28. Februar 2013
Arbeitsrecht
Arbeitsrecht

Große Ereignisse werfen ihre Schatten voraus – die Zeitarbeitsbranche blickt am 13.03.2013 nach Erfurt

Die CGZP war seit ihrer Gründung im Jahr 2002 nicht tariffähig. Dies hat das BAG endgültig festgestellt (Beschl. v. 14.12.2010 – 1 ABR 19/10; Beschl. v. 23.05.2012 – 1 AZB 58/11; Beschl. v. 23.05.2012 – 1 AZB 67/11; Beschl. v. 22.05.2012 – 1 ABN 27/12). Die arbeitsrechtlichen „Untiefen“ dieser Entscheidungen zeigten sich in den letzten Jahren in den zahlreichen durchaus divergierenden Entscheidungen der im Rahmen von equal pay-Prozessen damit befassten Arbeitsgerichte. Nunmehr deutet sich eine höchstrichterliche Klärung an.

Das BAG wird bald (hoffentlich) einige Fragen mit Blick auf die materiell-rechtlichen Auswirkungen der Tarifunfähigkeit der CGZP aufarbeiten und damit für Rechtsklarheit – nicht nur für die betroffenen CGZP-Anwender – sorgen. Nicht weniger als fünf Verhandlungstermine in Sachen „equal pay“ sind vom 5. Senat ab 9.00 Uhr für den 13.03.2013 angekündigt worden (Az. 5 AZR 954/11; 5 AZR 242/12; 5 AZR 242/12; 5 AZR 294/12; 5 AZR 424/12). Damit nicht genug: am gleichen Tag befasst sich Erfurt in zwei weiteren Verfahren mit bislang höchstrichterlich nicht entschiedenen Fragen, die für die gesamte Zeitarbeitsbranche von Bedeutung sind (Az 5 AZR 181/12; 7 ABR 69/11). Um was geht es konkret?

Die zu erwartende Klärung zu equal pay durch den 5. Senat dürfte sich dabei auf sämtliche von den betroffenen Personaldienstleistern regelmäßig gegen den geltend gemachten Anspruch vorgebrachten Einwendungen und Einreden beziehen. Dabei handelt es sich im Einzelnen um folgende Aspekte:

  • Ist ein equal pay-Verfahren nach § 97 Abs. 5 ArbGG wegen der nur gegenwartsbezogenen Feststellung der Tarifunfähigkeit durch das BAG am 14.12.2010 nach wie vor auszusetzen (so LAG Berlin-Brandenburg v. 20.09.2011 – 7 Sa 1318/11)? Diese Frage dürfte sich nach den Entscheidungen des 1. Senats aus dem Frühjahr 2012 erledigt haben, da nunmehr feststeht, dass die Tarifgemeinschaft zu keinem Zeitpunkt tariffähig war.

 

  • Kann sich der Personaldienstleister auf einen Vertrauensschutz bis zum 14.12.2010 berufen (ablehnend: LAG Berlin-Brandenburg v. 20.09.2011 – 7 Sa 1318/11; LAG Hamm v. 25.01.2012 – 3 Sa 1544/11)?

 

  • Ist die arbeitsvertragliche Bezugnahme auf den mehrgliedrigen CGB-Tarifvertrag intransparent und damit unwirksam (zustimmend: LAG Berlin-Brandenburg v. 20.09.2011 – 7 Sa 1318/11; a.A. LAG Düsseldorf v. 08.12.2011 – 11 Sa 852/11)?

 

  • Kann sich der Personaldienstleister auf die in einem unwirksamen Tarifvertrag vorgesehenen und arbeitsvertraglich in Bezug genommenen Ausschlussfristen berufen (zustimmend: LAG Düsseldorf v. 08.12.2011 – 11 Sa 852/11; einschränkend: LAG Hamm v. 25.01.2012 – 3 Sa 1544/11)?

 

  • Können arbeitsvertraglich vereinbarte längere Verfallfristen einem equal pay-Anspruch entgegenstehen, selbst wenn in dem in Bezug genommenen Tarifvertrag (kürzere) Ausschlussfristen vorgesehen sind (zustimmend: LAG Sachsen v. 23.08.2011 – 1 Sa 322/11; a.A. LAG Berlin-Brandenburg v. 20.09.2011 – 7 Sa 1318/11)?

 

  • Wann beginnen die arbeitsvertraglichen Ausschlussfristen zu laufen? Erst am 14.12.2010 (so LAG Berlin-Brandenburg v. 20.09.2011 – 7 Sa 1318/11), mit der Fälligkeit des jeweiligen Entgeltanspruchs (so LAG Sachsen v. 23.08.2011 – 1 Sa 322/11) oder spätestens am 07.12.2009 (so LAG Düsseldorf v. 08.12.2011 – 11 Sa 852/11)?

