Eine für das Urlaubsrecht wichtige Frage hat das BAG geklärt. Es geht um den Urlaub während der Altersteilzeit.
Das Urlaubsrecht gehört zu den Materien des Arbeitsrechts, die besonders praxisrelevant, auf den ersten Blick aber nicht leicht zu durchdringen sind. Wir berichten über eine aktuelle höchstrichterliche Entscheidung, die für Altersteilzeitler im Blockmodell Bedeutung hat.
Altersteilzeit ist Ermäßigung der Arbeitszeit bis zur Inanspruchnahme einer Altersrente
Die Altersteilzeit wurde vor zwei Jahrzehnten mit dem Ziel eingeführt, älteren Beschäftigten* einen gleitenden Übergang vom Erwerbsleben in die Altersrente zu ermöglichen (§ 1 Abs. 1 Altersteilzeitgesetz). In der Praxis gibt es das Teilzeitmodell und das Blockmodell. Beiden ist gemeinsam, dass während des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses die Arbeitszeit auf die Hälfte der bisherigen wöchentlichen Arbeitszeit ermäßigt wird.
Im Teilzeitmodell wird die Arbeit so verteilt, dass sie während der gesamten Dauer des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses durchgehend geleistet wird. Dauert das Altersteilzeitarbeitsverhältnis beispielsweise vier Jahre, leistet der Beschäftigte vier Jahre lang 50 % seiner bisherigen Arbeitszeit, anschließend geht er in Rente. Während der vier Jahre erhält er 50 % seines bisherigen Arbeitsentgelts zuzüglich gewisser Aufstockungsbeträge, die die Altersteilzeit für Arbeitnehmer attraktiv machen sollen.
Im Blockmodell besteht in der Freistellungsphase keine Arbeitspflicht
Anders ist dies im Blockmodell: Dort arbeitet der Arbeitnehmer, wenn das Altersteilzeitarbeitsverhältnis vier Jahre dauert, zwei Jahre lang weiterhin zu 100 % (Arbeitsphase). Im Gegenzug ist er die restlichen zwei Jahre vollständig von der Pflicht zur Arbeitsleistung freigestellt (Freistellungsphase oder Freizeitphase). Er erhält allerdings während der gesamten vier Jahre lediglich 50 % des bisherigen Arbeitsentgelts (zuzüglich der Aufstockungsbeträge).
Fraglich war lange Zeit, ob der Arbeitnehmer in der Freistellungsphase einen Urlaubsanspruch erwirbt. Diese Frage ist – insbesondere für Arbeitgeber mit vielen Beschäftigten in Altersteilzeit – von großer finanzieller Bedeutung: Denn wenn in der Freistellungsphase ein Urlaubsanspruch entsteht, muss der Urlaub in Geld abgegolten werden, weil eine Urlaubsgewährung in natura in der Freistellungsphase nicht mehr möglich ist.
In dem Fall, über den jüngst das BAG (Urteil v. 24. September 2019 – 9 AZR 481/18) entschieden hat, hatte sich der Arbeitnehmer auf den Standpunkt gestellt, dass ein Urlaubsanspruch auch in der Freistellungsphase der Altersteilzeit entstehe. Denn § 1 BUrlG mache das Entstehen des Urlaubsanspruchs allein vom Bestehen eines Arbeitsverhältnisses abhängig. Ob der Arbeitnehmer tatsächlich arbeite, sei unerheblich. Im Übrigen beruhe der Umstand, dass während der Freistellungsphase keine Arbeit mehr erbracht werde, darauf, dass der Arbeitnehmer durch seine Arbeitsleistung in der Arbeitsphase in Vorleistung getreten sei und deshalb in der Freizeitphase – ebenso wie im Falle der Gewährung von Freizeitausgleich für geleistete Überstunden – freigestellt werde.
