13. August 2012
Vier Wanduhren mit unterschiedlichen Uhrzeiten
Arbeitsrecht

Zeitarbeit: Einsatzfreie Zeit kann mit Arbeitszeitkonto verrechnet werden – kein Annahmeverzug des Arbeitgebers

Die Zeitarbeitsbranche hat es gegenwärtig nicht leicht. Die Anwender der CGZP-Tarifverträge werden gegenwärtig in die Zange genommen, Zeitarbeitnehmer klagen auf equal pay und die Rentenversicherungsträger führen „Sonderbetriebsprüfungen″ durch, die oftmals zu Nachzahlungen bei Sozialversicherungsbeiträgen führen.

Zudem erhöhen sich die Kosten der Zeitarbeit durch tariflich vereinbarte Branchenzuschläge. Damit hat es aber noch nicht sein Bewenden: es „gärt“ – angefacht von Gewerkschaftsseite - ein weiterer kostenträchtiger Konflikt. Worum geht es? In den Tarifverträgen der Zeitarbeit ist vorgesehen, dass zur Flexibilisierung der Arbeitszeit ein Arbeitszeitkonto eingerichtet wird. Streitpunkt ist dabei, ob der Personaldienstleister berechtigt ist, einsatzfreie Zeiten des Arbeitnehmers mit Stunden im Arbeitszeitkonto zu verrechnen – selbstverständlich unter Fortzahlung der vereinbarten Vergütung. Hat der Personaldienstleister keine Einsatzmöglichkeit für den Arbeitnehmer werden z.B. entsprechende Plusstunden des Arbeitszeitkontos abgebaut; der Mitarbeiter erhält sein vereinbartes Entgelt für die einsatzfreie Zeit. Zu Unrecht – meinen die Gewerkschaften. Dies befremdet zunächst, da diese doch in den Tarifverträgen entsprechenden Arbeitszeitkonten zugestimmt haben. Sie meinen dabei, dass der Arbeitnehmer eine Vergütung beanspruchen kann, ohne dass die entsprechenden Einsatzzeiten mit dem Arbeitszeitkonto verrechnet werden können. Dabei stützen sie sich auf § 11 Abs. 4 AÜG. Dort sei ausdrücklich vorgesehen, dass das Recht des Arbeitnehmers auf Vergütung bei Annahmeverzug des Personaldienstleisters nicht aufgehoben oder beschränkt werden könne.

Das LAG Baden-Württemberg hat in einer aktuellen Entscheidung der Ansicht der Gewerkschaften allerdings eine deutliche Absage erteilt und bestätigt, dass die arbeitsvertragliche Vereinbarung von Arbeitszeitkonten auf Grundlage von §§ 2, 4 MTV DGB-BZA auch im Rahmen der Zeitarbeit zulässig ist (Urt. v. 06.03.2012 – 22 Sa 58/11). Dies stelle keine nach § 11 Abs. 4 S. 2 AÜG unzulässige Abbedingung von § 615 BGB (Entgeltanspruch des Arbeitnehmers bei Annahmeverzug des Arbeitgebers) dar.

Zwar sei der Einsatz von Arbeitszeitkonten in der Zeitarbeit nicht unbegrenzt zulässig. Die Rspr. habe daher deren möglichen Einsatz eingeschränkt. Eine höchstrichterliche Stellungnahme des BAG stehe noch aus, bislang lägen allein Entscheidungen von Landesarbeitsgerichten vor. Während das LAG Baden-Württemberg (Urt. v. 29.04.2009 – 17 Sa 4/09) Arbeitszeitkonten im Zeitarbeitsverhältnis grundsätzlich für zulässig halte, stufe das LAG Rheinland-Pfalz in einem anderen Urteil (Urt. v. 24.04.2008 – 10 Sa 19/08) eine vertragliche Arbeitszeitkontenregelung als unzulässig ein. Die überwiegende Ansicht in der Lit. (Nachweise bei Thüsing/Pötters, BB 2012, 317) stelle fest, dass ein Verstoß gegen § 11 Abs. 4 S. 2 AÜG i.V.m. § 615 S. 1 BGB ausscheide, wenn der Arbeitnehmer letztlich stets die volle Vergütung erhalten habe. Der Beschäftigte habe einen Anspruch auf eine bestimmte Beschäftigungsdauer mit entsprechenden Vergütungsansprüchen im Kontingentszeitraum, aber keinen Anspruch auf eine Beschäftigung an bestimmten Tagen.

Die in dem Arbeitsvertrag bzw. in §§ 2, 4 des MTV DBG-BZA zum Ausdruck kommende Arbeitszeitflexibilisierung sei danach zulässig. Hiernach habe der Kläger keinen Anspruch auf Annahmeverzugsvergütung an den streitgegenständlichen Tagen. Der Beklagte sei in den betreffenden Kalenderwochen seiner Obliegenheit, den Kläger in vertragsgemäßem Umfang zur Arbeit heranzuziehen, nachgekommen. Der Einsatz von Arbeitszeitkonten führe gerade nicht zum Ausschluss des Annahmeverzugslohnes. Denn wenn – wie hier – der Arbeitgeber die vertraglich versprochene Vergütung für die vertraglich geregelte Wochenarbeitszeit vollständig zahle, liege kein Verstoß gegen § 615 S. 1 BGB vor. Ein Abfedern von Spitzenzeiten, in denen Überstunden anfielen, und eine Flexibilisierung der Arbeitszeit seien legitime Anliegen des Unternehmens. Sie dienten auch nicht nur allein dem Arbeitgeberinteresse, sondern sicherten zugleich die Kontinuität der Vergütung des Arbeitnehmers und führten vor allem zur Sicherung von (unbefristeten) Arbeitsplätzen. Es sei der erklärte Wille der Tarifvertragsparteien bei der Schaffung von Arbeitszeitkontenregelungen gewesen, diesem beschäftigungssichernden Aspekt Rechnung zu tragen. Damit könne davon ausgegangen werden, dass jedenfalls im Geltungsbereich des MTV DGB-BZA die nur graduelle Verlagerung des Beschäftigungsrisikos – wie sie mit jeder Maßnahme der Arbeitszeitflexibilisierung einhergehe – durch gewichtige Arbeitgeber- und Arbeitnehmerinteressen gerechtfertigt werden könne.

Auch das LAG Düsseldorf hat – wie das LAG Baden-Württemberg – die Zulässigkeit von Arbeitszeitkonten auf der tariflichen DBG-BZA-Regelungen von jüngst bestätigt (Urt. v. 16.11.2011 – 7 Sa 567/11). Arbeitgebern ist es damit möglich, dass Zeiten des Arbeitnehmers ohne Einsatz mit Stunden aus dem Arbeitszeitkonto „bezahlt“ werden. Dem Versuch, gegen diese weit verbreitete Praxis mit der Begründung zu klagen, dass sich – sofern der Arbeitnehmer nicht eingesetzt wird/werden kann – ein Vergütungsanspruch bereits aus Gründen des Annahmeverzugs (§ 615 S. 1 BGB) ergebe und keine entsprechende „Belastung“ des Arbeitszeitkontos möglich sei, ist das LAG Baden-Württemberg überzeugend entgegengetreten. Die Revision gegen diese Entscheidung ist beim BAG unter dem Az. 5 AZR 483/12 anhängig.

Tags: Annahmeverzug Arbeitszeitflexibilisierung Arbeitszeitkonto DBG-BZA einsatzfreie Zeit Manteltarifvertrag Tarifvertrag Zeitarbeit