24. Oktober 2017
Pflicht Unterlassungsverfügung
Gewerblicher Rechtsschutz

Nichts tun ist auch keine Lösung: Pflichten bei Unterlassungsverfügungen

Das OLG Celle hat sich mit der Frage auseinandergesetzt, wie weit die Verpflichtungen des Schuldners eines Unterlassungstitels reichen.  

Aufgrund der Natur des Internets – und speziell der sozialen Medien – können einmal in die Welt gesetzte Äußerungen unglaublich schnell eine erhebliche Verbreitung erfahren. Unter Umständen sind diese Äußerungen für den Erklärenden bereits nach einer sehr kurzen Zeit nicht mehr zu kontrollieren.

Dies gilt nicht nur für Tweets oder Posts in sozialen Medien, sondern auch für normale Pressemitteilungen. Auch gibt es die Möglichkeit, dass eine Äußerung auf einer Website zwar gelöscht wird, aber diese weiterhin im Cache von Suchmaschinen aufgrund einer früheren Indexierung abrufbar ist.

All diese Verbreitungen sind dabei von dem jeweiligen Äußernden meistens ursprünglich gewünscht gewesen und stellen einen zentralen Punkt des Internets dar. Die Probleme entstehen nun, wenn die ursprüngliche Äußerung, aus welchen Gründen auch immer, unzulässig sein sollte und entweder eine Unterlassungsverfügung, so im Fall des OLG Celle (Beschluss v. 21. August 2017– 13 W 45/17), oder aber eine Unterlassungserklärung die Weiterverbreitung untersagt. Was muss der Schuldner nun tun, was unterlassen? Reicht ein einfaches Löschen oder gehen die Verpflichtungen viel mehr darüber hinaus?

Schuldnerin löscht Beitrag und beantragt die Löschung bei den gängigsten Suchmaschinen

Im Fall des OLG Celle ging es dabei um eine Videoberichterstattung, die mittels einstweiliger Verfügung untersagt wurde. Der Beitrag wurde entfernt und auch eine Löschung bei den gängigen Suchmaschinen beantragt. Unstreitig wurde eine weitergehende Suche nicht durchgeführt und weitere Maßnahmen auch nicht eingeleitet. Dass der Beitrag aber auf einer Videoplattform abrufbar war, war der Schuldnerin bis zum Eingang des Ordnungsmittelantrages nicht bekannt. Diese hatte den Beitrag dort auch nicht selbst eingestellt.

Unterlassungspflicht geht weiter als bloßes „Nichtstun“

Zunächst stellte das OLG Celle fest, dass sich eine titulierte Unterlassungspflicht keinesfalls in einem bloßen Nichtstun erschöpft. Vielmehr muss der Schuldner auch weitere Handlungen zur Störungsbeseitigung unternehmen, wenn allein dadurch dem jeweiligen Unterlassungsgebot Folge geleistet werden kann.

Insbesondere gilt dies, wenn die Veröffentlichung über die eigene Website hinaus zum Beispiel durch „Verschlagwortung“ provoziert wurde (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss v. 09. März 2016 – 2 W 49/15). Dabei sind davon alle möglichen und zumutbaren Handlungen zur Beseitigung des Störungszustandes umfasst, wie beispielsweise ein Rückruf (vgl. BGH, Beschluss v. 29. September 2016 – I ZB 34/15). Hinsichtlich der Reichweite der Maßnahmen sind allerdings stets die beiderseitigen Interessen abzuwägen (vgl. BGH, Urteil v. 28. Juli 2015 – VI ZR 340/14).

Insoweit wiederholt das OLG Celle die kritisch aufgenommene Entscheidung des BGH hinsichtlich der Reichweite eines Unterlassungsanspruches. Ging es in der Entscheidung des BGH vom 29. September 2016 um den Rückruf von bereits in den Verkehr gebrachter Produkte, hatte sich das OLG Celle mit einer in den Kreislauf des Internets eingebrachten Äußerung auseinanderzusetzen.

Zumindest Google muss informiert werden

Das OLG Celle konkretisiert die abstrakt aufgestellten Anforderungen dahingehend, dass bei einer Löschung eines Beitrages von der eigenen Website in jedem Fall auch das Betreiberunternehmen der Suchmaschine Google über die Löschung zu informieren sei. Die Löschung bei der selbigen Suchmaschine sei auch stets nachzuhalten. Nur auf diesem Wege könne einer Unterlassungsverpflichtung ausreichend nachgekommen werden.

Keine Pflicht zur Kontrolle der gängigsten Videoportale bei Verbreitung durch Dritte

Von dieser Indexierung durch die Suchmaschine Google sei jedoch ein selbstständiges Handeln Dritter zu unterscheiden. Dieses wäre nur relevant, wenn der jeweilige Schuldner mit der Verbreitung ernstlich rechnen muss und zudem rechtliche und tatsächliche Einwirkungsmöglichkeiten auf das Verhalten Dritter beständen.

Es war in dem konkreten Verfahren jedenfalls unstreitig, dass die Schuldnerin der Unterlassungsverpflichtung nicht für die Veröffentlichung auf der Videoplattform verantwortlich war und aus dieser keinen wirtschaftlichen Nutzen gezogen hatte. Auch wenn es sich um eine „internet-typische Gefahr“ gehandelt hätte, sei es jedoch nicht zumutbar, eine anlassunabhängige Kontrolle der gängigsten Videoportale zu fordern. Denn bereits die Definition des Begriffes der „gängigsten Videoportale“ sei nur schwer möglich.

Das OLG Celle sieht in einer solchen Verpflichtung eine Überdehnung der Handlungspflichten. Denn in solchen Fällen wären auch eine Vielzahl anderer Kanäle und Social-Media Plattformen vom Unterlassungsanspruch erfasst. Dies wiederum wäre – in Kombination mit der Kerntheorie – mit einer erheblichen Ausweitung von Unterlassungs- und Handlungspflichten gleichzusetzen.

Vieles Muss, aber alles kann

Das OLG Celle hat in seinem Beschluss festgehalten, dass „internet-typische Gefahren“ zwar bestehen, aber nicht unbedingt eine rechtliche Verpflichtung auslösen. Jedoch ist der Grad der Verantwortlichkeit nur sehr schwer zu bestimmen. Streng genommen ist auch die von Google vorgenommene Indexierung eine Handlung Dritter, jedoch sieht das OLG Celle gleichwohl eine Handlungspflicht als gegeben an. Denn schließlich sei jedem bekannt, wie diese Suchmaschine funktioniert.

Insofern kann es durchaus sein, dass zukünftig auch andere Weiterverbreitungsmittel als so üblich angesehen werden, dass Handlungspflichten entstehen. Es ist daher der dringende Rat an Unterlassungsschuldner herauszugeben, dass im Zweifel lieber versucht werden sollte, mehr als nur einen Weiterverbreitungsweg zu löschen. Auf diesem Weg könne einer weiteren Abmahnung oder gar Klage bezüglich der Unterlassungspflicht aus dem Weg gegangen werden.

Tags: Pflicht Unterlassungsverfügung Reichweite
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Hans-Christian Woger