 

  • Mindern vom Personaldienstleister gewährte Aufwandsentschädigungen und erstattete Fahrtkosten den equal pay-Anspruch (ablehnend: LAG Berlin-Brandenburg v. 20.09.2011 – 7 Sa 1318/11; a.A. LAG Hamm v. 25.01.2012 – 3 Sa 1544/11)?

 

  • Wird die Verjährung wegen der bis zum 14.12.2010 bestehenden Rechtsunsicherheit zur Tarifunfähigkeit der CGZP gehemmt (ablehnend: LAG Hamm v. 21.03.2012 – 3 Sa 1526/11)?

Zudem wird der 5. Senat darüber entscheiden, ob die in der Zeitarbeitsbranche – auf Grundlage der tariflichen Bestimmungen – weitverbreitete Praxis rechtmäßig ist, dass der Personaldienstleister dem Zeitarbeitnehmer auf dem Arbeitszeitkonto angesparten Plusstunden im Zeitausgleich abzieht, wenn er dem Mitarbeiter keine Beschäftigung zuweisen kann (so LAG Düsseldorf v. 16.11.2012 – 7 Sa 567/11). Der Zeitarbeitnehmer muss keine Leistung erbringen, erhält aber – unter Anrechnung auf seine Plusstunden – weiterhin seine verstetigte Vergütung. Arbeitnehmerseits und von den Gewerkschaften wurde in der Vergangenheit wiederholt der Verstoß gegen § 11 Abs. 4 S. 2 AÜG gerügt, nach dem das Recht des Zeitarbeitnehmers auf Vergütung bei Annahmeverzug des Personaldienstleisters (z.B. wenn keine Einsatzmöglichkeit besteht) nicht durch einen Vertrag aufgehoben oder beschränkt werden kann. Die vom Arbeitszeitkonto abgezogenen Plusstunden seien diesem – so die Argumentation – wieder gutzuschreiben.

Zu guter Letzt wird der Staffelstab schließlich zum großen Finale vom 5. auf den 7. Senat übergeben. Dieser muss sich mit einer Entscheidung des LAG Nürnberg (Urt. v. 02.08.2011 – 7 TaBV 66/10) befassen, nach der Zeitarbeiter beim Kunden des Personaldienstleisters betriebsverfassungsrechtlich nicht als „Arbeitnehmer“ zu qualifizieren seien, an deren Anzahl sich gem. § 9 BetrVG die Größe des Betriebsrates orientiert. Die 7. Kammer vertritt – in Übereinstimmung mit der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung (BAG v. 10.03.2004 – 7 ABR 49/03) – die Ansicht, dass Arbeitnehmer i.S.v. § 9 BetrVG nur Betriebsangehörige seien, die in einem Arbeitsverhältnis zu dem Betriebsinhaber stünden und in die Betriebsorganisation eingegliedert seien (sog. Zweikomponentenlehre). An einer arbeitsvertraglichen Beziehung zwischen Zeitarbeitnehmer und Betriebsinhaber fehle es jedoch. Die tatsächliche Eingliederung in die Betriebsorganisation begründe allein nicht die erforderliche Betriebszugehörigkeit zum Kundenbetrieb.

Für die Branche lohnt sich folglich am 13.03.2013 der Blick nach Erfurt. An diesem Tag werden voraussichtlich nicht nur die Stellschrauben für die bisherigen Anwender der CGZP-Tarifverträge in Zusammenhang mit equal pay-Verfahren neu justiert werden. Die zu erwartenden Entscheidungen des BAG zur Wirksamkeit der Verweisung auf einen mehrgliedrigen Tarifvertrag und zu den Arbeitszeitkonten dürften vielmehr sämtliche Personaldienstleister betreffen. Interessant ist der 13.03.2013 auch für deren Kunden, wenn diese nunmehr feststellen müssen, dass deren Betriebsrat – unter Berücksichtigung der regelmäßig eingesetzten Zeitarbeitnehmer – bei der nächsten regelmäßigen Betriebsratswahl im Frühjahr 2014 erheblich anwachsen wird. Daher gilt: am 13.03.2013 ist eben für jeden etwas dabei – für die Personaldienstleister, die Kunden und auch für die Zeitarbeitnehmer. Man darf gespannt sein, welche Überraschungen Erfurt diesmal für die Branche vorhält.

Tags: Arbeitszeitkonten Aussetzung Bezugnahme auf unwirksamen Tarifvertrag CGZP equal pay Größe des Betriebsrats mehrgliedriger Tarifvertrag Tarifunfähigkeit Verfallfrist Verjährung Vertrauensschutz Zeitarbeitnehmer