26. Oktober 2017
Betriebsrat Wahlanfechtung
Arbeitsrecht

Nach der Betriebsratswahl das große Bangen – Die Wahlanfechtung

Nach einer Betriebsratswahl ist zwei Wochen lang eine Anfechtung möglich. Doch welche Voraussetzungen müssen für die Anfechtbarkeit erfüllt sein? 

Zwei Wochen – dieser Zeitraum steht den betrieblichen Akteuren zur Verfügung, wenn sie eine erfolgte Betriebsratswahl anfechten und zur gerichtlichen Überprüfung stellen wollen. Wird diese Ausschlussfrist versäumt, bleibt der Betriebsrat grundsätzlich auch dann im Amt, wenn gegen wesentliche Wahlvorschriften verstoßen wurde.

Da die fehlerfreie Wahldurchführung nicht immer gelingen wird und eine etwaige Wahlwiederholung aus Arbeitgebersicht erhebliche Kosten verursachen würde, kommt dieser zweiwöchigen Ausschlussfrist aus Sicht der Betriebsparteien somit erhebliche Bedeutung zu. Anlässlich der bevorstehenden turnusmäßigen Betriebsratswahl im Frühjahr 2018 lohnt es daher, einen näheren Blick auf die Voraussetzungen der Wahlanfechtung zu werfen.

Betriebsratswahl – Grundzüge der Wahlanfechtung richten sich nach § 19 BetrVG

Ihre gesetzliche Grundlage findet die Wahlanfechtung in § 19 BetrVG. Demnach kommt die Anfechtung in Betracht, wenn gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen wurde. Eine Anfechtung scheidet jedoch aus, wenn durch den Verstoß das Wahlergebnis nicht geändert oder beeinflusst werden konnte. Es muss damit zumindest die Möglichkeit bestehen, dass der Verstoß die Ursache für ein geändertes oder beeinflusstes Wahlergebnis gewesen ist.

Für eine Anfechtbarkeit reicht allerdings nicht jeder denkbare Verstoß gegen Wahlvorschriften aus. Dieser muss vielmehr erheblich sein, was bei einer Verletzung tragender Grundprinzipien der Wahl anzunehmen ist.

Zur Anfechtung der Wahl berechtigt ist der Arbeitgeber selbst, eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft oder drei wahlberechtigte Arbeitnehmer desjenigen Betriebes, für den der in Frage stehende Betriebsrat gewählt wurde.

Schließlich steht für die Wahlanfechtung – wie erwähnt – nur ein knapp bemessenes Zeitfenster von zwei Wochen zur Verfügung. Gerechnet wird vom Tage der Bekanntgabe des Wahlergebnisses an.

Nichtigkeit der Betriebsratswahl nur in Ausnahmefällen

Von der (bloßen) Anfechtbarkeit der Wahl zu unterscheiden ist deren Nichtigkeit. Diese kommt nur ausnahmsweise in Betracht. Nämlich stets dann, wenn nicht einmal dem Anschein nach von einer gesetzmäßig erfolgten Wahl auszugehen ist. Die Wahl muss demnach den „Stempel der Nichtigkeit auf der Stirn tragen″.

Dies wurde von den Arbeitsgerichten bislang nur selten angenommen. Etwa dann, wenn während des Wahlakts massiv Einfluss auf die Belegschaft genommen wurde, ein Betriebsrat – ohne eigentlichen Wahlakt – auf „Zuruf″ gebildet wurde oder für einen Betrieb ein Betriebsrat gewählt wurde, der dem Geltungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes offensichtlich nicht unterliegt.

Grundsätzlich ist die Wahl bei Fehlern also „nur″ anfechtbar. Anders als die Wahlanfechtung kann die Nichtigkeit der Betriebsratswahl von jedermann, der ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Nichtigkeit der Wahl hat, zu jeder Zeit und in jeder Form geltend gemacht werden. Wird die Nichtigkeit der Betriebsratswahl festgestellt, so hat die Betriebsratswahl keinerlei Rechtswirkungen entfaltet – der Betriebsrat hat zu keiner Zeit wirksam bestanden.

Typische Fehlerquellen – von der Missachtung der Grundprinzipien bis zu technischen Verstößen bei der Betriebsratswahl

Die möglichen Fehlerquellen, die die Anfechtbarkeit der Betriebsratswahl begründen können, sind zahlreich. Neben der Missachtung inhaltlicher Grundprinzipien der Betriebsratswahl kommen auch Verstöße gegen eher „technische″ Vorgaben zur Wahldurchführung als Anfechtungsgrund in Betracht.

