25. April 2016
Überlassungsvertrag Betriebsrat
Arbeitsrecht

Vorlagepflicht des Arbeitnehmerüberlassungsvertrages an den Betriebsrat

Überzeugende Argumente sprechen gegen Vorlagepflicht des Überlassungsvertrages an den Betriebsrat. Auswirkungen dürfte das nur für die Vergangenheit haben.

Bevor der Einsatz eines Zeitarbeitnehmers im Kundenbetrieb beginnen kann, muss der dort gebildete Betriebsrat gem. § 99 BetrVG darüber unterrichtet werden und der „Einstellung″ (sprich: der Überlassung) des Mitarbeiters zustimmen.

BAG: auch Arbeitnehmerüberlassungsvertrag vorlegen

Das BAG hat in diesem Zusammenhang entschieden, dass das Kundenunternehmen seinem Betriebsrat dabei auch den Arbeitnehmerüberlassungsvertrag vorlegen müsse (Urt. v. 06.06.1978 – 1 ABR 66/75). Der Betriebsrat müsse bei der Entscheidung, ob er einer Überlassung zustimme, auch die Interessen der schon vorhandenen Arbeitnehmer berücksichtigen.

Um das wirksam tun zu können, sei die Kenntnis über die Bedingungen der Arbeitnehmerüberlassung zwingend notwendig. Dem stünden auch keine schutzwürdigen Interessen des Arbeitgebers (Entleihers) entgegen. Der Entleiher sei – anders als im Falle der Anstellungsverträge der Zeitarbeitnehmer – Vertragspartner des Personaldienstleisters, mit dem der Arbeitnehmerüberlassungsvertrag abgeschlossen worden sei; er könne somit tatsächlich und rechtlich dem Verlangen des Betriebsrats entsprechen. Die Literatur ist der Ansicht des BAG überwiegend gefolgt (vgl. nur: Fitting, BetrVG, 24. Aufl., § 99 Rn. 178; Schüren, AÜG, § 14 Rn. 146; Ulber, AÜG, § 14 Rn. 149 ff.). Dies gilt auch für zahlreiche Gerichte (zuletzt noch: ArbG Bocholt, Beschl. v. 30.10.2015 – 2 BV 28/15; so auch: ArbG Mainz v. 11.01.2007 – 7 BV 17/06; in diese Richtung: ArbG Offenbach v. 01.08.2012 – 10 BV 1/12).

LAG Niedersachsen: keine Vorlagepflicht des Arbeitnehmerüberlassungsvertrages

Im Ergebnis ist die Meinung des BAG umstritten geblieben. Drei Kammern des LAG Niedersachsen haben ausdrücklich entschieden, dass im Rahmen von § 99 BetrVG keine Vorlagepflicht an den Betriebsrat bestehen soll (vgl. Beschl. v. 28.02.2016 – 13 TaBV 56/05; Beschl. v. 20.02.2007 – 9 TaBV 107/05; Beschl. v. 26.11.2007 – 6 TaBV 33/07; Beschl. v. 26.11.2007 – 6 TaBV 34/07; so auch: Hunold, NZA-RR 2008, 283; MünchArbR/Matthes, 3. Aufl. 2009, § 263 Rn. 34; Wensing/Freise, BB 2004, 2240 f.; a.A. aber: LAG Niedersachsen v. 09.08.2006 – 15 TaBV 53/05).

Das Gericht führt dazu wörtlich aus:

Im Rahmen der Unterrichtung nach § 99 BetrVG ist der Betriebsrat zu unterrichten über die Person des Einzustellenden, den vorgesehenen innerbetrieblichen Einsatz und die Auswirkungen der Einstellung auf den Betriebsablauf. § 14 Abs. 3 AÜG erweitert die Unterrichtungspflicht dahingehend, dass eine Erklärung zur Arbeitnehmerüberlassung des Verleihers vorzulegen ist. Damit sind die wesentlichen Punkte für die Beschäftigung erfasst, nämlich Beschäftigung als Leiharbeitnehmer und das Vorliegen einer Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis. Für eine weitergehende Verpflichtung zur Vorlage des Arbeitnehmerüberlassungsvertrages, der allein die Rechtsbeziehungen zwischen Verleiher und Entleiher regelt, besteht grundsätzlich keine Veranlassung, insbesondere kann sie nach dem eindeutigen Wortlaut des § 14 Abs. 3, der die Besonderheiten der Einstellung von Leiharbeitnehmern regelt, nicht verlangt werden. Allenfalls kann sich ein Auskunftsrecht des Betriebsrates im Rahmen des § 80 BetrVG ergeben, ein solcher Anspruch hat aber keine Auswirkungen auf das Mitbestimmungsverfahren nach § 99 BetrVG.

LAG Niedersachsen überzeugt, doch für die Praxis ändert sich nichts

Die vom BAG abweichende Meinung des LAG Niedersachsen überzeugt (so auch Plum, DB 2011, 2919). Doch führt diese Ansicht in der Praxis nicht zwingend zu einem anderen Ergebnis, als wenn dem BAG gefolgt würde.

Zunächst lässt sich ein Anspruch auf Einsichtnahme in die entsprechenden Vereinbarungen nach zumindest herrschender Meinung auch aus § 80 BetrVG ableiten. Nach den Vorstellungen des BMAS soll dies bei der geplanten Regulierung der Arbeitnehmerüberlassung für die Zukunft ausdrücklich in der Vorschrift klargestellt werden.

BAG muss möglicherweise bald erneut entscheiden

Interessanterweise hat das ArbG Bocholt in der o.g. Entscheidung wegen der zuletzt lauter werdenden Stimmen gegen die Rechtsprechung des BAG eine (ausgesprochen seltene) Sprungrechtsbeschwerde zugelassen. Diese ermöglicht es, unter Auslassung der zweiten Instanz, eine Rechtsfrage direkt vom BAG klären zu lassen.

Es bleibt abzuwarten, ob diese tatsächlich eingelegt wird und bejahendenfalls ob das BAG von seiner vor immerhin 37 Jahren begründeten Auffassung abrücken wird. Über die weiteren Entwicklungen halten wir Sie selbstverständlich auf dem Laufenden.

Über die Einzelheiten berichten wir in der April-Ausgabe des „Infobriefs Zeitarbeit“, in dem wir jeden Monat über aktuelle Entwicklungen in Zusammenhang mit dem Einsatz von Fremdpersonal informieren. Sollten Sie Interesse haben, diesen kostenfrei zu beziehen, schreiben Sie mir bitte eine kurze E-Mail (alexander.bissels@cms-hs.com).

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