Die neue Richtlinie zu grenzüberschreitenden Umwandlungen, Verschmelzungen und Spaltungen ist da!
Das Company Law Package ist vollständig. Nach der Digitalisierungsrichtlinie (siehe Blog-Beitrag von Astrid Roesener und Martina Meier-Grom vom 6. August 2019) liegt nun auch die Richtlinie in Bezug auf grenzüberschreitende Umwandlungen, Verschmelzungen und Spaltungen („Mobilitätsrichtlinie„) in der finalen Fassung vor, die zeitnah im Amtsblatt veröffentlicht wird.
Mobilitätsrichtlinie zügig auf den Weg gebracht
Nachdem das Company Law Package am 25. April 2018 mit den beiden Richtlinienvorschlägen präsentiert worden war, haben sich Europäisches Parlament und Rat bereits im März 2019 inhaltlich geeinigt. Die Digitalisierungsrichtlinie wurde daraufhin zeitnah von Parlament und Rat gebilligt und bereits im Juli 2019 im Amtsblatt veröffentlicht. Für die Mobilitätsrichtlinie schloss sich an die Zustimmung des Parlaments zunächst das Berichtigungsverfahren an, bei dem der Text durch Rechts- und Sprachsachverständige geprüft wurde. Der berichtigten Fassung der Richtlinie haben das Europäische Parlament im Oktober 2019 und der Rat am 18. November 2019 schließlich formal zugestimmt.
Inhaltlich gibt es einige Abweichungen vom ursprünglich diskutierten Richtlinienvorschlag. Diese sind allerdings nicht immer so ausgefallen, wie es sich Literatur und Praxis gewünscht hätten.
Worum geht es bei der Mobilitätsrichtlinie?
Die Mobilitätsrichtlinie schafft künftig für europäische Kapitalgesellschaften spezielle, einheitliche Regelungen für grenzüberschreitende Formwechsel und grenzüberschreitende Spaltungen zur Neugründung. Darüber hinaus soll das bereits EU-weit harmonisierte Verfahren der grenzüberschreitenden Verschmelzung modernisiert und verbessert werden. Die neuen Verfahrensvorschriften orientieren sich weitgehend an den Verfahren, die im Zusammenhang mit der Europäischen Aktiengesellschaft (SE) und der grenzüberschreitenden Verschmelzung bereits bekannt sind. Das wird den Unternehmen den praktischen Umgang mit ihnen erleichtern.
Wie werden bestehende Mitbestimmungsrechte geschützt?
In mitbestimmungsrechtlicher Hinsicht hält die Mobilitätsrichtlinie ebenfalls an Bewährtem fest. Unter bestimmten Umständen kommt das europäische Mitbestimmungsregime zur Anwendung. In diesen Fällen wird die Mitbestimmung durch Verhandlungen zwischen den Leitungen und einem besonderen Verhandlungsgremium der Arbeitnehmer bestimmt. Scheitern die Verhandlungen, greift die gesetzliche Auffanglösung. Sie schützt den Bestand vorhandener Mitbestimmungsrechte.
Wie bisher kann mit dem europäischen Mitbestimmungsregime das vorhandene Mitbestimmungsniveau eingefroren werden. Eine wichtige Neuregelung ermöglicht deutschen nicht mitbestimmten Gesellschaften mit mehr als 400, aber nicht mehr als 500 Arbeitnehmern, zukünftig sogar ihre Mitbestimmungsfreiheit einzufrieren – ggf. allerdings erst nach der Durchführung von Verhandlungen.
Was erfasst die Mobilitätsrichtlinie leider nicht?
