14. Juli 2021
Verfassungsbeschwerde einheitliches Patentgericht
Patentrecht & Gebrauchsmusterrecht

Das Einheitliche Patentgericht rückt in greifbare Nähe

Das Bundesverfassungsgericht hat zwei Eilanträge gegen das Zustimmungsgesetz zum EPGÜ abgelehnt. Der Weg für die deutsche Ratifikation ist damit frei.

Das Abkommen über ein Einheitliches Patentgericht (EPGÜ) ist der letzte wichtige Baustein auf dem Weg zur Einführung des Europäischen Patents mit einheitlicher Wirkung. 

Das Einheitliche Patentgericht (UPC) stand trotz des sich abzeichnenden Brexits bereits im Jahre 2017 kurz vor dem Start. Eine erste Verfassungsbeschwerde samt Eilantrag veranlasste aber den Bundespräsidenten, das deutsche Zustimmungsgesetz nicht auszufertigen. Die Zukunft des UPC blieb für fast drei Jahre in der Schwebe. Im vergangenen Jahr erklärte das Bundesverfassungsgericht das erste Zustimmungsgesetz schließlich aus formellen Gründen für nichtig

Die deutsche Bundesregierung brachte daraufhin das zweite Zustimmungsgesetz in den Bundestag ein, welcher das Gesetz Ende 2020 mit der nötigen Zweidrittelmehrheit verabschiedete. Nach Zustimmung durch den Bundesrat stoppten jedoch zwei weitere Verfassungsbeschwerden samt Eilanträgen auch das zweite Zustimmungsgesetz, welches der Bundespräsident vorerst ebenfalls nicht ausfertigte. Das Bundesverfassungsgericht hat nun am 23. Juni 2021 beschlossen, die Eilanträge zurückzuweisen.

Eilanträge zurückgewiesen, da Verfassungsbeschwerden in der Hauptsache unzulässig

Mit seinem Beschluss vom 23. Juni 2021 hat das Bundesverfassungsgericht die Eilanträge zurückgewiesen. Die Verfassungsbeschwerden, auf die sich die Eilanträge beziehen, seien in der Hauptsache unzulässig. Es fehle an einer hinreichend substantiierten Begründung: Die Beschwerdeführer hätten in ihren Verfassungsbeschwerden nicht ausreichend dargelegt, dass sie selbst in ihren Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten verletzt seien. 

Soweit aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ersichtlich, sind die rechtlichen Argumente der Beschwerdeführer bereits wohlbekannt. Im Kern waren sie schon Gegenstand der Verfassungsbeschwerde gegen das erste Zustimmungsgesetz von 2017. Da das Bundesverfassungsgericht dieses Gesetz jedoch bereits aufgrund formeller Mängel aufhob, setzte es sich in seiner ersten Entscheidung nicht vertieft mit den inhaltlichen Argumenten auseinander. 

Keine ausreichende Substantiierung einer Verletzung des Rechts auf demokratische Selbstbestimmung

Die Beschwerdeführer rügen im Wesentlichen, dass die Zustimmung zum EPGÜ das Recht auf demokratische Selbstbestimmung aus Art. 38 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 sowie Art. 79 Abs. 3 GG verletze. 

In einfachen Worten sei es danach Kern des Demokratieprinzips, dass jedes staatliche Handeln demokratisch legitimiert sein müsse. Der Bürger würde mit seiner Wahlentscheidung staatliches Handeln nur legitimieren, soweit es dem Rechtsstaatsprinzip genüge. Die Übertragung von Hoheitsrechten – wie etwa die richterliche Gewalt – durch das EPGÜ sei damit jedoch nicht vereinbar, da die verfassungsrechtlich garantierte Unabhängigkeit der Richter nicht sichergestellt sei. Ihre Amtszeit sei nach Art. 6 ff. EPGÜ auf sechs Jahre mit anschließender Möglichkeit der Wiederwahl befristet. Dies lasse sie in ein Abhängigkeitsverhältnis zu den für die Richterauswahl und -ernennung zuständigen Ausschüssen geraten. 

Dem Bundesverfassungsgericht genügte diese Begründung nicht. Eine Verletzung des Demokratieprinzips setze nämlich voraus, dass der sog. „integrationsfeste Kern″ des Grundgesetzes berührt sei. Die Beschwerdeführer hätten dazu etwa darlegen müssen, dass durch das EPGÜ Hoheitsrechte derart übertragen würden, dass die entsprechende Stelle durch Ausübung dieser Hoheitsrechte neue Hoheitsrechte selbst begründen könnte, Blankettermächtigungen zur Ausübung öffentlicher Gewalt ohne entsprechende Sicherungen erteilt würden oder Rechte des Bundestages wesentlich geschmälert würden. Dies hätten die Beschwerdeführer bislang nicht dargelegt.

