DRV verlangt in CGZP-Fällen Schadensersatzanspruch vom Geschäftsführer aus nicht abgeführten Sozialversicherungsbeiträgen - bisher ohne Erfolg.
Die DRV nimmt den Geschäftsführer* einer insolventen Gesellschaft aufgrund deliktischer Ansprüche auf die nachzuzahlenden Sozialversicherungsbeiträge in Anspruch, die vorsätzlich nicht abgeführt worden sein sollen (§ 266a StGB i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB).
Dieser Plan war und ist nach den bekannt gewordenen Gerichtsentscheidungen bislang – vollkommen zu Recht – nicht bzw. nicht in der Breite von Erfolg gekrönt gewesen. Wie bereits das OLG Sachsen-Anhalt (Urteil v. 9. September 2016 – 10 U 19/15) hat auch das LG Kiel die von der Einzugsstelle geltend gemachten Ansprüche gegen den Geschäftsführer der insolventen Gesellschaft abgelehnt (Urteil v. 7. Dezember 2018 – 1 S 205/17).
Geschäftsführer muss Arbeitnehmeranteilen zur Sozialversicherung vorsätzlich vorenthalten
Eine persönliche Haftung der Geschäftsführer ist nur durchzusetzen, wenn dem in Anspruch genommenen Geschäftsführer (bedingter) Vorsatz nachgewiesen werden kann. Die DRV wollte dementsprechend einen Schadensersatzanspruch wegen nicht abgeführter Arbeitnehmeranteilen zur Sozialversicherung feststellen lassen.
Dieser Plan schlug fehl. Das Gericht führte hierzu aus, der Geschäftsführer habe Beiträge des Arbeitnehmers zur Sozialversicherung nicht (vorsätzlich) vorenthalten oder die für den Einzug der Beiträge zuständige Stelle pflichtwidrig über sozialversicherungsrechtlichen Fragen in Unkenntnis gelassen.
Vertrauen in die Tariffähigkeit der CGZP
Aufgrund der Beschlüsse des BAG stand erst seit dem 23. Mai 2012 fest, dass die CGZP seit ihrer Gründung nicht tariffähig war. In der Folge galt nicht mehr die sich aus diesem Tarifvertrag ergebende Lohnvereinbarung, sondern es wäre den Zeitarbeitskräften nach dem Grundsatz „equal pay“ der gleiche, höhere Lohn zu zahlen gewesen wie der vergleichbaren Stammbelegschaft des entleihenden Unternehmens.
Jedoch fehlte es dem Geschäftsführer bis zu den Beschlüssen des BAG an der notwendigen zuverlässigen Kenntnis über den zeitlichen Umfang der Tarifunfähigkeit der CGZP. Bis zu diesen Beschlüssen bestand Rechtsunsicherheit, auf die sich der Beklagte berufen kann. Erst seit diesem Zeitpunkt stand fest, dass alle Leiharbeitsverhältnisse, die unter der Annahme der Gültigkeit von Tarifverträgen der CGZP geschlossen waren, rückwirkend seit dem 11. Dezember 2002 nachzuberechnen waren (vgl. OLG Sachsen-Anhalt vom 9. September 2016 – 10 U 19/15 Rn. 38).
Auch nach BAG-Entscheidung kein (bedingter) Vorsatz
Auch nach dem Wegfall der Rechtsunsicherheit aufgrund der Beschlüsse des BAG vermochte die Kammer nicht festzustellen, dass der Beklagte wusste und billigend in Kauf nahm, die Beiträge im Fälligkeitszeitpunkt trotz Verpflichtung dazu nicht zu erfüllen.
Dem Beklagten ist nicht bewusst gewesen, dass die Beiträge ohne Prüfbescheid sofort fällig waren. Dies ergibt sich aus dem schriftsätzlichen Vorbringen in der Klageerwiderung, ihm habe bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens keine verbindliche Stellungnahme der Deutschen Rentenversicherung zu den nach dortiger Rechtsauffassung tatsächlich von der X-GmbH geschuldeten Beiträgen vorgelegen.
