Ab Januar 2019 sollen Arbeitnehmer Anträge auf Brückenteilzeit stellen können. Worauf müssen sich Arbeitgeber einstellen? Näheres im nachfolgenden Beitrag.
Weniger als drei Monate nach Abschluss der Koalitionsverhandlungen, d. h. als eine der ersten Gesetzesinitiativen der GroKo liegt nun ein Referentenentwurf zur Weiterentwicklung des Teilzeitrechts vor („RefE″). Das bereits im Koalitionsvertrag zwischen SPD und CDU/CSU sehr konkret beschriebene Recht auf befristete Teilzeit – jetzt „Brückenteilzeit″ – wird darin in ein Gesetz gegossen.
Voraussetzungen der Brückenteilzeit
Die Voraussetzungen der Brückenteilzeit sind künftig in einem neuen § 9a TzBfG geregelt und im Grunde aus dem Koalitionsvertrag abgeschrieben:
- Das Arbeitsverhältnis besteht länger als sechs Monate.
- Die Brückenteilzeit kann nur für mindestens ein oder höchstens fünf Jahre genommen werden.
- Der Anspruch besteht nur gegen Arbeitgeber mit mehr als 45 Arbeitnehmern.
- Arbeitgeber mit 46-200 Arbeitnehmern können einen Antrag ablehnen, wenn sich bereits einer pro angefangene 15 Mitarbeiter in Brückenteilzeit befindet (sog. Zumutbarkeitsgrenze).
- Es stehen der Brückenteilzeit keine betrieblichen Gründe entgegen.
- Das Ende der letzten Brückenteilzeit ist mindestens ein Jahr her.
- Der Antrag muss drei Monate vor Beginn der geplanten Brückenteilzeit gestellt werden.
Obwohl der RefE im Vergleich zu dem Entwurf aus 2017 eine Entschärfung für die Unternehmen darstellt, kommen verschiedene Herausforderungen auf sie zu.
Berechnung der Schwellenwerte und Zumutbarkeitsgrenze
Bei der Berechnung der neuen Schwellenwerte stellt sich die Frage, welche Mitarbeiter zu berücksichtigen sind, insbesondere ob Leiharbeitnehmer zählen und wie Teilzeitbeschäftigte zu berücksichtigen sind. Einzig für Auszubildende stellt der RefE klar, dass diese nicht einzubeziehen sind.
Administrativer Mehraufwand wird sich dadurch ergeben, dass Arbeitgeber die Schwellenwerte und Zumutbarkeitsgrenzen jederzeit im Blick haben müssen, um mit den eingehenden Anträgen auf Brückenteilzeit ordnungsgemäß umgehen zu können. Sie müssen dafür Mitarbeiterzahlen generieren und Brückenteilzeitanträge und -verträge verwalten.
Doppelte Erörterungspflicht
Nach dem RefE können Arbeitgeber mit mehr als 45 Arbeitnehmern künftig zwei Erörterungspflichten treffen: Einmal, wenn ein Arbeitnehmer einen Wunsch auf Veränderung der Arbeitszeit angezeigt hat (§ 7 Abs. 2 RefE), und noch einmal, wenn dieser Arbeitnehmer einen Antrag auf Brückenteilzeit stellt (§ 9a Abs. 3 RefE i.V.m. § 8 Abs. 3 TzBfG). Offen bleibt, welche Konsequenzen es für den Arbeitgeber hätte, wenn er entweder gar nicht oder z.B. nur nach Stellung des Antrags mit dem Arbeitnehmer seiner Erörterungspflicht nachkommt.
Beweislastverlagerung bei der Stellenbesetzung
Bei der Besetzung freier Arbeitsplätze soll es künftig eine Beweislastverteilung zu Lasten des Arbeitgebers geben (§ 9 RefE). Diese Neuerung betrifft insbesondere die heute bereits in unbefristeter Teilzeit tätigen Arbeitnehmer und würde alle Unternehmen unabhängig von ihrer Größe betreffen.
