19. Februar 2021
Verhinderungsbeherrschung Bundesverwaltungsamt
Banking & Finance

Bundesverwaltungsamt relativiert seine Verwaltungspraxis zur sog. „Verhinderungsbeherrschung“

Nach Kritik an seinen FAQ zum Transparenzregister hat das Bundesverwaltungsamt seine Vorgaben zur Bestimmung wirtschaftlich Berechtigter überarbeitet.

Nachdem das Bundesverwaltungsamt (BVA) am 19. August 2020 seine Fragen und Antworten zum Geldwäschegesetz / Transparenzregister (FAQ) aktualisiert und dabei sehr umstrittene Vorgaben zur Bestimmung von wirtschaftlich Berechtigten in mehrstufigen Beteiligungsstrukturen aufgestellt hatte, sind die entsprechenden Ausführungen in den FAQ mit Stand vom 9. Februar 2021 nun nicht mehr zu finden. 

BVA nahm bei der Ausübung von Stimmrechten in bestimmten Konstellationen eine „Verhinderungsbeherrschung“ an

In seinen FAQ vom 19. August 2020 hatte sich das BVA zu den Konstellationen geäußert, die einem Veto- oder Widerspruchsrecht gleichgestellt sind und aufgrund einer „Verhinderungsbeherrschung“ zu einer mittelbaren wirtschaftlichen Berechtigung führten. 

Ausgehend von der Klarstellung, dass ein Widerspruchs- oder Vetorecht beherrschenden Einfluss begründet, führte das BVA drei Konstellationen an, in denen aufgrund von Stimmrechten eine einem Vetorecht gleichgestellte Situation bestehe und folglich beherrschender Einfluss anzunehmen sei. 

Zunächst skizzierte das BVA eine – in der Praxis häufig anzufindende – Konstellation, in der zwei natürliche Personen je 50 % Stimmrechte an einer Muttergesellschaft halten. Das BVA präzisierte, dass, sofern die Satzung eine Mehrheitsentscheidung erfordere, in der oben skizzierten Konstellation jeder der zwei Gesellschafter etwaige Gesellschafterbeschlüsse blockieren könne. Da ohne ihre Zustimmung kein wirksamer Gesellschafterbeschluss möglich sei, bestehe beherrschender Einfluss auf die Gesellschaft.

Zudem sah das BVA eine Sperrminorität (in der Regel über 25 % Stimmrechte) hinsichtlich grundlegender Beschlüsse der Mitglieder-, Haupt- oder Gesellschafterversammlung als ausreichend dafür an, dass eine natürliche Person beherrschenden Einfluss auf ein Unternehmen ausübe und damit als wirtschaftlich Berechtigte auch von Tochtergesellschaften infrage komme.

In der dritten vom BVA genannten Konstellation reichte sogar ein Stimmrechtsanteil unter 25 %, wenn der Gesellschaftervertrag der Muttergesellschaft Einstimmigkeit für Gesellschafterbeschlüsse vorsieht. In der Folge könnten natürliche Personen bereits mit einem nur geringen Stimmrechtsanteil beherrschenden Einfluss auf eine Gesellschaft ausüben, wenn ohne ihre Zustimmung kein Beschluss zustande kommen kann.

Unternehmen befürchteten erhöhten Aufwand, ihre wirtschaftlich Berechtigten nach den neuen Vorgaben zu bestimmen und zu melden 

Die Vorgaben schlugen in der Praxis hohe Wellen. Nach den Vorgaben mussten viele deutsche Unternehmen ihre Ergebnisse – gerade vor dem Hintergrund steigender Aufsichtsaktivitäten des BVA – überprüfen. 

Zum anderen bahnte sich eine neue Aufsichtsdivergenz an. Denn die AuA der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), deren detaillierte Ausführungen zur Bestimmung von wirtschaftlich Berechtigten Maßstab für die gesamte Finanzindustrie (und außerhalb dieser) ist und die erst im Mai 2020 aktualisiert wurden, enthalten keinerlei vergleichbare Ausführungen zu den einem Vetorecht gleichgestellten Konstellationen. 

Das konnte dazu führen, dass eine mitteilungspflichtige Vereinigung bei der Bestimmung ihrer wirtschaftlich Berechtigten anhand der Vorgaben des BVA zu anderen Ergebnissen kommen konnte, als ein Kreditinstitut nach den Vorgaben der BaFin. Das war deshalb so kritisch, da die daraus resultierende Unstimmigkeit zwischen den von einem Kreditinstitut ermittelten und einem im Transparenzregister hinterlegten wirtschaftlich Berechtigten von Kreditinstituten, aber auch von anderen Verpflichteten wie z. B. Notaren, im Rahmen einer Unstimmigkeitsmeldung zwingend angezeigt werden muss.

