eines physischen Treffens des Betriebsrates, damit ein rechtswirksamer Beschluss gefasst werden kann, erscheint angesichts dieser Praxis nicht mehr zeitgemäß. Sie belastet Arbeitgeber und Betriebsräte insbesondere dann, wenn es sich um überörtliche Gremien wie Gesamt- oder Konzernbetriebsräte handelt, bei denen die Sitzungen mit erheblichen Reiseaufwendungen und Arbeitsausfällen verbunden sind. Aber auch in Betrieben, in denen im Schichtsystem gearbeitet wird oder die Teilzeit-Quote besonders hoch ist, sind physische Treffen häufig problematisch und führen zu Verzögerungen wichtiger Entscheidungen.

Aus gutem Grund zieht die Bundesregierung daher in Erwägung (siehe Weißbuch Arbeiten 4.0, S. 160 f.), die Zulässigkeit von Videokonferenzen auch anderen Betriebsräten zu eröffnen. Allerdings soll die Zulässigkeit auf eng definierte Ausnahmefälle begrenzt werden.

Der Startschuss für virtuelle Betriebsratssitzungen ist durch die Einführung von § 41a EBRG jedenfalls gefallen. In Frankreich sind Videokonferenzen schon seit 2015 zulässig.

Virtuelle Betriebsversammlungen

Auch bei der Durchführung von Betriebsversammlungen besteht ein praktisches Bedürfnis nach Virtualität. Nicht wenige Unternehmen haben überörtliche Betriebe und damit Betriebsräte, die für mehrere Standorte zuständig sind. In der Literatur wird deshalb auch die Durchführung virtueller Betriebsversammlungen nach den §§ 42 ff. BetrVG diskutiert. Technisch schwierig dürfte es sein, sämtliche Mitglieder der Belegschaft einzeln virtuell hinzuschalten. Denkbar wäre es allerdings, einzelne Mitarbeiter zu einer Betriebsversammlung per Videokonferenz oder auch die in einem Raum versammelten Mitglieder eines auswärtigen Standortes zuzuschalten. Dagegen gibt es Bedenken insoweit, als dass die Betriebsversammlung dann nicht mehr – wie vom Gesetz gefordert – „nicht öffentlich″ sei (§ 42 Abs. 1 S. 2 BetrVG), da bei Internetübertragungen die Gefahr unbefugten Zuschaltens betriebsfremder Personen bestünde (siehe dazu im Einzelnen Thüsing/Beden, BB 2019, S. 372 ff, die diese Bedenken jedoch ausräumen). Diese Bedenken könnten aber technisch durch erhöhte Sicherheitsvorkehrungen ausgeräumt werden.

Online-Betriebsratswahlen

Betriebsverfassungsgesetz und Wahlordnung sehen derzeit keine Online-Betriebsratswahl vor. Es ist weder eine elektronische Stimmabgabe ausdrücklich vorgesehen noch können die Bestimmungen zur Briefwahl (vgl. §§ 24 ff. WO) dahingehend ausgelegt werden, dass sie eine Online-Betriebsratswahl umfassen.

Dementsprechend hielt das Arbeitsgericht Hamburg im Juni 2017 eine Betriebsratswahl in einem Unternehmen, die neben der herkömmlichen Präsenz- und Briefwahl auch in Form einer Online-Wahl durchgeführt werden konnte, für nichtig (ArbG Hamburg, Beschluss vom 7. Juni 2017 – 13 BV 13/16). Die Berufungsinstanz, das LAG Hamburg, erklärte die Wahl für (nur) unwirksam (Entscheidung vom 15. Februar 2018 – 8 TaBV 5/17). Eine Online-Betriebsratswahl sei nicht mit der Wahlordnung zu vereinbaren. Dies ergebe sich aus dem Gesetzeswortlaut und der Systematik der Wahlordnung. Für eine Auslegung sei darüber hinaus kein Raum. Die Wahl sei aber nicht nichtig, da dies einen groben und offensichtlichen Verstoß gegen wesentliche Grundsätze des gesetzlichen Wahlrechts voraussetze, der so schwerwiegend sei, dass auch der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl nicht mehr bestehe. Zwar sei der Fehler im zu entscheidenden Fall offensichtlich gewesen, allein wegen der Option der elektronischen Stimmabgabe fehle der Wahl aber nicht von vorneherein der Anschein einer demokratischen Willensbildung.

Die Entscheidung des LAG ist wenig überraschend. Die Vorteile einer Online-Betriebsratswahl sind schließlich vielfältig: Neben einer erhöhten Wahlbeteiligung, weil die Teilnahme an der Wahl schneller und unkomplizierter möglich ist, könnte gerade auch bei jüngeren Arbeitnehmern eine höhere Akzeptanz erreicht werden und hätte nicht zuletzt eine erhebliche Zeit- und Kostenersparnis bei der Durchführung der Betriebsratswahl zur Folge. All diese Aspekte sollten einen Anreiz für den Gesetzgeber setzen, sich mit dem Thema alsbald auseinanderzusetzen.

Derzeit riskieren Unternehmen bzw. Betriebsräte mit der Durchführung einer Online-Betriebsratswahl jedenfalls die Unwirksamkeit der Wahl, so dass dieser Weg bei der aktuellen Rechtslage und trotz aller Vorteile nicht zu empfehlen ist. Eine so durchgeführte Betriebsratswahl wäre mit ex nunc Wirkung anfechtbar.

Geschäftsführung des Betriebsrats

Die sonstige Tätigkeit des Betriebsrats kann aber bereits derzeit digital durchgeführt werden. So darf insbesondere die interne Betriebsratskommunikation mittels digitaler Medien, wie E-Mail, Videokonferenz oder Messenger-Diensten erfolgen. Der Betriebsrat ist hierzu im Rahmen der Erforderlichkeit gemäß § 40 BetrVG mit adäquater Technik auszustatten. Grundsätzlich steht es dem Betriebsrat auch frei, Sprechstunden nach § 39 BetrVG als Videosprechstunden anzubieten.

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