28. September 2021
Mitarbeiterentsendung
Arbeitsrecht

Vorbereitung auf Mitarbeiterentsendung ins EU-Ausland – worauf Arbeitgeber achten sollten

Mitarbeiterentsendung im Fokus: Ein Überblick über die Herausforderungen bei der Beschäftigung von deutschen Mitarbeitern im EU-Ausland.

Im Rahmen der stetig zunehmenden internationalen Vernetzung und Organisation der Unternehmen weltweit werden verstärkt Arbeitnehmer* standort- und grenzüberschreitend eingesetzt. 

Der Grundfall einer Arbeitnehmerentsendung liegt vor, wenn ein Arbeitnehmer auf Weisung seines inländischen Arbeitgebers im Ausland eine Beschäftigung für ihn ausübt. Dies hat nicht nur für die betroffenen Beschäftigten unter Umständen erhebliche Auswirkungen auf das private Umfeld, auch die Arbeitgeber selbst haben in einem Dickicht von Vorschriften zahlreiche Vorgaben organisatorischer und rechtlicher Natur zu beachten. Insbesondere die sozialversicherungs- und steuerrechtlichen Auswirkungen bei Tätigkeiten deutscher Arbeitnehmer in mehreren EU-Mitgliedsstaaten sollten im Blick bleiben.

Individualarbeitsrechtlich findet dagegen ohne wirksame Regelung grundsätzlich das Recht des Staates Anwendung, in dem der gewöhnliche Arbeitsort des Arbeitnehmers liegt. In diesem Fall gilt also beim entsandten deutschen Arbeitnehmer, der ausschließlich im Ausland arbeitet, das Arbeitsrecht des jeweiligen Gastlandes.

Unionsrecht bietet Rahmen für anwendbares Sozialrecht bei Mitarbeiterentsendung

Zunächst ist auf die Bedeutung des Unionsrechts hinzuweisen, welches alle wesentlichen Fragen zur Anwendbarkeit des jeweiligen Sozialrechts der EU-Mitgliedstaaten regelt. Die Entsenderichtlinie (96/71/EG) bestimmt, dass bei einer Entsendung innerhalb der EU die entsandten Arbeitnehmer denselben arbeits- und sozialrechtlichen Schutz wie Arbeitnehmer in dem entsandten Mitgliedsstaat genießen. 

Gemäß der einschlägigen Verordnung (EG) 883/2004 gilt der Grundsatz, dass die nationalen Vorschriften zum Sozialrecht desjenigen Mitgliedsstaates Anwendung finden, in dem der Arbeitnehmer seine Tätigkeiten ausübt (Arbeitsortsgrundsatz). Umfasst werden von den Vorschriften alle Staatsangehörigen der Mitgliedsstaaten, aber auch Flüchtlinge sowie Drittstaatsangehörige mit Aufenthaltstitel (gilt jedoch nicht für Dänemark).

Die Verordnung (EG) 883/2004 bestimmt in ihrem Art. 11 ferner, dass lediglich die sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften eines einzigen Staates auf das Arbeitsverhältnis eines entsandten Arbeitnehmer Anwendung finden, was für den Arbeitgeber eine rechtsichere Vereinfachung bedeutet. Damit deutsches Sozialversicherungsrecht Anwendung finden kann, wird also grundsätzlich eine Beschäftigung in Deutschland vorausgesetzt.

Ausnahmeregelungen zum Arbeitsortsgrundsatz attraktiv für Arbeitgeber

Angesichts der nur vorübergehenden Dauer einer Entsendung und zur Vermeidung von vereinzelten Ansprüchen der Arbeitnehmer in anderen Ländern liegt es grundsätzlich im Interesse des Arbeitgebers, im System des heimischen (in der Regel deutschen) Sozialversicherungsrechts zu verbleiben. Hierfür bestehen verschiedene – für den Arbeitgeber attraktive – Anwendungsausnahmen zum beschriebenen Arbeitsortsgrundsatz, die das Entsendeverfahren und die Vorbereitung für einen Auslandseinsatz wesentlich vereinfachen.

So eröffnet Art. 12 VO (EG) 883/2004 die Möglichkeit, einen Arbeitnehmer bis zu 24 Monate in einen anderen EU-Mitgliedstaat zu schicken und weiterhin dem deutschen Sozialversicherungsrecht zu unterliegen, soweit dieser nicht eine andere Person ablöst und im Übrigen die arbeitsvertraglichen Beziehungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestehen bleiben. Über den Sozialversicherungsträger muss die erforderliche A1-Bescheinigung ausgestellt werden, die einen Nachweis darüber gibt, ob das Sozialversicherungsrecht des Entsendestaates (in der Regel Deutschland) oder des Mitgliedsstaates Anwendung findet. Diese Bescheinigung ist ebenfalls erforderlich, sofern ein Arbeitnehmer in mehreren Staaten parallel tätig wird.