Zeigt ein Mitarbeiter, der sich in unbefristeter Teilzeit befindet, gegenüber dem Arbeitgeber an, dass er seine Arbeitszeit wieder oder erstmals verlängern möchte, soll es für den Arbeitgeber schwieriger werden, diesen Mitarbeiter bei der Besetzung freier Stellen außen vor zu lassen. Denn: Anders als bislang, soll der Arbeitgeber darlegen und beweisen müssen, warum er einen freien Arbeitsplatz nicht mit diesem Mitarbeiter besetzen kann. Wenn der Arbeitgeber einen teilzeitbeschäftigten Mitarbeiter bei der Besetzung freier Stellen nicht berücksichtigen möchte, müsste er belegen können, dass
- ein Arbeitsplatz nicht frei ist,
- der angestrebte dem bisherigen Arbeitsplatz des Arbeitnehmers inhaltlich nicht entspricht oder
- der Teilzeitbeschäftigte nicht mindestens gleich geeignet ist wie ein anderer interner oder externer Bewerber.
Neben einem hohen Begründungsaufwand kämen damit zahlreiche Rechtsfragen auf die Arbeitgeber zu: Ist ein mit einem Leiharbeitnehmer besetzter Arbeitsplatz frei? Wie kann der Arbeitgeber beweisen, dass ein Arbeitsplatz nicht frei ist? Einen Anspruch auf Schaffung einer Stelle mit der gewünschten Arbeitszeit oder auf Zusammenlegung von Arbeitsplätzen hat der Arbeitnehmer nach § 9 RefE aber nicht.
Risikobehaftete Auswahlentscheidung bei mehreren Anträgen
Rechtsunsicherheit entsteht nach dem ReFE für die Arbeitgeber, wenn sie zwischen mehreren Anträgen auf Brückenteilzeit eine Auswahl treffen und einen oder mehrere Anträge ablehnen müssen. Dies könnte beispielsweise der Fall sein, wenn entgegenstehende betriebliche Gründe die Gewährung sämtlicher Anträge nicht zulassen oder in Unternehmen mittlerer Größe die Zumutbarkeitsgrenze überschritten würde.
In der Begründung des RefE ist von einer Auswahlentscheidung nach „billigem Ermessen″ die Rede, die sämtliche Umstände abwägen und die Interessen angemessen berücksichtigen muss. Wenn ein Arbeitgeber im Einzelfall eine fehlerhafte Auswahlentscheidung träfe, ist das weitere Vorgehen unklar: Darf der Arbeitgeber eine erneute Auswahl treffen und könnten zwischenzeitlich abgeschlossene Brückenteilzeitverträge wieder aufgehoben werden?
Erschwernisse bei der Personalplanung
Auch bei der Personalplanung müssen sich die Arbeitgeber umstellen. Wenn das Gesetz kommt, müssen sie künftig weit mehr „Rückkehrer″ berücksichtigen als dies bislang zum Beispiel durch Eltern- und Pflegezeit der Fall war. Bei einer Ankündigungsfrist von drei Monaten vor Beginn der Absenkung der Arbeitszeit müssen sie außerdem relativ kurzfristig nach Überbrückungsmöglichkeiten suchen und haben nicht viel Zeit, sich auf die veränderte Personalsituation einzustellen.
Zur vorübergehenden Kapazitätsabdeckung können Arbeitgeber auf die Flexibilisierungsinstrumente der Befristung von Arbeitsverträgen zu Vertretungszwecken und der Arbeitnehmerüberlassung zurückgreifen. Voraussichtlich sind das aber nicht überall die nachhaltigsten Lösungen. Angesichts des zunehmenden Fachkräftemangels, aber auch bei Führungskräften, dürfte es schwierig werden, die vorübergehende Verringerung der Arbeitszeit durch die Einstellung von befristeten Ersatzkräften auszugleichen. Es wird deshalb vermehrt zu einer Umverteilung von Arbeit kommen. Die damit verbundenen Schwierigkeiten werden Arbeitgeber (und Kollegen) in Kauf nehmen müssen.
Ausblick: Brückenteilzeit stellt Arbeitgeber vor Herausforderungen
Der RefE wirft viele rechtliche Fragen auf, die Arbeitgeber künftig beschäftigen werden, und hat auf Arbeitgeberseite bereits zu viel Kritik geführt. Das Recht auf Brückenteilzeit wird als Eingriff in die Vertragsfreiheit gewertet, der insbesondere aufgrund des zunehmenden Fachkräftemangels zur Unzeit komme.
Hauptkritikpunkt ist jedoch die geplante – im Koalitionsvertrag nicht vorgesehene – Beweislastverlagerung, von der die heute unbefristet Teilzeitbeschäftigten profitieren sollen und Unternehmen vor große Schwierigkeiten stellt. Es bleibt daher mit Spannung abzuwarten, welche Änderungen im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens noch vorgenommen werden – wir werden in jedem Fall berichten!