Das Jahr 2018 war für die Zeitarbeit turbulent. Wir fassen die wichtigsten Geschehnisse zusammen.
Das Jahr 2018 stand ganz im Lichte der Folgen der zum 1. April 2017 in Kraft getretenen AÜG-Reform und der darin vorgesehenen Übergangsfristen für die Anwendung des zwingenden equal pay-Grundsatzes ab dem 10. Einsatzmonat bei einem Kunden (nach richtiger, aber umstrittener Ansicht frühestens ab 1. Januar 2018; § 8 Abs. 4 i.V.m. § 19 Abs. 2 AÜG) und dem Ablauf der gesetzlichen Überlassungshöchstdauer von 18 Monaten (nach richtiger, aber umstrittener Auffassung frühestens ab dem 1. Oktober 2018; § 1 Abs. 1 S. 4, Abs. 1b i.V.m. § 19 Abs. 2 AÜG). Gesamtbetrachtend kann festgestellt werden, dass die Branche – zumindest in der Breite – gut auf diese Stichtage vorbereitet war.
Equal pay: Fragenbögen zur rechtskonformen Umsetzung des AÜG sind in der Praxis „angekommen″
Die konkrete und insbesondere korrekte Bestimmung des gesetzlichen equal pay mag zwar aufgrund der Vielgestaltigkeit und der Komplexität der auf Kundenseite existierenden Vergütungsmodelle nach wie vor mit gewissen (und zwar nicht unerheblichen) Unsicherheiten behaftet sein. Wichtig ist jedoch, dass sich der Personaldienstleister rechtzeitig darum bemüht, die für die Berechnung von equal pay erforderlichen Informationen über die relevante Entgeltstruktur von den Kunden zu erhalten, indem von diesem die entsprechenden (in der Regel vom Zeitarbeitsunternehmen übermittelten) Fragebögen ausgefüllt und unterzeichnet werden.
Eine anfängliche Skepsis auf Kundenseite, dass die von den Dienstleistern abgefragten Informationen nur dem Zweck hatten, sich Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse zu verschaffen, ist inzwischen einer Routine und der damit einhergehenden Erkenntnis gewichen, dass die Erfassung der Daten kein Selbstzweck, sondern zur rechtskonformen Umsetzung des AÜG zwingend notwendig ist. Die überwiegende Anzahl der Kunden füllt die von den Zeitarbeitsunternehmen bereit gestellten Fragebögen inzwischen „ohne Murren″ aus.
Wird auf dieser Grundlage das equal pay berechnet und abgebildet, ist der Personaldienstleister bereits auf einem guten Weg, auch entsprechende Prüfungen der BA ohne Beanstandungen zu überstehen, wenn und soweit die Angaben umfänglich und vollständig sowie nicht offenkundig unrichtig sind. In diesem Fall werden die Informationen in den Fragebögen von der Behörde nicht weiter geprüft oder hinterfragt. Dies schützt das Zeitarbeitsunternehmen freilich nicht davor, dass ein Mitarbeiter (dennoch) die korrekte Abwicklung von equal pay in Abrede stellt und ggf. eine Klage auf eine Nachzahlung erhebt; derartige Fälle dürften in der Praxis aber die Ausnahme darstellen.
Verlängerung der gesetzlichen Überlassungshöchstdauer
Die gesetzliche Überlassungshöchstdauer hat im Vorfeld zu deren Ablauf am 30. September 2018 zu einer gewissen „hektischen Betriebsamkeit″ geführt. Es wurde versucht, diese weiter „strecken zu können″, insbesondere durch alternative (und insoweit auch zulässige) Einsätze bei anderen (Konzern-)Kundenunternehmen oder durch den Abschluss von Betriebsvereinbarungen zur Verlängerung der 18 Monate, wie in Betrieben der Metall- und Elektroindustrie auf Grundlage des TV LeiZ (auf bis zu 48 Monate).