Häufige Fehlerquelle ist etwa die Verkennung des betriebsverfassungsrechtlichen Betriebsbegriffs. Trotz der elementaren Bedeutung des Betriebsbegriffs für die Betriebsratswahl soll seine Verkennung nach der Rechtsprechung in der Regel nicht zur Nichtigkeit der Wahl führen.

Etwas anderes kann aber gelten, wenn der Betriebsbegriff willkürlich in eine bestimmte Richtung „fehlinterpretiert″ wird, um so an einem bestimmten Standort die Bildung einer ungewollten lokalen Arbeitnehmervertretung zu unterbinden (z.B. bewusst fälschliche Zusammenfassung selbständiger Einheiten, für die jeweils ein eigener Betriebsrat gewählt werden könnte und müsste).

Auch um das aktive und passive Wahlrecht der Arbeitnehmer ranken sich zahlreiche Probleme. Wird etwa ein nicht aktiv wahlberechtigter Arbeitnehmer zur Stimmabgabe zugelassen oder ein nicht wählbarer Arbeitnehmer in den Betriebsrat gewählt, so kann dies zur Anfechtung der Wahl führen.

Das LAG München hat in diesem Zusammenhang entschieden, dass ein wahlberechtigter Arbeitnehmer, der bei der Aufstellung der Wählerliste versehentlich unberücksichtigt geblieben ist, spätestens an dem der Wahl vorausgehenden Tag noch auf der Wählerliste ergänzt werden darf. Erfolgt die Korrektur hingegen erst am Wahltag, liegt ein Verfahrensfehler vor (Beschluss v. 10. März 2015 – 6 TaBV 64/14).

Die Anfechtbarkeit kann auch dann gegeben sein, wenn das zu wählende Gremium vom Wahlvorstand irrigerweise zu groß bemessen wird, sich also aus mehr Mitgliedern zusammensetzen soll als gesetzlich vorgesehen. Die Größe des Betriebsrats bemisst sich in Abhängigkeit von der Zahl der wahlberechtigten Arbeitnehmer im Betrieb (§ 9 BetrVG). Das LAG Rheinland-Pfalz hat hierzu festgestellt, dass es nicht auf die Zahl der wahlberechtigten Arbeitnehmer zu einem bestimmten Stichtag ankomme, sondern auf die Zahl der in der Regel Beschäftigten (Beschluss v. 25. Juni 2015 – 2 TaBV 28/14). Die Ermittlung der regelmäßigen Beschäftigtenzahl erfordere neben einer vergangenheitsbezogenen Betrachtung auch eine Berücksichtigung der zu erwartenden, künftigen Entwicklung der Belegschaftsstärke.

Auch formelle Fehler bei der Betriebsratswahl begründen Anfechtbarkeit

Weiterhin können formelle Fehler bei der Wahlvorbereitung oder -durchführung deren Anfechtbarkeit begründen. Allerdings kommt eine „Zusammenrechnung″ mehrerer kleinerer, für sich betrachtet unbedeutender Fehler nicht in Betracht. Für die Anfechtbarkeit muss also wenigstens ein erheblicher Verstoß gegen tragende formelle Wahlvorschriften gegeben sein (LAG Düsseldorf, Beschluss v. 21. Juli 2017 – 10 TaBV 3/17.).

Die Spanne möglicher formeller Fehler ist dabei weit: Angefangen von der unrichtigen Erstellung der Wählerliste, unzutreffenden Angaben im Wahlausschreiben, Versäumnissen im Zusammenhang mit der Prüfung von Wahlvorschlägen und der Mitteilung aufgefundener Mängel, Fehler bei der Gestaltung der Stimmzettel/der Wahlunterlagen bis hin zu Verstößen gegen den Grundsatz der geheimen Wahl beim Akt der eigentlichen Stimmabgabe.

Zum letztgenannten Gesichtspunkt hat das LAG Düsseldorf (Beschluss v. 13. Dezember 2016 – 9 TaBV 85/16) kürzlich entschieden, dass der Grundsatz der geheimen Wahl vom Wahlvorstand geeignete Schutzvorkehrungen zur Sicherstellung der unbeobachteten Stimmabgabe erfordere. Dabei sei im Rahmen eines späteren Anfechtungsverfahrens nicht entscheidend, ob die Wähler bei der Stimmabgabe tatsächlich beobachtet wurden oder nicht. Den Wählern müsse aber das subjektive Gefühl vermittelt werden, ihre Stimme unbeobachtet abgeben zu können.

