10. März 2022
Token Auslobung NFT Award Model Krypto
Gewerblicher Rechtsschutz

Tokenisierung mit dem Auslobungsmodell (Reward Model)

Das Auslobungsmodell (Award Model) stellt eine rechtssichere Möglichkeit dar, blockbasierte-Token mit Rechten oder Forderungen zu verknüpfen (Tokenisierung).

Die Distributed-Ledger-Technologie (DLT), deren wohl bekannteste Vertreter die Blockchain ist, bringt eine Vielzahl neuer Anwendungsmöglichkeiten mit sich. Insbesondere besteht mit der Tokenisierung eine Möglichkeit, die Inhaberschaft und Übertragung von Rechten und Forderungen zu revolutionieren. 

Blockchain-basierte Token können von jedem Netzwerkteilnehmer* durch Signieren mit einem eigenen privaten kryptografischen Schlüssel (private key) an die öffentlichen Adressen anderer Netzwerkteilnehmer übertragen werden. Gelingt es, solche Token mit Rechten oder Forderungen zu verknüpfen, entsteht eine digitale „Verkörperung“, ähnlich traditionellen Urkunden oder Wertpapieren. Diese Verknüpfung wird Tokenisierung genannt. Anders als Urkunden lassen sich Token aber digital, unmittelbar (peer to peer) und innerhalb äußerst kurzer Transaktionszeiten global übertragen. Gemeinsam mit der Manipulations- und Ausfallsicherheit von DLT-Systemen und dem Einsatz von Smart Contracts resultiert daraus eine Vielzahl neuer Anwendungsmöglichkeiten. 

Problem: Auseinanderfallen von Recht oder Forderung und Token

Wie bei der Tokenisierung von Eigentum besteht auch bei der Tokenisierung von Rechten und Forderungen die Gefahr, dass der Token und das durch den Token repräsentierte Recht oder die Forderung auseinanderfallen. Das kann entweder dann der Fall sein, wenn die Forderung oder das Recht von einem Tokeninhaber abgetreten wird (§§ 398 ff. BGB), er den Token aber nicht mitüberträgt, oder dann, wenn er den Token als reinen Realakt überträgt, ohne gleichzeitig das Recht oder die Forderung abzutreten. Für den Tokenemittenten bzw. Schuldner eines Anspruchs besteht dadurch rechtliche Unsicherheit, da er nicht sicher wissen kann, ob der Inhaber des Tokens auch Inhaber des Rechts oder der Forderung ist. 

Zivilrechtliche Ausgestaltung stößt an ihre Grenzen

Um das Auseinanderfallen von Recht oder Forderung und Token zu verhindern, greifen Token-Projekte regelmäßig auf rein vertragsrechtliche Ausgestaltungen zur Tokenisierung zurück. Es wurden bereits verschiedene schuldrechtliche Gestaltungsmöglichkeiten im Kontext einer Tokentransaktion identifiziert und diskutiert (siehe auch Auseinanderfallen von Token und Eigentum, außerdem etwa Matzke/Kaulartz, NJW 2018, 3278). Eine „Verbriefung“ des Rechts oder der Forderung nach § 793 BGB durch den Token kommt nämlich mangels Urkunde in körperlicher Form und Wahrung der Schriftform nicht in Betracht. 

Die erste Möglichkeit, die materielle Rechtslage in der formellen Rechtslage eines Tokens abzubilden, besteht in dem gewillkürten Formerfordernis einer „Blockchain-Form“ nach § 127 BGB. Eine Abtretung und der zugrunde liegende Rechts- oder Forderungserwerb stehen dann unter dem Vorbehalt der Übertragung des zugehörigen Tokens auf die Adresse des Empfängers und der ausdrücklichen Zustimmung zur Übertragung des Rechts oder der Forderung. Dabei droht jedoch die AGB-rechtliche Unwirksamkeit, da ein Verstoß gegen § 309 Nr. 13 lit. b BGB in Betracht kommt. Eine Unwirksamkeit würde voraussetzen, dass die „Blockchain-Form“ eine strengere Form als die Textform darstellt. Dies kann allerdings mit guten Argumenten bestritten werden.

