IG Metall-Betriebsräte fordern: "Den Missbrauch von Werkverträgen stoppen - jetzt handeln!". Wir zeigen was dahintersteckt.
Werkverträge werden Tag für Tag in Deutschland abgeschlossen. Und doch gelten sie bei dem ein oder anderen als Teufelszeug. Die IG Metall hat jetzt eine Anzeigenkampagne gestartet.
Pläne der Koalition
Laut dem Koalitionsvertrag der Großen Koalition sind Maßnahmen geplant, um einen Missbrauch von Werkverträgen zu verhindern. Hierzu heißt es:
Rechtswidrige Vertragskonstruktionen bei Werkverträgen zulasten von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern müssen verhindert werden. Dafür ist es erforderlich, die Prüftätigkeit der Kontroll- und Prüfinstanzen bei der Finanzkontrolle Schwarzarbeit zu konzentrieren, organisatorisch effektiver zu gestalten, zu erleichtern und im ausreichenden Umfang zu personalisieren, die Informations- und Unterrichtungsrechte des Betriebsrats sicherzustellen, zu konkretisieren und verdeckte Arbeitnehmerüberlassung zu sanktionieren. Der vermeintliche Werkunternehmer und sein Auftraggeber dürfen auch bei Vorlage einer Verleiherlaubnis nicht bessergestellt sein, als derjenige, der unerlaubt Arbeitnehmerüberlassung betreibt. Der gesetzliche Arbeitsschutz für Werkvertragsarbeitnehmerinnen und -Arbeitnehmer muss sichergestellt werden.
Zur Erleichterung der Prüftätigkeit von Behörden werden die wesentlichen durch die Rechtsprechung entwickelten Abgrenzungskriterien zwischen ordnungsgemäßen und missbräuchlichen Fremdpersonaleinsatz gesetzlich niedergelegt.
Neben vielen anderen Themen – über die wir hier im Blog berichten – wartet das Thema „Werkverträge″ Ende September noch auf seine Umsetzung – die Reform des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes soll in Kürze kommen.
Forderungen der IG Metall zum Missbrauchstopp
Aber auch wenn oder weil die nächsten Gesetzesänderungen in den kommenden Woche folgen sollen, finden sich heute in den Tageszeitungen großseitige Anzeigen mit einem Aufruf von IG Metall-Betriebsräten an die Bundesregierung unter dem Schlagwort „Den Missbrauch von Werkverträgen stoppen – jetzt handeln!″. Weitere Informationen zum Thema finden sich auf der Gewerkschaftsseite www.fokus-werkvertraege.de.
Kern der gewerkschaftlichen Forderungen sind:
- Neue Abgrenzungsregeln zwischen Werkvertrag und Zeitarbeit
Es werden Abgrenzungsregeln zwischen Werkverträgen und Zeitarbeit gefordert, weil sich Scheinwerkverträge nur schwer nachweisen lassen würden. Wer Rechtsprechung und Verwaltungsvorschriften der Rentenversicherung und Arbeitsagentur kennt, weiß um die Schwierigkeiten der Abgrenzung – für Werkverträge.
Neue Arbeitsformen verlangen neue Bewertungen. Ob es dem Gesetzgeber gelingen kann, Abgrenzungskriterien gesetzlich niederzulegen? Und würde er damit den Anforderungen der Arbeit 4.0 gerecht? Wir glauben nicht so recht daran.
Vor dem Hintergrund der Abgrenzungsschwierigkeiten von Scheinselbständigen und Nicht-Scheinselbständigen, die in der Praxis bestehen, haben wir unser onlinebasiertes Produkt entwickelt, mit dem der Einsatz von Fremdpersonal einzelfallbezogen durch die Unternehmen weitgehend selbstständig auf mögliche Risiken einer Scheinselbstständigkeit und illegalen Arbeitnehmerüberlassung geprüft und eine Compliance gerechte Organisation geschaffen werden kann.
- Keine Verleiherlaubnis auf Vorrat
Es soll keine Verleiherlaubnis auf Vorrat mehr geben, auf die Werkdienstleister zurückgreifen können, wenn sich in der Praxis im Nachhinein herausstellen sollte, dass der Werkvertragseinsatz eigentlich eine Arbeitnehmerüberlassung war. Dies hat sich die große Koalition schon nach ihrem Koalitionsvertrag auf die Fahne geschrieben – erwartet werden hier allerdings nur Regeln, die eine klare Bezeichnung des Einsatzes „von Anfang an″ als Werkvertrag oder Zeitarbeit verlangen, mit der Folge, dass im Nachhinein keine Änderung mehr möglich sein soll.
