In Teil 2 unserer Reihe zur Überlassungshöchstdauer gehen wir unter anderem auf die Bestimmung der Einsatzdauer und die Berechnung von Fristen ein.
Die Regelung des § 1 Abs. 1b S. 1 AÜG ist an beide Parteien des Arbeitnehmerüberlassungsvertrages gerichtet: Der Verleiher darf nicht über einen Zeitraum von 18 Monaten hinaus einen Zeitarbeitnehmer an einen Entleiher überlassen, der seinerseits nicht berechtigt ist, diesen länger als 18 Monate bei sich einzusetzen.
Arbeitnehmerbezogene Betrachtung
Die Überlassungshöchstdauer ist nach herrschender und auch von der Bundesagentur für Arbeit (BA) vertretener Ansicht arbeitnehmer*- und nicht arbeitsplatzbezogen zu bestimmen (vgl. Bissels/Falter, ArbR 2017, 4 f. m.w.N.; Müller, FA 2018, 360; Zimmermann, MDR 2017, 979; FW AÜG Ziff. 1.2.1 Abs. 1, S. 23).
Dafür spricht klar die gewählte Formulierung in § 1 Abs. 1b S. 1 AÜG (derselbe Zeitarbeitnehmer), durch die eindeutig an Personenbezug hergestellt wird. In der Zeitarbeitsrichtlinie wird der Begriff „vorübergehend″ zudem immer in einem Kontext zu der Tätigkeit des Zeitarbeitnehmers und nicht zu einem bei dem Entleiher vorgehaltenen Arbeitsplatz verwendet. Es kommt daher auf die individuelle Einsatzdauer des jeweiligen Zeitarbeitnehmers an, nicht aber darauf, wie lange ein Arbeitsplatz bei dem Entleiher mit einem oder wechselnden Zeitarbeitnehmern besetzt wird.
Rechtsträgerbezogene Betrachtung
Die Überlassungshöchstdauer wird richtigerweise nicht betriebs-, sondern rechtsträgerbezogen bestimmt; darauf stellt auch die BA ab (vgl. Bissels/Falter, ArbR 2017, 5 f. m.w.N.; Urban-Crell/Germakowski/Bissels/Hurst, AÜG, § 1 Rn. 214; Ulrici, AÜG, § 1 Rn. 93; Schüren/Hamann, AÜG, § 1 Rn. 325; Neighbour/Schröder, BB 2016, 2869; Müller, FA 2018, 360; FW AÜG Ziff. 1.2.1 Abs. 1, S. 23).
Die insoweit abweichende betriebsbezogene Ansicht (vgl. Lembke, NZA 2017, 4) ist abzulehnen. Diese findet im Wortlaut des Gesetzes keine Stütze; es kann letztlich nur auf den Rechtsträger als Vertragspartner ankommen, der den Mitarbeiter entleiht, da ein Betrieb nicht rechtsfähig ist und als solcher nicht Träger von Rechten und Pflichten sein kann. Zu fragen ist daher, welche natürliche oder juristische Person auf Entleiherseite mit dem Verleiher den Arbeitnehmerüberlassungsvertrag abschließt, der letztlich die Grundlage für den Einsatz des Zeitarbeitnehmers darstellt. Für die Berechnung der Überlassungshöchstdauer kommt es nur darauf an, dass der Zeitarbeitnehmer an den betreffenden Entleiher als Unternehmen/Unternehmer überlassen wird; unerheblich ist, ob dieser dort möglicherweise auf wechselnden Arbeitsplätzen, mit unterschiedlichen Tätigkeiten oder an anderen Arbeitsorten bei diesem eingesetzt wird.
Unterbrechung und Hemmung
Nach einer Unterbrechung des Einsatzes des überlassenen Zeitarbeitnehmers von mehr als 3 Monaten (nämlich mindestens 3 Monate und 1 Tag) wird die Überlassungshöchstdauer „genullt″ (§ 1 Abs. 1b S. 2 AÜG) und kann bei dem Entleiher für den betreffenden Zeitarbeitnehmer erneut in Gänze ausgeschöpft werden. Unterbrechungen von 3 Monaten oder kürzer hemmen die Einsatzzeit und können folglich hinten angehängt werden.