Neutralitätspflicht des Arbeitgebers

Hat der Arbeitgeber die Wahl in unzulässiger Weise beeinflusst, kann auch dies zur Anfechtung führen. Den Arbeitgeber trifft eine Neutralitätspflicht, die über die in § 20 Abs. 2 BetrVG normierten unzulässigen Beeinflussungstatbestände (Zufügung oder Androhung von Nachteilen oder durch Gewährung oder Versprechen von Vorteilen) hinausgeht.

Die Reichweite dieser Neutralitätspflicht ist aber umstritten. Einige wollen dem Arbeitgeber jegliche Einflussnahme auf die Wahl untersagen, da diese ausschließlich eine Angelegenheit der Arbeitnehmer darstelle. Andere halten zwar die gezielte Einflussnahme für unzulässig, gestehen dem Arbeitgeber aber das Recht zu, die Bedeutung der Wahl für das Unternehmen zu betonen oder die Arbeitnehmer zur Ausübung ihres Wahlrechts aufzufordern.

Der Arbeitgeber wirbt dann für die Wahl als solche und nicht für einen bestimmten Wahlausgang. Nähere Erkenntnisse zur Reichweite der Neutralitätspflicht bringt womöglich die Entscheidung des BAG im derzeit anhängigen Revisionsverfahren mit dem Aktenzeichen 7 ABR 10/16. Das LAG Hessen hatte in der Vorinstanz die Revision explizit mit der Begründung zugelassen, dass die Reichweite der Neutralitätspflicht des Arbeitgebers höchstrichterlich noch nicht geklärt sei.

Erfolgreiche Anfechtung der Betriebsratswahl – Betriebsrat wird für die Zukunft beseitigt

Im Falle der erfolgreichen Wahlanfechtung wird der fehlerhaft gewählte Betriebsrat mit Wirkung für die Zukunft beseitigt – die vom Betriebsrat in der Zwischenzeit vorgenommenen betriebsverfassungsrechtlichen Maßnahmen (z.B. abgeschlossene Betriebsvereinbarungen) bleiben aber wirksam.

Der fehlerhaft gewählte Betriebsrat kann womöglich sogar im Amt bleiben, nämlich dann, wenn sich der Fehler durch eine entsprechende Ergebnisberichtigung noch „ausbügeln″ lässt (z.B. bei Auszählungs- oder Rechenfehlern bei der Verteilung der Sitze). Diese Ergebnisberichtigung kommt aber nur in Betracht, wenn hierdurch der Wille der Wähler nicht verfälscht wird.

Hat die Wahlanfechtung Erfolg und kommt eine Ergebnisberichtigung nicht in Betracht, so steht eine Wahlwiederholung im Raum. Der soeben „aus dem Amt beförderte″ Betriebsrat ist dabei allerdings nicht zur Bestellung eines neuen Wahlvorstands befugt. Vielmehr können Neuwahlen wie im betriebsratslosen Betrieb nur durch entsprechende Initiatoren eingeleitet werden (§§ 17, 17a BetrVG).

Fazit zur Wahlanfechtung – Augen auf bei der nächsten Betriebsratswahl

Die Wahl des Betriebsrats ist und bleibt fehleranfällig und wird auch künftig Anlass gerichtlicher Anfechtungsverfahren sein. Die Auswirkungen einer erfolgreichen Wahlanfechtung sind dabei erheblich – insbesondere aus Arbeitgebersicht droht die teure und zeitaufwändige Wiederholung des Wahlvorgangs. Daher sollte allen Akteuren daran gelegen sein, das Wahlverfahren im Einklang mit den gesetzlichen Vorgaben auszugestalten und Fehler zu vermeiden.

Unsere Beitragsreihe stellt arbeitsrechtliche Aspekte rund um die Betriebsratswahlen dar. Hier geben wir wichtige Informationen für Arbeitgeber, zeigen welche Rolle Zeitarbeitnehmer spielen und informieren über die Größe des Betriebsrates. Zuletzt haben wir informiert, wer die Kosten trägt. 

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