Weiter besteht die Möglichkeit eines Bedingungszusammenhanges. Zugrunde liegende Rechtsgeschäfte stehen dann unter der aufschiebenden Bedingung einer im Netzwerk bestätigten Tokentransaktion (§ 158 Abs. 1 BGB) und der Zweiterwerb steht unter der auflösenden Bedingung einer nicht bestätigten Tokentransaktion (§ 158 Abs. 2 BGB). 

Als dritte Möglichkeit kommt auch die vertragliche Verpflichtung des Token-Ersterwerbers zur Nutzung der Blockchain bei der Übertragung des tokenisierten Rechts bzw. der tokenisierten Forderung in Betracht. Diese muss mit der vertraglichen Pflicht verbunden werden, die Vertragspflichten an jeden weiteren Erwerber weiterzugeben. 

Schließlich kann die Abtretung eines Rechts auch an eine Zustimmung zur Tokentransaktion gekoppelt werden (§ 399 Alt. 2 BGB) oder als Abtretungsverbot mit Ausnahme einer mit der Abtretung einhergehenden Tokenübertragung ausgestaltet werden. Anders als bei der rein vertraglichen Verpflichtung der Tokenerwerber würde daraus eine dingliche Wirkung resultieren, die Vertragsgestaltung ist aber aufwendig. 

Diese Möglichkeiten zur Tokenisierung können zwar auch kumulativ gewählt werden, allerdings kann – insbesondere beim Handel auf Sekundärmärkten – nie vollständig ausgeschlossen werden, dass der Token und das Recht oder die Forderung auseinanderfallen. Denkbar ist etwa, dass ein Token unter Verstoß gegen das Formerfordernis oder die Einschränkung der Abtretbarkeit übertragen wird. Auch könnte ein Token ohne rechtsgeschäftliche Erklärungen übertragen werden, sodass der Bedingungszusammenhang leerläuft. Auch ein Verstoß der Tokenerwerber gegen ihre vertraglichen Verpflichtungen, das Recht oder die Forderung nur gemeinsam mit dem Token zu übertragen, kommt in Betracht. Daraus würden lediglich Schadensersatzansprüche folgen, während der neue Tokeninhaber rechtlich nicht zugleich Inhaber des Rechts oder der Forderung ist. Gerade entlang der Kette wird das praktisch nicht beweisbar sein. Vereinbart in AGB kann es außerdem sein, dass ein Gericht die Regelungen im Verhältnis zu Verbrauchern für unwirksam hält.

Gesetzliche Regelungen erfassen nur einen kleinen Teil der Anwendungsfälle

Mehr Rechtssicherheit bietet eine ausdrücklich durch Gesetz geregelte Verknüpfung von Token und Recht oder Forderung. Bislang beschränken sich existierende gesetzliche Regelungen zur Tokenisierung aber auf Inhaberschuldverschreibungen. Entsprechend der Blockchain-Strategie der vorherigen Bundesregierung wurde das Gesetz über elektronische Wertpapiere (eWpG) verabschiedet. Danach können Emittenten Inhaberschuldverschreibungen, wie Anleihen oder Wandelschuldverschreibungen, als elektronische Wertpapiere in Form von Kryptowertpapieren begeben (§ 4 Abs. 3, 4 eWpG). Zwar ist das Gesetz technologieneutral formuliert, dennoch zeigen die Anforderungen eines Kryptowertpapierregisters (§ 16 eWpG), dass die Regelungen auf die DLT zugeschnitten sind. 