Berechnung der maßgeblichen Einsatzdauer
Nicht abschließend geklärt ist, wie die für die Berechnung der Überlassungshöchstdauer und deren Unterbrechung bzw. Hemmung maßgebliche Einsatzdauer des Zeitarbeitnehmers bestimmt wird.
Die herrschenden Meinung stellt auf die Dauer des zwischen dem Entleiher und dem Verleiher abgeschlossenen Arbeitnehmerüberlassungsvertrages ab (sog. formeller Einsatzbegriff: Talkenberg, NZA 2017, 473; Braun/Sura, ArbRB 2018, 277; FW AÜG Ziff. 1.2.1 Abs. 2, S. 23; in diese Richtung wohl auch, allerdings zur Auslegung des TV BZ ME: BAG, Urteil v. 21. März 2018 – 5 AZR 862/16; dazu: Bissels/Falter, jurisPR-ArbR 26/2018 Anm. 6). Als durchgehende Überlassung ist ein Einsatz selbst in dem Fall zu qualifizieren, dass der Zeitarbeitnehmer nicht ganzwöchig beim Entleiher tätig wird, z.B. wenn dieser regelmäßig nur an zwei Arbeitstagen in der Woche statt an allen fünf Werktagen überlassen wird; als Einsatzzeit zählt die ganze Woche.
Auf das von dem Zeitarbeitnehmer an den einzelnen Arbeitstagen geleistete (Teilzeit-) Arbeitszeitvolumen kommt es gleichfalls nicht an(FW AÜG Ziff. 1.2.1 Abs. 2, S. 23). Krankheit, Urlaub, unentschuldigtes Fehlen etc. werden als zu berücksichtigende Einsatzzeiten mitgezählt, wenn der Arbeitnehmerüberlassungsvertrag nicht vorher wirksam beendet wurde, z.B. durch eine einvernehmliche Aufhebung oder eine form- und fristgerechte Kündigung. Ob eine schlichte „Abmeldung″ des Zeitarbeitnehmers durch den Entleiher ausreicht, dürfte eine Frage des Einzelfalls sein.
Nach der an den Wortlaut von § 1 Abs. 1, 2 AÜG anknüpfenden, überzeugenden Gegenansicht zählen nur die tatsächlich von dem Zeitarbeitnehmer bei dem Entleiher geleisteten Arbeitstage als relevante Einsatzzeiten; unabhängig von der Existenz oder Dauer des Arbeitnehmerüberlassungsvertrages werden unproduktive Zeiten, wie Krankheit oder Urlaub, nicht als im Rahmen der Überlassungshöchstdauer anzuerkennender Einsatz qualifiziert (sog. materieller Einsatzbegriff: Urban-Crell/Germakowski/Bissels/Hurst, AÜG, § 1 Rn. 220; Bissels/Falter, ArbR 2017, 6; Henssler/Grau/Mehrens, § 5 Rn. 88; BeckOK/Kock, § 1 AÜG Rn. 92; Ulrici, AÜG, § 1 Rn. 95). Wird der Arbeitnehmerüberlassungsvertrag alternativ beendet und findet daraufhin keine Überlassung mehr statt, endet damit auch der Einsatz. In der Praxis ist es dennoch empfehlenswert, zur Vermeidung von Rechtsrisiken, die sich aus dem wegen der sich regelmäßig verlängernden Überlassungshöchstdauer materiellen Einsatzbegriff ergeben können, der herrschenden Ansicht zu folgen, bis eine abschließende Klärung durch die Rechtsprechung erfolgt ist.
Übergangsfrist
Einsatzzeiten werden erst ab dem 1. April 2017 auf die Überlassungshöchstdauer angerechnet, selbst wenn der Zeitarbeitnehmer schon vor diesem Zeitpunkt an denselben Entleiher überlassen wurde (§ 19 Abs. 2 AÜG).
Fristberechnung
Der Gesetzgeber hat keine klare Regelung getroffen, wie die Frist von 18 Monaten und deren Ablauf zu bestimmen ist; gleiches gilt im Übrigen für die Unterbrechung nach § 1 Abs. 1b S. 2 AÜG. Folglich ist umstritten, wann der maßgebliche Zeitpunkt erreicht wird.