Entsprechend laut war der Aufschrei in der Praxis. Nicht nur viele deutsche Unternehmen hatten nun einen erhöhten Aufwand, ihre wirtschaftlich Berechtigten nach den neuen Vorgaben zu bestimmen und zu melden. Auch die Verpflichteten aus der Finanzindustrie sahen die Vorgaben äußert kritisch, da diese den bereits sehr aufwendigen Kundenidentifizierungsprozess weiter verkomplizierten. In der Literatur zweifelten viele Autoren an der Rechtmäßigkeit und dem praktischen Nutzen der Verwaltungspraxis. 

Die neuen Aussagen des BVA zur „Verhinderungsbeherrschung“

Die öffentliche – und vermutlich auch interbehördliche – Kritik zeigte offenbar Wirkung. Ein Blick in die aktuellen FAQ vom 9. Februar 2021 offenbart, dass das BVA sein Konzept der sog. „Verhinderungsbeherrschung“ angepasst hat. Die bisherigen Aussagen und Konstellationen zur „Verhinderungsbeherrschung“ sind zurückgenommen und finden sich nun nicht mehr in den Rechtshinweisen. Stattdessen können laut FAQ gesetzliche oder vertraglich vereinbarte Veto- oder Verhinderungsrechte in bestimmten Fällen zu einem beherrschenden Einfluss i. S. d. § 3 Abs. 2 S. 4 GwG i. V. m. § 290 Abs. 2 bis 4 HGB führen. Dies sei insbesondere der Fall, wenn die natürliche Person über diese Rechte die (Mutter-)Vereinigung faktisch kontrolliert oder deren Transaktionen letztlich veranlasst. Maßgeblich seien hierbei die Umstände des Einzelfalls.

Als einzigen konkreten Fall einer „Verhinderungsbeherrschung“ benennt das BVA die Konstellation, in der mittels Vetorechts gegen sämtliche Gesellschafterbeschlüsse der Muttervereinigung der Inhaber des Vetorechts auch als wirtschaftlich Berechtigter der Tochtergesellschaft gilt.

BVA vollzieht keine vollständige Abkehr vom Konzept der „Verhinderungsbeherrschung“ 

Das BVA stellt weiterhin klar, dass gesetzliche Verhinderungsrechte wie beispielsweise Sperrminoritäten zu einem beherrschenden Einfluss führen können, dies aber von den Umständen des Einzelfalls abhänge. Damit erlaubt das BVA den Mitteilungspflichtigen den notwendigen Spielraum, um ihre wirtschaftlich Berechtigten anhand der tatsächlichen Eigentums- und Kontrollverhältnisse bestimmen zu können. 

Die Korrektur der Verwaltungspraxis war notwendig und ist sehr begrüßenswert. Das Abstellen auf den Einzelfall macht zwar die Bestimmung von wirtschaftlich Berechtigten nicht zwingend einfacher, entspricht jedoch dem Wesen dieser Disziplin der Geldwäscheprävention.

Konsultationsprozess für die Rechtshinweise des BVA notwendig

Im Ergebnis hat das BVA seine weitreichenden Rechtsauslegungen, die nur schwer mit anderen Verwaltungspraxen in Einklang gebracht werden konnten, rechtlich zweifelhaft waren und zu großen Problemen in der Praxis führten, nach einem knappen halben Jahr korrigieren müssen. Den Schaden haben sorgfältige Unternehmen, die ihre Eintragungen im Transparenzregister im Zuge der FAQ vom 19. August 2020 bereits abgeändert haben. Sie müssen nun genau prüfen, ob die Eintragungen noch mit der korrigierten Verwaltungspraxis konform gehen. 

In der Literatur wird gefordert (u.a. von Sonnenberg/Komma/Rempp, CCZ 2021, 18), einen Konsultationsprozess vor geplanten Änderungen der FAQ unter Einbindung von Behörden und der Praxis einzuführen, um zu abgestimmten, rechtssicheren und praxistauglichen Ergebnissen zu kommen. Damit können Vorgänge wie die hier beschriebenen in Zukunft vermieden werden und – vor dem Hintergrund der Reform des Transparenzregisters – alle Betroffenen rechtssicher ihrer Eintragungspflicht nachkommen. 

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