13. Januar 2023
Ski-Klausel Entgeltfortzahlung Unfall
Arbeitsrecht

Ski-Klauseln im Profifußball und Entgeltfortzahlung bei Sportunfällen

Ein Skiunfall eines bekannten Fußballers birgt Diskussionspotential: Dürfen Arbeitgeber ihren Beschäftigten untersagen, in ihrer Freizeit gefährliche Sportarten auszuüben?

Verletzungen beim Sport können nicht nur Fußballvereine beschäftigen, sondern auch andere Arbeitgeber, wenn Freizeitsportverletzungen zur Arbeitsunfähigkeit bei Arbeitnehmern* führen. Damit stellt sich für Arbeitgeber die Frage, wann sie bei einer Sportverletzung den Lohn fortzahlen müssen und ob sie durch Weisung oder Klauseln im Arbeitsvertrag die Ausübung von gefährlichen Sportarten verbieten können.

Fußballspieler verletzt sich bei Skiunfall 

Medienpräsenz erlange das Thema „Sport und Arbeitsunfähigkeit“ zuletzt durch die jüngste Verletzung von Manuel Neuer. Der Nationaltorhüter und Spieler des FC Bayern München ist im Winterurlaub auf einer Skitour gestürzt und hat sich dabei einen Unterschenkelbruch zugezogen. Er wird nun vermutlich für ein halbes Jahr ausfallen und kann daher den Rest der Saison nicht mehr für seinen Verein spielen. 

Auch Profifußballer sind Arbeitnehmer

Profifußballer haben aufgrund ihres hohen Gehalts und ihrer außergewöhnlichen Tätigkeit nur wenig mit dem durchschnittlichen Arbeitnehmer gemein. Rechtlich betrachtet sind sie dennoch im Verhältnis zu ihrem Verein Arbeitnehmer mit allen damit verbundenen Rechten und Pflichten (BAG, Urteil v. 8. Dezember 1998 – 9 AZR 623/97).

Auch nach Skiunfall kann Anspruch auf Entgeltfortzahlung bestehen

Zu den Rechten als Arbeitnehmer gehört das Recht auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Kann ein Arbeitnehmer krankheitsbedingt nicht arbeiten, muss sein Arbeitgeber ihm für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zu einer Dauer von sechs Wochen den Lohn weiterzahlen (§ 3 Abs. 1 S. 1 EFZG).

Es besteht aber keine Entgeltfortzahlungspflicht, wenn die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit vom Arbeitnehmer verschuldet wurde. Nach der Rechtsprechung ist das der Fall, wenn

in erheblichem Maße gegen die von einem verständigen Menschen im eigenen Interesse zu erwartende Verhaltensweise

verstoßen wurde (BAG, Urteil v. 18. März 2015 – 10 AZR 99/14). 

Die Ausübung einer besonders gefährlichen Sportart, d.h. einer Sportart, bei der

das Verletzungsrisiko […] so groß ist, dass auch ein gut ausgebildeter Sportler bei sorgfältiger Beachtung aller Regeln dieses Risiko nicht vermeiden kann,

kann ein solches schuldhaftes Verhalten des Arbeitnehmers begründen (BAG, Urteil v. 7. Oktober 1981 – 5 AZR 338/79). 

Bislang ist die Rechtsprechung bei der Brandmarkung einer Sportart als besonders gefährlich allerdings sehr zurückhaltend. Von einem Arbeitsgericht erster Instanz wurde etwa Kickboxen als besonders gefährliche Sportart gewertet, weil das Verletzungsrisiko für die beteiligten Sportler unabsehbar groß ist (ArbG Hagen, Urteil v. 15. September 1989 – 4 Ca 648/87).

Skifahren zählt – jedenfalls bisher – nicht zu den besonders gefährlichen Sportarten (LAG Bremen, Urteil v. 20. August 1963 – 2 Sa 53/63): Jeder Skifahrer kennt zwar das nicht zu unterschätzende Verletzungsrisiko, aber es dürfte noch nicht ausreichen, um eine Einordnung als besonders gefährliche Sportart zu rechtfertigen. Selbst Amateurboxen (BAG, Urteil v. 1. Dezember 1976 – 5 AZR 601/75) und Skispringen (LAG München, Urteil v. 3. Mai 1972 – 4 Sa 536/71) fallen nach der Rechtsprechung nicht in diese Kategorie.

Auch wenn es sich beim Skifahren nicht um eine besonders gefährliche Sportart handelt, kann der Entgeltanspruch dennoch entfallen, wenn sich der Arbeitnehmer besonders leichtfertig bei der Ausübung der Sportart verhält. Leichtfertig bedeutet in diesem Zusammenhang aber nicht, dass die sportverletzungsinduzierte Arbeitsunfähigkeit durch Unachtsamkeit oder vermeidbare Fehler des Arbeitnehmers hervorgerufen wurde. Erforderlich ist vielmehr, dass erheblich gegen Sorgfaltspflichten verstoßen wird. Das ist etwa der Fall, wenn die für die jeweilige Sportart grundlegenden Verhaltensregeln nicht eingehalten werden. Beim Skifahren ist es z.B. besonders leichtfertig, wenn ein Anfänger direkt die schwarze Piste herunterfährt oder alkoholisiert Ski gefahren wird.