Bei aller Freude über die Fortschritte der Mobilitätsrichtlinie schwingt auch etwas Kritik mit: Der Anwendungsbereich der Mobilitätsrichtlinie ist auf Kapitalgesellschaften und bei Spaltungen auf solche zur Neugründung begrenzt. Es bleibt zu hoffen, dass die nationalen Gesetzgeber – unter Ausnutzung ihres Umsetzungsspielraums – die Richtlinie überschießend auch für Personengesellschaften und grenzüberschreitende Spaltungen zur Aufnahme umsetzen. Soweit dies nicht geschieht, bleibt den betroffenen Unternehmen nur der steinige Weg, unter Berufung auf die Niederlassungsfreiheit ihre Mobilitätsrechte in gesetzlich nicht geregelten Verfahren durchzusetzen.
Übersicht der wesentlichen Änderungen
Was sind nun die wesentlichen Aspekte im Vergleich zum ursprünglichen Richtlinienvorschlag vom 25. April 2018?
Bei der ursprünglichen Grundstruktur ist es geblieben: Grenzüberschreitende Spaltungen und Formwechsel werden vollständig geregelt, die Regelungen der bisherigen Verschmelzungsrichtlinie umfassend erneuert. Jeder dieser drei Komplexe wird allerdings weiterhin separat im Detail geregelt; das hätte man mit Verweisungen schlanker machen können. Zwar sind im Entwurf noch enthaltene – größtenteils nicht nachvollziehbare – Abweichungen teilweise ausgemerzt worden. Es verbleiben aber eine Reihe von Unterschieden, die weder notwendig noch begründet sind.
Grenzüberschreitende Umwandlungen (Formwechsel)
Von den Regelungen des grenzüberschreitenden Formwechsels in eine andere EU-Kapitalgesellschaft ist auch der grenzüberschreitende Formwechsel in Form der isolierten Satzungssitzverlegung erfasst. Der der Niederlassungsfreiheit entgegenstehende Versuch des Rechtsausschusses, hier erhöhte Anforderungen einzuführen, war nicht erfolgreich.
Grenzüberschreitende Spaltungen
Es bleibt dabei, dass nur die Spaltung zur Neugründung erfasst wird. Unverständlich bleibt daher, warum die durch die Niederlassungsfreiheit ebenso mögliche Spaltung zur Aufnahme nicht geregelt worden ist. Hinzugekommen ist aber immerhin neben Aufspaltung und Abspaltung zur Neugründung noch die Ausgliederung zur Neugründung.
Ablauf und Verfahren
Im Kommissionsentwurf waren noch zwei separate Umwandlungsberichte vorgesehen, einer für die Gesellschafter und einer für die Arbeitnehmer. Nun wird es der Gesellschaft freigestellt, ob sie zwei separate Berichte oder einen gemeinsamen Bericht mit zwei speziellen Abschnitten für Gesellschafter und Arbeitnehmer erstellt. Diese Berichte sollen den Gesellschaftern und den Arbeitnehmervertretern bzw. Arbeitnehmern – nunmehr für alle Arten der Umwandlung einheitlich – sechs Wochen vor dem Tag der Beschlussfassung zugänglich gemacht werden. Die Berichte können in gewissen Fällen verzichtbar oder entbehrlich sein. Eine Verzichtsmöglichkeit für die Arbeitnehmerseite ist allerdings nicht vorgesehen. Sie kann also weder bei getrennten Berichten auf den eigenen noch bei einem gemeinsamen Bericht auf den für sie bestimmten Abschnitt verzichten. Lediglich in einer arbeitnehmerlosen Gesellschaft ist ein entsprechender Bericht bzw. Abschnitt entbehrlich. Nicht erforderlich ist der Bericht bei der neu eingefügten Ausgliederung.
Entgegen dem Kommissionsvorschlag ist der Umwandlungsbericht nicht mehr von einem Sachverständigen zur prüfen – dieser darf sich auf die Prüfung des Umwandlungsplans beschränken. Auch diese Prüfung ist (weiterhin) in gewissen Fällen verzichtbar und bei Einpersonengesellschaften (wenn die Mitgliedstaaten von der entsprechenden Möglichkeit Gebrauch machen) sowie grundsätzlich bei Ausgliederungen entbehrlich.