Eine der Höhe nach (belastbare) Berechnung der Sozialversicherungsbeiträge für Geschäftsführer weder möglich noch zumutbar
Der Versuch der Einzugsstellen, eine Haftbarkeit der Geschäftsführer für die nicht abgeführten Sozialversicherungsbeiträge zu erreichen, mag zwar aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten nachvollziehbar sein, mit überzeugenden rechtlichen Erwägungen haben die Zivilgerichte allerdings diesem Plan eine Abfuhr erteilt.
Im Ergebnis ist vollkommen zu Recht eine persönliche Haftung eines Geschäftsführers für nicht abgeführte Sozialversicherungsbeiträge abgelehnt worden. Eingedenk der vollkommen unübersichtlichen Rechtslage vor und insbesondere nach der Entscheidung des BAG zur CGZP aus dem Jahr 2010, die mindestens bis in das Jahr 2012 andauerte, kann den verantwortlichen Personen daraus kein (delikts- oder gar strafrechtlicher) Vorwurf zur Ableitung eines Vorsatzes gemacht werden, dass diese keine Sozialversicherungsbeiträge auf ein im Zweifel höheres Vergleichsentgelt abgeführt haben.
Selbst die DRV tappte hinsichtlich der Folgen der Entscheidung des BAG vom 14. Dezember 2010 (Az.: 1 ABR 19/10) im Dunklen; in den daraufhin angestoßenen und letztlich durchgeführten „Sonderprüfungen“ wurde oftmals nach dem Motto „learning by doing“ agiert, ohne dass aber für die Nachforderungen ein gesicherter rechtlicher Rahmen bestanden hatte. Wer selbst derartige Prüfungen begleitet hat, weiß, wie schwierig es war, insbesondere die Höhe der Nachforderung belastbar zu berechnen. Dies war in der Regel nicht oder nur sehr eingeschränkt möglich. Vor diesem Hintergrund hat die DRV auch mitunter die nachzuzahlenden Sozialversicherungsbeiträge geschätzt.
Die Frage, die sich die Einzugsstellen in der Tat stellen müssen, wenn diese einen Geschäftsführer persönlich in Anspruch nehmen, ist schlichtweg diejenige, wie dieser eine solche (auch der Höhe nach belastbare) Berechnung der Sozialversicherungsbeiträge hätte selbst vornehmen können, wenn die DRV in diesem Zusammenhang an ihre Grenzen gelangt ist – eine Behörde mit mehreren tausend Mitarbeitern.
Es dürfte kaum zu erwarten und in diesem Sinne erst recht nicht zumutbar gewesen sein, dass gerade kleinere oder mittelständische Personaldienstleister mit deren organisatorisch-personell beschränkten Ressourcen mehr zu leisten im Stande gewesen sein sollen, als die DRV. Insoweit haben die Zivilgerichte im Rahmen entsprechender Verfahren mit dem entsprechenden Augenmaß agiert und die von den Einzugsstellen angestrengten Klagen – insbesondere auf Grundlage der Leitentscheidung des OLG Sachsen-Anhalt – abgewiesen.
Weitere Einzelheiten dazu entnehmen Sie dabei bitte der Juni-Ausgabe des „Infobriefs Zeitarbeit″, in dem wir jeden Monat über aktuelle Entwicklungen in Zusammenhang mit dem Einsatz von Fremdpersonal informieren. Sollten Sie Interesse haben, diesen kostenfrei zu beziehen, schreiben Sie uns bitte eine kurze E-Mail (alexander.bissels@cms-hs.com oder kira.falter@cms-hs.com).
*Gemeint sind Beschäftigte jeder Geschlechtsidentität. Lediglich der leichteren Lesbarkeit halber wird künftig bei allen Bezeichnungen nur noch die grammatikalisch männliche Form verwendet.