Mit der jüngsten Aktualisierung ihrer FAQ zum Transparenzregister stellt das Bundesverwaltungsamt neue Vorgaben zur Bestimmung wirtschaftlich Berechtigter auf.
Am 19. August 2020 hat das Bundesverwaltungsamt („BVA“) seine Fragen und Antworten zum Geldwäschegesetz / Transparenzregister („FAQ“) erneut aktualisiert und dabei neue Vorgaben zur Bestimmung von wirtschaftlich Berechtigten in mehrstufigen Beteiligungsstrukturen aufgestellt. Mitteilungspflichtige Vereinigungen sind angehalten, ihre Einträge in das Transparenzregister zu überprüfen.
I. Anpassung der Privilegierungsvoraussetzungen für Tochtergesellschaften börsennotierter Unternehmen
Zunächst hat das BVA die jüngste Überarbeitung ihrer FAQ dafür genutzt, die Voraussetzungen für die Ausnahme von der Mitteilungspflicht für Tochtergesellschaften börsennotierter Gesellschaften den Vorgaben der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht („BaFin“) anzupassen.
Bislang existierten zu diesem Punkt verschiedene Auslegungspraxen der zwei Aufsichtsbehörden. Nach den Auslegungs- und Anwendungshinweisen der BaFin („AuA“) profitieren Tochtergesellschaften von börsennotierten Gesellschaften dann von der Ausnahmeregelung nach § 20 Abs. 2 Satz 2 GwG, wenn ihre Muttergesellschaft mindestens 50 % der Kapitalanteile hält oder mindestens 50 % der Stimmrechte kontrolliert und keine weiteren wirtschaftlich Berechtigten bei der Tochtergesellschaft existieren. Das BVA forderte bislang, dass die börsennotierte Mutter über 75 % der Kapitalanteile hält oder über 75 % Stimmrechte kontrolliert. In den neuen FAQ hat sich das BVA nunmehr den Vorgaben der BaFin angeschlossen.
II. Vetokonstellation in der mittelbaren wirtschaftlichen Berechtigung
Schwerpunkt der Neuerungen in den FAQ sind die Ausführungen zu der Bestimmung von wirtschaftlich Berechtigten in Veto- und Widerspruchskonstellationen, insbesondere bei mehrstufigen Beteiligungsverhältnissen.
In mehrstufigen Beteiligungsverhältnissen muss eine Person nach § 3 Abs. 2 Satz 2 – 4 GwG einen beherrschenden Einfluss auf die Obergesellschaft ausüben, um auch als mittelbare wirtschaftlich Berechtigte etwaiger Tochtergesellschaften in Frage zu kommen. Beherrschender Einfluss liegt insbesondere bei einer Mehrheit von Stimmrechten oder Kapitalanteilen vor.
Dazu führt das BVA führt aus, dass eine Person, die ein Widerspruchs- oder Vetorecht hinsichtlich der Entscheidungen in der Mitglieder-, Haupt- oder Gesellschafterversammlung bei der Muttervereinigung besitzt, unabhängig von ihren Stimmrechten oder ihren Kapitalanteilen beherrschenden Einfluss auf die Muttervereinigung besitzt. Folglich ist die Person auch wirtschaftlich Berechtigte von Tochtergesellschaften, an der die Muttervereinigung mehr als 25 % der Stimmrechte / Kapitalanteile kontrolliert. Diese Ausführungen bestätigen eine bereits gängige Praxis bei der Bestimmung mittelbarer wirtschaftlich Berechtigter.
III. Wirtschaftlich Berechtigte in einer einem Vetorecht gleichgestellten Konstellation
Neu sind hingegen die Ausführungen des BVA zu den Konstellationen, die einem Veto- oder Widerspruchsrecht gleichgestellt sind und daher zu einer mittelbaren wirtschaftlichen Berechtigung führen.
Ausgehend von der Klarstellung, dass ein Widerspruchs- oder Vetorecht beherrschenden Einfluss begründet, führt das BVA drei Konstellationen an, in denen aufgrund von Stimmrechten eine einem Vetorecht gleichgestellte Situation besteht und folglich beherrschender Einfluss anzunehmen ist.
1. Kein Mehrheitserfordernis bei Stimmrechten mehr
Zunächst skizziert das BVA eine – in der Praxis häufig anzufindende – Konstellation, in der zwei natürliche Personen je 50 % Stimmrechte an einer Muttergesellschaft halten.
Nach der bisherigen Praxis zur Bestimmung wirtschaftlich Berechtigter hatte keine der beiden natürlichen Personen beherrschenden Einfluss auf die Muttergesellschaft. Denn dafür waren mehr als 50 % Stimmrechte oder Kapitalanteile erforderlich, soweit keine andere Kontrollausübung (z. B. ein Vetorecht) in Frage kam. Folglich kam keine der beiden Personen – vorbehaltlich anderer Kontrollmöglichkeiten – aufgrund der Stimmrechtsanteile als wirtschaftlich Berechtigte einer Tochtergesellschaft des Mutterunternehmens in Frage. Sofern die Stimmrechte zu gleichen Teilen von zwei Gesellschaften gehalten werden, brach an dieser Stelle die Prüfung auf wirtschaftlich Berechtigte regelmäßig ab.