Die herrschende Auffassung geht richtigerweise davon aus, dass die Überlassungshöchstdauer nach Maßgabe von §§ 187 Abs. 2 S. 1, 188 Abs. 2 BGB berechnet wird; die Überlassungshöchstdauer von 18 (vollen) Monaten konnte folglich erstmals mit Ablauf des 30. September 2018 enden (vgl. Bissels/Falter, ArbR 2017, 5; Urban-Crell/Germakowski/Bissels/Hurst, AÜG, § 1 Rn. 212; Braun/Sura, ArbRB 2018, 277; Henssler, RdA 2017, 95; Thüsing, AÜG, § 1 Rn. 157; Zimmermann, MDR 2017, 979; Schüren/Hamann, AÜG, § 1 Rn. 330; Lembke, NZA 2017, 4; Talkenberg, NZA 2017, 476; Scharff, BB 2018, 1141 f.). Dieser Ansicht folgt bei einem ununterbrochenen Einsatz auch die BA (FW AÜG Ziff. 1.2.1 Abs. 1, S. 23). Sind mehrere Überlassungen zu berücksichtigen, ist die insgesamt zu beachtende Überlassungsdauer nach Meinung der BA durch eine Addition zu ermitteln. Für die Berechnung von Teilmonaten ist der Monat mit 30 Tagen anzusetzen (in Anlehnung an § 191 BGB), sog. 1/30-Regel (vgl.FW AÜG Ziff. 1.2.1 Abs. 2, 3, S. 23 f.). Eine Überlassung von 10 Tagen an den Entleiher wird mit 1/3 Monat (= 10/30) angerechnet.
In der Literatur wird in Abweichung dazu für die gesamte Fristberechnung auf § 191 BGB abgestellt (vgl. Pütz, DB 2017, 425; Ulrici, AÜG, § 1 Rn. 9). Die einzelnen Monate werden pauschal mit 30 Tagen in die Berechnung eingestellt, selbst wenn diese realiter eine höhere oder geringere Anzahl an Kalendertagen aufweisen. So wird auch der Monat Februar mit 30 Tagen einbezogen. Dies gilt für den August entsprechend, selbst wenn dieser Monat über 31 Kalendertage verfügt. Diese Ansicht führt dazu, dass über die Dauer von 18 Monaten – im Vergleich zur herrschenden Meinung – einige Tage „verloren gehen″ (540 Tage vs. 548 Tage). Die Überlassungshöchstdauer konnte danach erstmals bereits mit Ablauf des 22. September 2018 enden.
Vor diesem Hintergrund müssen sich Verleiher und Entleiher bereits fragen, welchen Zeitpunkt sie als maßgeblich für den Ablauf der Überlassungshöchstdauer ansehen. Es sprechen dabei gute und überzeugende Gründe dafür, hier auf §§ 187 Abs. 2 S. 1, 188 Abs. 2 BGB abzustellen. Bei der Überlassungshöchstdauer handelt es sich um einen zusammenhängenden Zeitraum, wie sich bereits aus dem Wortlaut von § 1 Abs. 1b S. 1 BGB ergibt („aufeinander folgende Monate″); unbeachtliche Unterbrechungszeiten von bis zu drei Monaten stellen dabei eine Ausnahme vom Grundsatz der zusammenhängenden Berechnung der Frist dar, ohne dass dies zur Anwendung von § 191 BGB führen würde. Mangels einschlägiger Rechtsprechung besteht jedoch eine gewisse Rechtsunsicherheit, ob die Gerichte insoweit nicht eine abweichende Auffassung vertreten und § 191 BGB anwenden werden – mit der Folge, dass die Überlassungshöchstdauer zeitlich früher abläuft und die an einen Verstoß anknüpfenden Rechtsfolgen im Ergebnis eintreten. Sollen jegliche Risiken durch eine mögliche Überschreitung der Überlassungshöchstdauer vermieden werden, sollte konsequent auf § 191 BGB abgestellt werden. Hier gilt es allerdings – auch unter wirtschaftlichen Erwägungen – eine kundenspezifische Risikoabwägung zu treffen.
Nach dem Auftakt ist dies der zweite Teil unserer Reihe zur Überlassungshöchstdauer aus Praxissicht. Weitere Beiträge erscheinen.
*Gemeint sind Beschäftigte jeder Geschlechtsidentität. Lediglich der leichteren Lesbarkeit halber wird künftig bei allen Bezeichnungen nur noch die grammatikalisch männliche Form verwendet.