Keine ausreichende Substantiierung der Verletzung der Verfassungsidentität durch Einräumung des Vorrangs von Unionsrecht

Überdies rügen die Beschwerdeführer, dass die durch Art. 79 Abs. 3 GG geschützte Verfassungsidentität dadurch verletzt sei, dass Art. 20 EPGÜ nach ihrer Auffassung einen uneingeschränkten Vorrang des Unionsrechts vor dem nationalen Recht vorschreibe. Tatsächlich lautet Art. 20 EPGÜ: 

Das Gericht wendet das Unionsrecht an und achtet seinen Vorrang.

Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts liege hierin jedoch keine über den Status quo hinausgehende Regelung des Verhältnisses zwischen Unionsrecht und nationalem Verfassungsrecht. Insbesondere im Zusammenhang mit der Begründung des zweiten Zustimmungsgesetzes und einer im Bundesrat abgegebenen Protokollerklärung mehrerer Bundesländer müsse die Vorschrift so verstanden werden, dass hierdurch nur Zweifel der Vereinbarkeit des EPGÜ mit dem Unionsrecht ausgeräumt werden sollen. Damit war die von den Beschwerdeführern geltend gemachte Identitätsverletzung auch insoweit nicht ausreichend substantiiert.

Auch eine von den Beschwerdeführern vorgetragene Verletzung des Rechts auf effektiven Rechtsschutz nach Art. 19 Abs. 4 GG war für das Bundesverfassungsgericht letztlich nicht ersichtlich, so dass das Bundesverfassungsgericht feststellte, dass die Verfassungsbeschwerden derzeit mangels substantiierter Begründung als unzulässig anzusehen und die Eilanträge deshalb zurückzuweisen seien.

Gute Aussichten für UPC und Einheitspatent

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist noch nicht der finale Schlussstrich unter die langwierige Vorgeschichte des UPC. Formell hat das Bundesverfassungsgericht nur über die Eilanträge entschieden, was nicht ausschließt, dass sich die Verfassungsbeschwerden in der Hauptsache doch noch als begründet erweisen. Es steht den Beschwerdeführern frei, ihre Verfassungsbeschwerden mit weiteren Argumenten zu untermauern. 

Die Tatsache, dass das Bundesverfassungsgericht sich mit der aktuellen Entscheidung deutlich mehr Zeit gelassen ha,t als es zuvor erwartet wurde, spricht aber dafür, dass das Gericht die Verfassungsbeschwerden bereits im Vorfeld der Entscheidung äußerst sorgfältig geprüft hat. Auch scheint es auf Grundlage der Entscheidungsbegründung fraglich, wie es den Beschwerdeführern gelingen will, eine Rechtsverletzung ausreichend substantiiert darzulegen. 

Vorerst bedeutet die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, dass der Bundespräsident das zweite Zustimmungsgesetz ausfertigen und das EPGÜ in absehbarer Zeit in Kraft treten kann. Damit rückt nach jahrzehntelangen Anläufen auch die Einführung eines Europäischen Patents mit einheitlicher Wirkung in greifbare Nähe. 

Hierzu müssen Deutschland und zwei weitere Mitgliedsstaaten das Protokoll zur vorläufigen Anwendung des EPGÜ ratifizieren. Aktuell wird davon ausgegangen, dass das UPC nun Ende 2022 bis Anfang 2023 starten wird. 

Viel Zeit bleibt bis dahin nicht. Die organisatorischen Vorbereitungen für das UPC sind durch die deutschen Verfassungsbeschwerden erheblich ins Stocken geraten und müssen nun möglichst schnell wieder Fahrt aufnehmen. Unternehmen müssen jetzt entscheiden, für welche ihrer europäischen Patente sie aus der Zuständigkeit des UPC herausoptieren wollen. Schließlich muss noch geklärt werden, wie mit der UPC-Zentralkammer umzugehen ist, die ursprünglich in London angesiedelt sein sollte. Ihre Zuständigkeit u.a. für Pharma- und Chemiepatente soll vorübergehend durch den Hauptsitz in Paris und die Abteilung in München übernommen werden. Damit ist die Diskussion hierüber jedoch noch lange nicht beendet. 

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