Ob es im Vorfeld zum 30. September 2018 zu einer signifikanten Übernahme von überlassenen Zeitarbeitnehmern gekommen ist, wird sich allerdings erst absehen lassen, wenn von der BA die nächste Statistik zu der Zahl der insgesamt beschäftigten Zeitarbeitnehmer vorliegt.
Zudem sind kurz vor Toresschluss weitere Flächentarifverträge für einige Kundenbranchen geschlossen worden, die eine weitere (nicht unerhebliche) Abweichung von der gesetzlichen Überlassungshöchstdauer zulassen. Im Einzelnen handelt es sich um Folgende:
- Tarifvertrag zur Regelung der Zeitarbeit in den Elektrohandwerken vom 16. Mai 2018, abgeschlossen zwischen dem Zentralverband der Deutschen Elektro- und Informationstechnischen Handwerke (Bundesinnungsverband) – kurz: ZVEH – und der Christlichen Gewerkschaft Metall (CGM): bis zu 36 Monate,
- Tarifvertrag über gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung vom 29. Mai 2018, abgeschlossen zwischen dem Fachverband Elektro- und Informationstechnik Hessen/Rheinland-Pfalz – kurz: FEHR – und der IG Metall, Bezirksleitung Mitte: bis zu 36 Monate und
- Tarifvertrag zur Überlassungshöchstdauer nach dem AÜG vom 22. August 2018, abgeschlossen zwischen dem Arbeitgeberverband Stahl e.V. und der IG Metall, Bezirksleitung Nordrhein-Westfalen: bis zu 36 Monate.
Auch für den Bergbau soll inzwischen ein Tarifvertrag zur Abweichung von der gesetzlichen Überlassungshöchstdauer vereinbart worden sein (bis zu 54 Monate). Die schlechte Nachricht: für die chemische Industrie soll ein Flächentarifvertrag vom Tisch sein; hier sind aber stattdessen bereits zahlreiche Firmentarifverträge, z.B. bei BASF, abgeschlossen worden.
Übersicht zu gerichtlichen Entscheidungen zur AÜG-Reform
Inzwischen liegen auch die ersten gerichtlichen Entscheidungen zu den gesetzlichen Änderungen durch die AÜG-Reform 2017 vor:
- Der von der sog. „Däubler-Kampagne″ im Wesentlichen initiierte Versuch, die gesetzliche Regelung zur Abweichung vom equal pay-Grundsatz in den ersten neun Monaten des Einsatzes aus europarechtlichen Erwägungen „zu kippen″, war vor den angerufenen Arbeitsgerichten (bislang) nicht von Erfolg gekrönt. Soweit bekannt, sind sämtliche Klagen abgewiesen worden. Das ArbG Gießen führt in dessen Leitsatz wörtlich aus (Urteil v. 14. Februar 2018 – 7 Ca 246/17, Berufung beim Hess. LAG anhängig unter dem Az. 13 Sa 360/18; dazu: Bissels/Falter, jurisPR-ArbR 16/2018 Anm. 3; in diesem Sinne auch: ArbG Karlsruhe, Urteil v. 10. April 2018 – 7 Ca 284/17):
„§ 8 AÜG in seiner aktuellen Fassung berücksichtigt den von der Richtlinie geforderten Gesamtschutz der Zeitarbeitnehmer in ausreichendem Maße, indem das Gesetz die Tarifvertragsparteien auf die Einhaltung jedenfalls der Lohnuntergrenze in der Leiharbeit verpflichtet und ihnen gleichzeitig eine zeitliche Grenze für eine Abweichung vom Equal Pay-Grundsatz vorgibt sowie einen Anreiz zur zeitnahen Heranführung der Löhne an diejenigen der Stammarbeitnehmer setzt. Unter Berücksichtigung der auch den Tarifverträgen in der Leiharbeitsbranche zukommenden Richtigkeitsvermutung sind nähere Vorgaben hinsichtlich der Entgelthöhe nicht geboten.″
- Inzwischen liegt auch die erste zweitinstanzliche Entscheidung vor: das LAG Baden-Württemberg hat am 6. Dezember 2018 bestätigt, dass die Tarifverträge der Zeitarbeit den Gesamtschutz der überlassenen Arbeitnehmer in dem erforderlichen Maße gewährleisten würden; dies gelte insbesondere unter Beachtung der in der Zeitarbeit einzuhaltenden Lohnuntergrenze des § 3a AÜG, die seit ihrer Einführung im Jahr 2013 stets über dem gesetzlichen Mindestlohn nach dem MiLoG gelegen habe (Az. 14 Sa 27/18). Das LAG Baden-Württemberg hat die Revision zugelassen, so dass in dieser Frage Erfurt wohl das letzte Wort haben wird.