In der Causa Manuel Neuer dürfte es i.S.d. sorgfältigen Arbeitnehmers einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) geben – auf gesetzlicher Grundlage allerdings nicht über den gesamten in Aussicht gestellten Ausfallzeitraum von sechs Monaten.

Kein pauschales Verbot der Ausübung von riskantem Sport

Eine grundlegendere Frage ist, ob der FC Bayern seinem Torhüter das Skifahren hätte verbieten können, um einerseits den langen Ausfall, andererseits aber auch die Entgeltfortzahlung zu verhindern. Denkbar wäre etwa eine Weisung durch seinen Trainer oder durch die Vereinsführung. Manch ein Arbeitgeber mag in den vergangenen Wochen darüber nachgedacht haben, wie er angesichts der Pflicht zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall die Freizeitgestaltung seiner Arbeitnehmer vertraglich einschränken kann. Das Risiko von Arbeitsausfällen ist schließlich bei einem Arbeitnehmer, der nach Feierabend Yoga betreibt, deutlich geringer als bei einem begeisterten Skifahrer.

In den alten Musterverträgen vom Deutschen Fußballbund findet sich auch noch eine Klausel, dass die Spieler den Anweisungen des Trainers zur privaten Lebensgestaltung zu folgen haben. Solche weit gefassten Klauseln dürften regelmäßig unwirksam sein, da sie nicht nur das Verbot von gefährlichem Sport, sondern auch Anweisungen zu Ernährung, Alkoholkonsum oder Ähnlichem erfassen. Bei Profifußballern sind zwar das hohe Gehalt und auch die Tatsache, dass sie nur schwer gleichwertig zu ersetzen sind, nachvollziehbare Gründe für das Eingriffsbedürfnis des Vereins. Allerdings wird damit gleichzeitig die Möglichkeit zur erheblichen Einschränkung der privaten Lebensführung des Fußballers eröffnet. Schließlich könnten auf dieser Grundlage weite Teile seines Privatlebens durch Weisungen des Trainers geregelt werden. Folglich gibt es erhebliche Zweifel an der Wirksamkeit solcher Klauseln.  

Insofern müssen die Hoffnungen der Arbeitgeber gedämpft werden: Ein Arbeitgeber darf nicht über das Privatleben seines Arbeitnehmers bestimmen. Die private Lebensführung des Arbeitnehmers betrifft dessen allgemeines Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) und ist daher besonders geschützt. Das arbeitgeberseitige Weisungsrecht (§ 106 GewO) beschränkt sich hingegen auf die Konkretisierung der Arbeitsleistung. Lediglich in Fällen, in denen der Arbeitnehmer infolge seiner Freizeitaktivitäten schlechte Arbeitsleistung erbringt, kann der Arbeitgeber eingreifen und eine darin liegende Pflichtverletzung abmahnen. Das wäre z.B. der Fall, wenn ein Fußballprofi am Tag vor einem Spiel ausgiebig Ski fährt und dann wegen Erschöpfung schlecht spielt. 

Stattdessen: Vertraglicher Ausschluss bestimmter Sportarten 

Weniger eingriffsintensiv wäre es, einzelne gefährliche Sportarten, wie das Skifahren oder das Surfen, arbeitsvertraglich zu verbieten. Der Eingriff in die private Lebensführung des Arbeitnehmers ist in diesem Fall deutlich geringer. 

Bei einem Arbeitnehmer außerhalb des professionellen Sports dürfte eine derartige Klausel gleichwohl nicht zulässig sein. Die Freizeitgestaltung geht den Arbeitgeber grds. nichts an und dieser Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht lässt sich nicht allein mit dem Interesse an der Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers rechtfertigen. Bei Berufssportlern wie Profifußballern ist die Interessenlage hingegen eine andere: Bei ihnen spricht, neben ihrer schweren Ersetzbarkeit, für eine Wirksamkeit eines solchen Eingriffs in ihre private Lebensführung, dass bei ihrer Arbeit gerade die körperliche Leistungsfähigkeit und Unversehrtheit im Vordergrund steht. Verletzungen haben bei ihnen also deutlich schwerere Konsequenzen als bei anderen Arbeitnehmern. Daher lässt sich mit guten Argumenten vertreten, dass bei ihnen das Verbot von bestimmten Sportarten zulässig ist. Diese Frage ist aber in der Rechtsprechung nicht geklärt.

*Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Um der leichteren Lesbarkeit willen wird im Beitrag die grammatikalisch männliche Form verwendet.

Tags: Arbeitsrecht Entgeltfortzahlung Ski-Klausel Sportrecht Unfall