Weiterhin nicht geregelt ist die Frage der Unternehmensbewertung. Gestrichen wurden darüber hinaus die Regelungen zur Vereinheitlichung des Rechnungslegungsstichtags und zu den maßgeblichen Dokumentationssprachen. Hier wären klarstellende Regelungen wünschenswert gewesen.
Hinsichtlich der zweistufigen Rechtmäßigkeitskontrolle gibt es ebenfalls Neuerungen: So sollen nun – im Einklang mit der Digitalisierungsrichtlinie – sämtliche Unterlagen online eingereicht werden können. Die Vorabbescheinigung soll dann auch über das System der Registervernetzung (BRIS) an die zweite Kontrollstelle weitergeleitet und als schlüssiger Nachweis der ordnungsgemäßen Einhaltung der Formalitäten und Verfahren im anderen Mitgliedstaat anerkannt werden.
Diese Vorabbescheinigung darf nicht erteilt werden, wenn die Umstrukturierung missbräuchlichen, betrügerischen oder kriminellen Zwecken dient. Ob die Ersetzung der im Kommissionsentwurf noch vorgesehenen „künstlichen Gestaltung″ durch diese auf den ersten Blick eindeutigeren Begriffe zu größerer Klarheit führt und wie die Mitgliedstaaten mit dieser Option umgehen werden, bleibt abzuwarten.
Mitbestimmung – Bewährtes Konzept mit Neuerungen
Es bleibt grundsätzlich bei dem bewährten Konzept von Verhandlungsmodell und Auffanglösung, allerdings mit folgenden Neuerungen:
- Das europäische Mitbestimmungsregime greift zukünftig (neben den Fällen der Mitbestimmungsminderung und der Benachteiligung ausländischer Arbeitnehmer) bei allen grenzüberschreitenden Umwandlungsfällen bereits dann, wenn die sich formwechselnde oder spaltende Gesellschaft oder eine der sich verschmelzenden Gesellschaften mindestens vier Fünftel des im nationalen Recht vorgesehenen Schwellenwerts für die Mitbestimmung überschreitet. Dies kann in Einzelfällen nicht mitbestimmte Gesellschaften zur Durchführung des aufwändigen Verhandlungsverfahrens zwingen, obwohl an dessen Ende die Mitbestimmungsfreiheit steht.
- Die Auffanglösung kann – unter Verzicht auf das Verhandlungsverfahren – nur bei grenzüberschreitenden Verschmelzungen direkt gewählt werden – bei grenzüberschreitenden Spaltungen und Formwechseln kann diese nur gemeinsam mit dem besonderen Verhandlungsgremium, also den Arbeitnehmern, beschlossen werden.
- Die neue Vierfünftel-Regelung gibt nicht mitbestimmten Gesellschaften (z.B. in Deutschland solchen mit mehr als 400, aber nicht mehr als 500 Arbeitnehmern) die Chance, ihre Mitbestimmungsfreiheit durch grenzüberschreitende Verschmelzung einzufrieren. Sie können sich dabei sogar das Verhandlungsverfahren sparen; eine Beteiligungsvereinbarung hätte auch inhaltlich für sie keine Vorteile, da mangels Mitbestimmung nichts zu regeln wäre.
- Ein einmal bestehendes Mitbestimmungsregime muss darüber hinaus grundsätzlich vier Jahre lang beibehalten werden.
Mobilitätsrichtlinie schafft harmonisierten Rechtsrahmen
Auch wenn insbesondere die Beschränkung auf Kapitalgesellschaften und auf Spaltungen zur Neugründung zu bedauern ist, so ist die Richtlinie doch insgesamt erfreulich und – trotz kleinerer Mängel im Detail – sehr zu begrüßen. Zusammen mit der Digitalisierungsrichtlinie wird für die grenzüberschreitende Betätigung von europäischen Gesellschaften endlich ein harmonisierter Rechtsrahmen geschaffen, der von den Mitgliedstaaten in den nächsten drei (Mobilitätsrichtlinie) bzw. zwei Jahren (Digitalisierungsrichtlinie) umzusetzen ist.