Ein Kryptowertpapier entsteht dadurch, dass der Emittent einen Eintrag in das Kryptowertpapierregister bewirkt. Eine Übertragung des eingetragenen Rechts kann nur dann wirksam erfolgen, wenn anstelle des bisherigen Inhabers ein neuer Inhaber in das Kryptowertpapierregister eingetragen wird. Diese „Umtragung“ kann nur auf Weisung des Berechtigten, also des Inhabers des Rechts, erfolgen. Die Inhaberschaft des Kryptowertpapiers gilt dabei zugleich als Vermutung für die Inhaberschaft des Rechts. Durch diese gesetzliche Verknüpfung von Token und Recht werden viele rechtliche Unsicherheiten beseitigt. Ein Schuldner eines Anspruchs kann davon ausgehen, dass er an den Anspruchsberechtigten leistet, wenn dieser als Inhaber des Kryptowertpapiers eingetragen ist. Der Schutz wird abgerundet durch Gutglaubensvorschriften in § 26 eWpG.

Die Führung eines Kryptowertpapierregisters erfordert eine Erlaubnis der BaFin nach dem Kreditwesengesetz. Will ein Emittent nicht selbst eine Erlaubnis beantragen, die mit der Beachtung zahlreicher regulatorischer Vorgaben einhergeht, muss er auf einen Drittdienstleister ausweichen. Ein Nachteil für viele Projekte ist außerdem, dass es für das Kryptowertpapier keine einheitliche europäische Regelung gibt und es unklar ist, wie andere Aufsichtsbehörden die Ausgabe eines Kryptowertpapiers regulieren werden. 

Daneben steht die Begebung von Kryptofondsanteilen in Aussicht. Nach § 95 KAGB können auf den Inhaber lautende Anteile an Sondervermögen als elektronische Anteilscheine begeben werden. Das Bundesministerium der Finanzen und das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz können durch künftige Rechtsverordnung jedoch auch Regelungen des eWpG zu Kryptowertpapieren auf elektronische Inhaber-Anteilsscheine für entsprechend anwendbar erklären und damit die Begebung von Kryptofondsanteilen ermöglichen (§ 95 Abs. 5 KAGB). Bislang gibt es für eine solche Verordnung aber nur einen Entwurf (KryptoFAV-E, siehe ergänzend Kaulartz/Voigt/Winkler, RdF 2022, 24).

Abseits dieser beiden Möglichkeiten bestehen in Deutschland keine weiteren gesetzlichen Grundlagen für eine Tokenisierung. Im Hinblick auf neue technische Möglichkeiten wie die Blockchain-Technologie bekräftigt die Ampel-Regierung im Koalitionsvertrag jedoch, Chancen nutzen und einen angemessenen regulatorischen Rahmen schaffen zu wollen. Namentlich sollen die bisherigen Möglichkeiten zur Emission elektronischer Wertpapiere etwa auf Aktien ausgeweitet und soll die Machbarkeit eines Blockchain-Grundbuchs untersucht werden. 

Lösung: Das Auslobungsmodell

Eine Möglichkeit zur Lösung des Problems der zivilrechtlich sicheren Tokenisierung außerhalb von (in der Praxis seltenen) Inhaberschuldverschreibungen ist das sog. Auslobungsmodell. Dabei wird der Token nicht direkt mit dem Anspruch verknüpft, sondern der Anspruch entsteht erst dann, wenn der Token an den Tokenemittenten zurückgegeben bzw. vernichtet wird. Dieses Modell eignet sich sehr für NFT, Utility Token und Governance Token, aber auch für Security Token. 

Die rechtliche Grundlage dafür bietet die Auslobung (§§ 657 ff. BGB). Bei der Auslobung handelt es sich um eine einseitige, nicht empfangsbedürftige Willenserklärung, die durch ihre Bekanntgabe in öffentlicher Form wirksam wird. Eines Zugangs der Willenserklärung an einen Vertragspartner oder bestimmte Personen bedarf es also nicht. Anders als bei gegenseitigen Verträgen, bei denen der Vertragspartner als Adressat eines Angebots hinreichend bestimmt ist, richtet sich die Auslobung an einen offenen und unbestimmten Personenkreis. Erklärt wird, dass demjenigen ein Forderungsrecht gegen den Auslobenden zustehen soll, der eine bestimmte Handlung vornimmt bzw. einen entsprechenden Erfolg bewirkt. Wie genau die ausgelobte Handlung und die Belohnung ausgestaltet sind, ist dabei dem Auslobenden überlassen.