Tätigkeiten des Arbeitnehmers in mehreren Mitgliedsstaaten

Bei Tätigkeiten eines Arbeitnehmers in mehreren Mitgliedsstaaten ist eine rechtliche Bewertung vorzunehmen, weil auch in diesen Fällen nur ein Sozialversicherungsrecht Anwendung finden kann. Ein Arbeitnehmer mit einem wesentlichen Arbeitsanteil im Mitgliedstaat seines Wohnorts (mindestens 75% der Arbeitszeit und/oder des Arbeitsentgelts) ist nach Art. 13 VO (EG) 883/2004 dort sozialversicherungspflichtig; dies gilt auch dann, wenn der wesentliche Arbeitsanteil im Wohnortmitgliedstaat unterhalb der 25%-Grenze liegt, allerdings die Beschäftigung bei mehreren Arbeitgebern in verschiedenen EU-Mitgliedsstaaten außerhalb des Wohnortmitgliedsstaates ausgeübt wird.

Das Sozialversicherungsrecht im Staat des Arbeitgebers findet hingegen Anwendung, wenn die Arbeitstätigkeit im Wohnortmitgliedstaat unwesentlich ist, also weniger als 25% der Arbeitszeit und/oder des Arbeitsentgelts beträgt.

Ausnahmevereinbarungen bei Mitarbeiterentsendungen von über 24 Monaten 

Bei Entsendungen, die nicht die Voraussetzungen des Art. 12 VO (EG) 883/2004 erfüllen und bei denen es sich nicht um Tätigkeiten in mehreren Mitgliedsstaaten nach Art. 13 VO (EG) 883/2004 handelt, würde das Arbeitsverhältnis grundsätzlich dem Sozialversicherungsrecht des Staates, in das entsandt wird, unterfallen. 

Dieses unbefriedigende Ergebnis gilt es zu vermeiden. Der Verbleib im heimischen Sozialversicherungssystem kann in diesen Fällen lediglich über eine Ausnahmevereinbarung nach Art. 16 VO (EG) 883/2004 erreicht werden. Einer solchen Ausnahmevereinbarung bedarf es vor allem in dem Fall einer Entsendung mit einer Dauer von über 24 Monaten. 

In diesen Fällen muss ein entsprechender Antrag in dem Mitgliedsstaat gestellt werden, in dem das nationale Sozialversicherungsrecht maßgeblich sein soll. Die Deutsche Verbindungsstelle Krankenversicherung-Ausland des Spitzenverbandes der GKV (DVKA) ist für ein solches Begehren bei einem Bezug zu Deutschland regelmäßig zuständig. 

Die zu beteiligenden Behörden aus Deutschland und den EU-Mitgliedsstaaten treffen hier eine Ermessensentscheidung. Das gewünschte Ergebnis dieser Ermessensentscheidung, nämlich der Verbleib im heimischen Sozialversicherungssystem, kann der Arbeitgeber erreichen, indem er nachvollziehbare Interessen des Arbeitnehmers zu jenem Verbleib – wie etwa das Fortbestehen eines deutsches Rumpfarbeitsverhältnisses – vorträgt. 

Komplexe Vorschriften zur steuerrechtlichen Behandlung des Einkommens bei Mitarbeiterentsendung

Steuerrechtlich stellt sich für die Beteiligten vor allem die Frage, ob der entsandte Arbeitnehmer sein Einkommen weiterhin im Inland oder aber im Zielland der Entsendung zu versteuern hat.  

Der Arbeitgeber muss insoweit beachten, dass der jeweilige Arbeitnehmer nach der Grundregel des § 1 Abs. 1 S. 1 EStG eventuell weiterhin in Deutschland – neben inländischen auch für ausländische Einkünfte – einkommenssteuerpflichtig ist, soweit in Deutschland noch der Wohnsitz bzw. gewöhnliche Aufenthalt besteht (Welteinkommensprinzip). 