Eine Verleiherlaubnis noch auf solche Unternehmen zu begrenzen, die nur und ausschließlich die Arbeitnehmerüberlassung als Geschäftszweck haben, dürfte mit der Unternehmerfreiheit in Deutschland nicht vereinbar sein.
- Beweislastumkehr
Nach den Vorstellungen der IG Metall soll es eine Beweislastumkehr geben, nach der der Auftraggeber in der Pflicht sein soll, die Rechtmäßigkeit eines Werkvertrags nachzuweisen. Die Gewerkschaft argumentiert, dass der einzelne Arbeitnehmer meist keinen Zugang zu den entscheidenden Informationen und Unterlagen habe, um einen solchen Nachweis zu führen.
Da für die Einordnung aber vor allem die praktischen Abläufe relevant sind, kann ein Nachweis in aller Regel auch ohne Unterlagen geführt werden. Hinzu kommt, dass die Kontrollbehörden schon jetzt Betriebsbesuche durchführen und Unterlagen herausverlangen können (vgl. § 17a AÜG und die Vorschriften des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes). Die Forderungen nach einer Beweislastumkehr, dürfte daher in der Praxis nur zu noch mehr Bürokratie und noch mehr Dokumentation führen, und möglicherweise zu mehr Klagen nach Equal Pay oder Anerkennung eines Arbeitsverhältnisses – in Anbetracht des tatsächlichen Anteils „schwarzer Schafe″ eine Belastung für alle anderen Unternehmen.
- Ausweitung der Mitbestimmung
Eine weitere Forderung beinhaltet die Mitbestimmung des Betriebsrats, wenn Bereiche aus dem Unternehmen ausgegliedert werden.
Auch hier sind in der Praxis keine Veränderungen notwendig, weil § 111 BetrVG eine geeignete Vorschrift ist, die die Mitbestimmungsrechte für Auslagerungen abdeckt. Es besteht darüber hinaus kein Bedarf eine Mitbestimmung des Betriebsrats über den Katalog des § 111 BetrVG hinaus einzuführen, wenn neue Fenster eingebaut, Böden gewischt oder die IT-Wartung von einem Werkunternehmer durchgeführt wird.
- Informationspflichten gegenüber den Betriebsräten
Der Katalog der Gewerkschaftsforderungen beinhaltet auch zusätzliche Informationspflichten für den Arbeitgeber. Die Betriebsräte müssten wissen, wie viele Beschäftigte von welchen Firmen per Werkvertrag im Betrieb eingesetzt werden, was von den Arbeitgebern verweigert würde.
Das Recht, den Werkvertrag einzusehen, um seine Mitbestimmungsrechte prüfen zu können, hat der Betriebsrat nach § 80 BetrVG schon jetzt. In Anbetracht der Tatsache, dass der Werkvertrag unter anderem auch dadurch gekennzeichnet wird, dass der Werkunternehmer allein darüber entscheidet, mit welchem Personal er seine Werkleistung erbringen will, wäre auch diese Forderung in der Praxis mit zusätzlichem Verwaltungsaufwand für die beteiligten Unternehmen verbunden. Entschärfend dürfte sich aber auswirken, dass Auftraggeber und Auftragnehmer unter anderem nach § 8 ArbSchG verpflichtet sind, bei der Durchführung der Sicherheits- und Gesundheitsschutzbestimmungen zusammenzuarbeiten – die Zahlen über eingesetztes Personal dürften daher bei einem Einsatz im Betrieb des Auftraggebers ohnehin ausgetauscht werden.
- Arbeitgeberunabhängige Betriebsratszuständigkeit
Die gewerkschaftlichen Forderungen gehen aber noch weiter: Betriebsräte sollen danach auch die Interessen aller Beschäftigten auf dem Werksgelände vertreten dürfen, unabhängig davon, bei welchem Unternehmen ein Arbeitnehmer angestellt ist. Eine derartige Ausdehnung der Betriebsratszuständigkeit würde in der Tat ganz neue Fragestellungen hervorrufen…
- Subunternehmerhaftung
Die Gewerkschaften fordern auch, dass Auftraggeber für die Arbeitsbedingungen beim Subunternehmer haften. Wer Subunternehmer beauftragte, müsse dafür sorgen, dass diese sich an geltende Gesetze und Tarifverträge halten.
Die Vorschrift des § 13 Mindestlohngesetz (MiLoG) hat gezeigt, wie eine Haftungsregelung vor allem weitere Fragen zur Reichweite auslöst. Sollte der Gesetzgeber diesen Gedanken aufgreifen, wäre zu hoffen, dass er die bisherigen Praxisfragen berücksichtigt.
Und jetzt? Abwarten!
Es bleibt spannend, welche dieser Forderungen der Gesetzgeber bei zukünftigen Gesetzesänderungen angeht, und welche nicht. Wir halten Sie auf dem Laufenden.