- Die nach der von einem Kunden wegen des „drohenden equal pay-Anspruchs″ zugunsten des dort eingesetzten Zeitarbeitnehmers vorgenommene Abmeldung sodann von dem Zeitarbeitsunternehmen ausgesprochene betriebsbedingte Kündigung des Mitarbeiters (verbunden mit einer Wiedereinstellungszusage nach 3 Monaten und 1 Tag) wurde von dem ArbG Mönchengladbach als unwirksam, weil nicht sozial gerechtfertigt, qualifiziert (Urteil v. 20. März 2018 – 1 Ca 2686/17). Die Entscheidung ist rechtskräftig. Wörtlich heißt es in dem maßgeblichen Leitsatz des Gerichts:
„Lehnt der Kunde einen Einsatz eines Zeitarbeitnehmers nach einer Einsatzdauer von 9 Monaten für einen weiteren Zeitraum von 3 Monaten und 1 Tag ab, kann die Leiharbeitsfirma das Arbeitsverhältnis für diesen Zeitraum auch dann nicht kündigen, wenn die Leiharbeitsfirma fast ausschließlich für diesen Kunden Arbeitnehmer vermittelt und keine anderen nennenswerten Einsatzmöglichkeiten anbieten kann, der Kunde nach dem Zeitraum von 3 Monaten und 1 Tag den Zeitarbeitnehmer aber wieder einsetzen will.″
- Hinsichtlich der neu in das Gesetz eingefügten Offenlegungs- und Konkretisierungspflicht gem. § 1 Abs. 1 S. 5, 6 AÜG hat das ArbG Mainz entschieden, dass diese nicht für „Altverträge″ gelten, die vor dem 1. April 2017 geschlossen bzw. durchgeführt und nach dem 1. April 2017 unter Verletzung dieser Pflichten fortgesetzt worden sind (Urteil v. 28. Mai 2018 – 3 Ca 111/18; dazu demnächst: Bissels, NZA-RR 1/2019). Damit stellt sich das Gericht gegen die von der BA in deren „Fachlichen Weisungen″ vertreten Ansicht, dass die Offenlegungs- und Konkretisierungspflicht uneingeschränkt auf „Altverträge″ anzuwenden ist (vgl. FW AÜG § 1 Ziff. 1.1.6.7 Abs. 3, S. 20 f.). Die Entscheidung ist inzwischen rechtskräftig geworden.
DSGVO: Vorgaben im Datenschutz wurden umgesetzt
In das Jahr 2018 fiel auch die erforderliche Umsetzung der DSGVO. Gesamtbetrachtend schien die Zeitarbeitsbranche in diesem Zusammenhang gut vorbereitet zu sein, auch weil externe Datenschutzspezialisten einbezogen und beauftragt worden sind.
Weitere Einzelheiten dazu entnehmen Sie dabei bitte der Dezember-Ausgabe des „Infobriefs Zeitarbeit″, in dem wir jeden Monat über aktuelle Entwicklungen in Zusammenhang mit dem Einsatz von Fremdpersonal informieren. Sollten Sie Interesse haben, diesen kostenfrei zu beziehen, schreiben Sie uns bitte eine kurze E-Mail (alexander.bissels@cms-hs.com oder kira.falter@cms-hs.com).