Urlaubsanspruch hängt von Zahl der Tage mit Arbeitspflicht ab
Das BAG folgte dieser Argumentation nicht: Zwar sei es richtig, dass nach § 1 BUrlG der Urlaubsanspruch nur das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses voraussetze und nicht unter der Bedingung stehe, dass der Arbeitnehmer im Bezugszeitraum eine Arbeitsleistung erbracht habe. Allerdings knüpfe § 3 BUrlG die Höhe des Urlaubsanspruchs an die Anzahl der Tage, an denen der Arbeitnehmer im Jahr zur Arbeitsleistung verpflichtet sei.
Die Vorschrift sehe – ausgehend von einer Sechs-Tage-Woche – einen gesetzlichen Mindesturlaub von 24 Werktagen vor. Dementsprechend sei bei einer geringeren Anzahl wöchentlicher Arbeitstage der Urlaubsanspruch umzurechnen. Die Formel hierfür laute wie folgt:
So ergebe sich etwa für Arbeitnehmer mit einer Fünf-Tage-Woche (also bei 260 Tagen mit Arbeitspflicht im Jahr) ein Urlaubsanspruch von 20 Werktagen im Jahr.
In der Freistellungsphase gibt es mangels Arbeitspflicht keinen Urlaubsanspruch
Dieselbe Formel gelte auch für die Freistellungsphase in der Altersteilzeit, weil der Gesetzgeber weder im Altersteilzeitgesetz noch im Bundesurlaubsgesetz etwas anderes vorgesehen habe. Da in der Freistellungsphase in die obige Formel für die Anzahl der Tage mit Arbeitspflicht im Jahr der Wert „null″ einzusetzen sei, ergebe sich kein Urlaubsanspruch für die Freistellungsphase. Dieser Grundsatz, so das BAG, gelte nicht nur für den gesetzlichen Mindesturlaub, sondern auch einen arbeitsvertraglich vereinbarten Mehrurlaub, es sei denn, der Arbeitsvertrag enthalte für den Mehrurlaub eine abweichende Regelung.
Bei unterjährigem Beginn der Freistellungsphase taggenaue Berechnung
Beginnt die Freistellungsphase – wie so oft – nicht am 1. Januar, sondern unterjährig, ist die Berechnung des Urlaubsanspruchs für dieses Jahr taggenau vorzunehmen. Ist der Arbeitnehmer beispielsweise am 1. April in die Freistellungsphase eingetreten, hatte er in den Monaten Januar bis März 65 Arbeitstage. Setzt man diesen Wert in die obige Formel ein, hat er für das „Rumpfjahr″ Anspruch auf fünf Tage gesetzlichen Urlaub.
Praxistipp: Urlaub vor Beginn der Freistellungsphase im Blick haben
Arbeitgeber sind gut beraten, dafür Sorge zu tragen, dass die Arbeitnehmer, die demnächst in die Freistellungsphase eintreten, noch vor Beginn dieses Lebensabschnitts sämtlichen Erholungsurlaub in natura nehmen. Nach der neueren Rechtsprechung muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmer notfalls rechtzeitig vor Beginn der Freistellungsphase unter Hinweis darauf, dass sein Anspruch zu verfallen droht, förmlich auffordern, den Urlaub zu nehmen (BAG, Urteil v. 19. Februar 2019 – 9 AZR 423/16).
Diese arbeitgeberseitige Mitwirkungspflicht bei der Urlaubsgewährung gilt natürlich – unabhängig vom Vorliegen eines Altersteilzeitverhältnisses – für alle Arbeitnehmer. Bei Personen, für die demnächst die Freistellungsphase beginnt, ist die Gefahr, dass der Urlaub in Geld abgegolten werden muss, aber besonders groß, weil in der Freistellungsphase eine Urlaubsgewährung in natura nicht mehr möglich ist.
*Gemeint sind Beschäftigte jeder Geschlechtsidentität. Lediglich der leichteren Lesbarkeit halber wird künftig bei allen Bezeichnungen nur noch die grammatikalisch männliche Form verwendet.