Das BVA präzisiert nun, dass, sofern die Satzung eine Mehrheitsentscheidung erfordere, in der oben skizzierten Konstellation jeder der zwei Gesellschafter etwaige Gesellschafterbeschlüsse blockieren könne. Da ohne ihre Zustimmung kein wirksamer Gesellschafterbeschluss möglich sei, bestehe beherrschender Einfluss auf die Gesellschaft. Folglich gelten in dem oben genannten Beispiel beide Personen bereits aufgrund ihrer Stimmrechte als mittelbare wirtschaftlich Berechtigte etwaiger Tochtergesellschaften.
2. Sperrminorität kann zu wirtschaftlicher Berechtigung führen
Zudem sieht das BVA eine Sperrminorität (in der Regel über 25 % Stimmrechte) hinsichtlich grundlegender Beschlüsse der Mitglieder-, Haupt- oder Gesellschafterversammlung als ausreichend dafür an, dass eine natürliche Person beherrschenden Einfluss auf ein Unternehmen ausübe und damit als wirtschaftlich Berechtigte auch von Tochtergesellschaften infrage komme.
3. Bei Einstimmigkeitserfordernis reichen minimale Stimmrechtsanteile
In der dritten vom BVA genannten Konstellation reicht sogar ein Stimmrechtsanteil unter 25 %, wenn der Gesellschaftervertrag der Muttergesellschaft Einstimmigkeit für Gesellschafterbeschlüsse vorsieht. In der Folge könnten natürliche Personen bereits mit einem nur geringen Stimmrechtsanteil beherrschenden Einfluss auf eine Gesellschaft ausüben, wenn ohne ihre Zustimmung kein Beschluss zustande kommen kann.
IV. Bestimmung von wirtschaftlich Berechtigten wird komplizierter
Mit diesen Präzisierungen weicht das BVA den bisherigen Prüfungsansatz für die schwellenwertbezogene Ermittlung von wirtschaftlich Berechtigten in einer mehrstufigen Beteiligungsstruktur ganz erheblich auf. Bislang konnten Rechtsanwender mit der simplen Prüfungsformel „auf erster Ebene mehr als 25 % und ab der zweiten Ebene mehr als 50 %, es sei denn anderweitige Kontrollmöglichkeit“ rechtssicher und praktikabel wirtschaftlich Berechtigte in mehrstufigen Beteiligungsstrukturen bestimmen. Das ist nun in dieser Einfachheit nicht mehr möglich. Bei der Prüfung in mehrstufigen Beteiligungsstrukturen wird es nunmehr darauf ankommen, welche Beschlusserfordernisse die Satzungen der (Zwischen-)Gesellschaften in einer Beteiligungsstruktur vorsehen.
V. Konsequenzen für die Praxis
In der Praxis werden die neuen FAQ hohe Wellen schlagen. Zum einen müssen Unternehmen, die bislang ihre wirtschaftlich Berechtigten anhand der oben genannten Formel ermittelt und entsprechend dem Transparenzregister mitgeteilt haben, ihre Ergebnisse – gerade vor dem Hintergrund steigender Aufsichtsaktivitäten des BVA – nun überprüfen.
Zum anderen bahnt sich eine neue Aufsichtsdivergenz an. Denn die AuA der BaFin, deren detaillierte Ausführungen zur Bestimmung von wirtschaftlich Berechtigten Maßstab für die gesamte Finanzindustrie (und außerhalb dieser) ist und die erst im Mai 2020 aktualisiert wurden, enthalten keinerlei vergleichbare Ausführungen zu den einem Vetorecht gleichgestellten Konstellationen.
Das kann dazu führen, dass eine mitteilungspflichtige Vereinigung bei der Bestimmung ihrer wirtschaftlich Berechtigten anhand der Vorgaben des BVA zu anderen Ergebnissen kommen kann, als ein Kreditinstitut nach den Vorgaben der BaFin. Das ist deshalb so kritisch, da die daraus resultierende Unstimmigkeit zwischen den von einem Kreditinstitut ermittelten und einem im Transparenzregister hinterlegten wirtschaftlich Berechtigten von Kreditinstituten, aber auch von anderen Verpflichteten wie z. B. Notaren, im Rahmen einer Unstimmigkeitsmeldung zwingend angezeigt werden muss.
IV. Fazit: Unternehmen müssen Transparenzregistereintragungen überprüfen und Bestimmungsmethodik dokumentieren
Die neuen Vorgaben des BVA zu der Bestimmung von wirtschaftlich Berechtigten in mehrstufigen Beteiligungsstrukturen führen nicht nur dazu, dass Unternehmen eine Überprüfung der wirtschaftlich Berechtigten anhand der neuen Bestimmungsmethoden durchführen und ihre Einträge im Transparenzregister entsprechend abändern müssen. Vor dem Hintergrund nicht abgestimmter Auslegungshinweise wird es vor allem wichtig sein, dass Unternehmen ihre Bestimmungsmethodik dokumentieren und ggf. anfragenden Kreditinstituten und Notaren vorlegen können, um etwaige Unstimmigkeitsmeldungen, die in ein OWi-Verfahren gegen das betroffene Unternehmen führen könnten, zu vermeiden.
Update: Bundesverwaltungsamt relativiert
Das BVA relativiert seine Praxis und hat neue Aussagen zur Verhinderungsbeherrschung getroffen.