Beim Auslobungsmodell setzt der Emittent eines Tokens (Auslobender) durch öffentliche Bekanntmachung (z.B. über seine Website) eine bestimmte „Belohnung“ für die spätere Rückübertragung des Tokens an die Adresse des Emittenten aus. Der Emittent wird dabei rechtlich verpflichtet, demjenigen diese Belohnung zu entrichten, der den Token „einlöst“ (Berechtigter). Damit ist sichergestellt, dass der Emittent stets an denjenigen leistet, der Inhaber des Tokens ist bzw. mittels „private key“ über diesen verfügen kann. Statt einer Rückübertragung an den Emittenten kommen auch andere Handlungen der Tokeninhaber in Betracht, etwa die schlichte Inhaberschaft oder ein Staking des Tokens.

Damit dem Einlösenden eines Tokens gegen den Emittenten ein Forderungsrecht zusteht, bedarf es lediglich der Übertragung des Tokens oder einer anderen in den Auslobungsbedingungen festgelegten Handlung. Die Bestimmung der Belohnung sollte der Emittent in jedem Fall ausreichend konkretisieren. Vorgaben des Auslobenden sind rechtlich verbindlich.

Um den Tokeninhaber rechtlich abzusichern, enthält die Auslobung im Rahmen des hier vorgestellten Auslobungsmodells bestimmte Bedingungen:

Eine Auslobung ist grundsätzlich bis zur Vornahme der Handlung frei widerruflich (§ 658 BGB). Um zu verhindern, dass der Auslobende sein Angebot widerruft, ist es daher aus Akzeptanzgesichtspunkten wichtig, einen Verzicht auf den Widerruf in die öffentliche Bekanntmachung aufzunehmen. Das kann auch dadurch geschehen, dass der Auslobende einen bestimmten Zeitraum für die Vornahme festlegt und sich damit (konkludent) für die Dauer dieses Zeitraums an sein Angebot bindet. Außerdem sollte eine nachträgliche Änderung der Auslobungsbedingungen durch den Auslobenden ausgeschlossen werden. Da der Berechtigte lediglich vorvertragliche oder deliktische Schadensersatzansprüche hat, kann zudem eine Vertragsstrafe o.Ä. in die Auslobung aufgenommen werden, damit der Tokeninhaber zusätzlich bessergestellt ist. 

Das hier vorgestellte Auslobungsmodell bietet den Vorteil, dass die Bedingungen der Auslobung flexibel ausgestaltet werden können und es weit weniger vertraglichen Gestaltungsaufwand erfordert im Vergleich zu traditionellen Tokenisierungsverträgen. Auch die damit einhergehenden rechtlichen Unsicherheiten entfallen. Ein Handel, also ein Weiterverkauf des Tokens, ist auch auf Sekundärmarktplätzen unproblematisch möglich. Der Tokeninhaber erwirbt mit dem Token zunächst zwar nur die Möglichkeit, mit Tokeneinlösung auch Inhaber eines Rechts oder einer Forderung zu werden, wirtschaftlich ist er aber durch die Bindung des Tokenemittenten an das Angebot demjenigen gleichgestellt, der ein Recht oder eine Forderung direkt mit dem Token erwirbt. 

Auslobungsmodell als rechtssichere Möglichkeit für Tokenisierungen 

Das hier entwickelte Auslobungsmodell (Reward Model) bietet eine praxistaugliche, rechtssichere, flexible und einfache Lösung für die Tokenisierung von Rechten und Forderungen. Es hat sich bei NFT bewährt, eignet sich aber auch für Utility Token, Governance Token und Security Token. 

Im Gegensatz zu anderen Ausgestaltungen erlaubt das Auslobungsmodell (Reward Model) auch den rechtssicheren Handel von Token an Sekundärmärkten (Kryptobörsen).

*Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Lediglich der leichteren Lesbarkeit halber wird künftig bei allen Bezeichnungen nur noch die grammatikalisch männliche Form verwendet.

Tags: Auslobung Gewerblicher Rechtsschutz Kryptowährung NFT Reward Model Tokenisierung