Gleichzeitig betrifft diese Regelung ausländische Staaten nicht, sodass bei einer Tätigkeit im Ausland grundsätzlich auch das Zielland einkommenssteuerberechtigt ist und dem Grunde nach die Gefahr einer Doppelbesteuerung bestünde. Dies wird jedoch regelmäßig durch sog. Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Deutschland und einer Vielzahl von Staaten vermieden. Danach fällt die Steuerlast dort an, wo die berufliche Tätigkeit ausgeübt wird. Demnach müsste der deutsche Arbeitnehmer, der in den Niederlanden arbeitet, aber in Deutschland wohnt, das Einkommen in den Niederlanden versteuern. Entsprechende Einkünfte werden sodann in Deutschland regelmäßig von der Einkommenssteuer freigestellt (Freistellungsmethode).

Besteht mit dem Zielland kein Doppelbesteuerungsabkommen, kann der Steuerpflichtige die im Ausland entrichtete Steuer in der Regel im Rahmen der eigenen Veranlagung auf die deutsche Einkommenssteuer anrechnen.

183-Tage-Regelung zur Versteuerung von Einkommen im Wohnsitzstaat

Um die kurzfristige Versendung von Arbeitnehmern in das Ausland zu vereinfachen, besteht allerdings die Möglichkeit, im Rahmen der sogenannten 183-Tage-Regelung das Einkommen – abweichend vom Grundsatz des Besteuerungsrechts des Ziellandes – im Wohnsitzstaat zu versteuern. In diesem Fall könnte im o.g. Beispiel der deutsche Arbeitnehmer sein in den Niederlanden verdientes Einkommen in Deutschland versteuern.

Bei den 183 Tagen sind allerdings auch alle Wochenenden, Feier- und Urlaubstage mitzuzählen – somit ist hier längstens eine Versendung mit einer Dauer von 6 Monate möglich. Auch sei der Hinweis erlaubt, dass für Grenzgänger, also solche Arbeitnehmer, die (täglich) über Staatsgrenzen hinweg pendeln, andere Regeln gelten. So wird – vorbehaltlich anderslautender Regelungen in den jeweils geltenden Doppelbesteuerungsabkommen – das Einkommen von Grenzgängern, die in Deutschland ihren Wohnsitz haben, in der Regel auch in Deutschland versteuert.

Risiken einer ausländischen Betriebsstätte 

Für den Arbeitgeber von erheblicher steuerrechtlicher Relevanz ist bei der Versendung von Arbeitnehmern auch die potenzielle Gründung einer neuen Betriebsstätte im Ausland. Insoweit besteht das Risiko, dass die aufgrund der Tätigkeit des Arbeitnehmers zuordenbaren Gewinne der Besteuerung am Tätigkeitsort unterliegen und das dortige Steuerrecht zu beachten ist. Die Begründung einer Betriebsstätte im Ausland verhindert ferner die Anwendung der 183-Tage-Regelgung.

Im Ergebnis sollte eine Mitarbeiterentsendung aus Arbeitgebersicht insoweit auch steuerrechtlich frühzeitig und gewissenhaft vorbereitet werden.

Fazit: Bei einer Mitarbeiterentsendung drohen überall Fallstricke – sorgsame Planung erforderlich

Die rechtlich relevanten Themen, mit denen ein Arbeitgeber bei einer Mitarbeiterentsendung in das EU-Ausland konfrontiert wird, sind komplex, vielschichtig und zwingen zu einer sorgfältigen Vorbereitung der personellen Maßnahmen. Jede Entsendung sollte frühzeitig organisatorisch und rechtlich vorbereitet werden.  

Für die Entsendung von Drittstaatsangehörigen, also von Arbeitnehmern ohne EU-Staatsangehörigkeit, gelten regelmäßig weitere Sonderregelungen, die es im Einzelfall zu beachten gilt. Daher sollte sich der Arbeitgeber frühzeitig um eine entsprechende Kommunikation zwischen den Beteiligten bemühen, damit es am Ende zu keiner bösen Überraschung kommt. 

Vor einer Entsendung ist für den Arbeitgeber in jedem Fall zu klären, ob eine Meldepflicht besteht. Hierbei und im Allgemeinen empfiehlt es sich, dass der Arbeitgeber im Einzelfall offene Fragen mit den zuständigen nationalen Behörden klärt – im Rahmen der Krankenversicherung bietet sich bei gesetzlich Versicherten beispielsweise die Deutsche Verbindungsstelle Krankenversicherung-Ausland (DVKA) mit Sitz in Bonn bzw. der zuständige Rentenversicherungsträger an.

*Gemeint sind Beschäftigte jeder Geschlechtsidentität. Lediglich der leichteren Lesbarkeit halber wird künftig bei allen Bezeichnungen nur noch die grammatikalisch männliche Form verwendet.

Tags: 183-Tage-Regelung Arbeitsort Betriebsstätte Mitarbeiterentsendung Mitgliedsstaat