2. Dezember 2010
Treppenhaus
Kanzleialltag

Deutschlands Arbeitsgerichte (2) – Siegburg

Siegburgs Arbeitsgericht ist in einem Bau aus dem Jahr 1979 gemeinsam mit dem Amtsgericht untergebracht. Wenige Fußschritte vom ICE-Bahnhof und zahlreichen Parkhäusern teilt es sich mit einer typischen Fußgängerzone der Jahrtausendwende den davorliegenden Platz, unter dem der Mühlengraben in seiner Betoneinfassung fließt.

Das Gebäude ist ein typisches Kind seiner Zeit, mit grünem Teppichboden, Sichtbeton und Keramikkunst an den Wänden. Leider zieht nach und nach die Modernisierung ins Haus und legt sich wie ein Anstrich über die alte und originale Substanz. So wurden die Sichtbetonwände zuletzt in einem beige-gelben Ton gestrichen, was einem weiteren Beispiel der Architektur der Siebziger Jahre seine Ursprünglichkeit nimmt.

Das Arbeitsgericht verhandelt zur Güte in der fünften Etage. Der Aufzug war früher so langsam, dass man die Treppe nahm. Heute spricht er zu seinen Gästen, ist aber nicht schneller geworden.

Der Saal für die Güteverhandlung ist ein kinderzimmergroßer Raum mit drei Holzbänken vor dem Richtertisch. Die Stühle für die Parteien sind knapp. Vor dem Raum befindet sich eine Nische mit Sitzgelegenheiten. Aber möglicherweise vertreibt der Brandschutz die Holzstühle und damit den ursprüngliche Entwurf des Architekten. Ein einsamer Computer weist mit seinen Links zu Rechtsprechungsdatenbanken und Tarifverzeichnissen in das entfernte Zeitalter neuer Medien.

Kammerverhandlungen können dagegen im Saaltrakt (1. OG) stattfinden, meist in Saal 137, am Ende links. Dieser Saal einschließlich seiner Vorhänge wird hoffentlich einmal in ein Museum verbracht werden, als originales Zeugnis einer vergessenen Zeit. Früher waren orangefarbene Vorhänge in Sitzungssälen und Dienstzimmern. Im Saal befindet sich genügend Platz für die Öffentlichkeit, während es für die Parteien an ihren schweren Tischen schon einmal eng werden kann.

Zum Abschluss geht es in den sechsten Stock in die Kantine mit Aussicht über die Stadt und die Abtei Michaelsberg.

Die Serie widmet sich Deutschlands Arbeitsgerichten – den Gebäuden, ihrer Architektur und der Umgebung und nicht dem gesprochenen Recht.

Hier geht es zu Teil 1 der Serie: Frankfurt und Teil 3: Köln

Tags: Arbeitsgericht Arbeitsgericht Siegburg Architektur Deutschland Serie
Thomas
am 08.12.2010 um 17:07:28

Einmal mehr ein bestechender Beitrag und eine gelungene Darstellung der skurrilen Arbeitsgerichtsarchitektur. Das Abenteuer „Arbeitsgericht Siegburg“ fängt aber schon am Eingang mit seinen Sicherheitsschleusen an, deren Aufstockung auf Nacktscanner sicherlich nicht verwundern würde. Der anschließende Aufstieg mit dem in die Jahre gekommenen Aufzug lässt dem oft gestressten Anwalt die Langsamkeit neu entdecken. Zumindest kann die Zeit zum eingehenden Studium der Terminsakte genutzt werden, wenn der Aufzu nicht sprechen würde. Der Ausflug in das letzte Jahrhundert wird um die Zurückversetzung in die eigene Schulzeit bei Anblick des Sitzungssaales ergänzt, der durch seine (räumliche) Begrenztheit zum Studium der richterlichen Akte und der Aufzeichnungen des Gegners einlädt.

Einladen tun auch die Arbeitsrichter, die trotz der spärlichen Ausstattung ihren Humor nicht verloren haben, wenngleich dies aber für die mitzuentscheidenden Amtsrichter nicht gilt. Daher hat der Autor bei der Darstellung der Innenarchitektur zum Künstler werden müssen, wenngleich die Kunst durchaus gelungen ist. Als interessierter Leser bleibt mir zu hoffen, dass diese Beiträge die Gunst anderer Leser und damit einer Fortsetzung finden und sich die Gerichte dieser nicht bloß juristischen Betrachtung nicht verschließen….

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert