Wirbt ein Onlineshop mit sogenannten “Streichpreisen”, muss der Referenzpreis vorher online gegolten haben und nicht nur im stationären Handel.
Die Werbung mit Streichpreisen ist im Onlinehandel allgegenwärtig. Durch die blickfangmäßige Gegenüberstellung eines durchgestrichenen höheren Preises mit dem aktuellen Preis einer Ware wird dem Kunden vermittelt, dass ein Produkt im Moment besonders günstig angeboten wird. Das ist – wie jeder aus eigener Erfahrung nachvollziehen kann – als Kaufanreiz ein durchaus probates Mittel.
Eine solche Werbung birgt jedoch ein hohes Irreführungspotential – das haben längst auch der europäische und deutsche Gesetzgeber erkannt. Die jüngste Neuregelung wird zu einer Änderung der Preisangabenverordnung (PAngV) führen und geht auf die sog. Omnibus-Richtlinie der EU zurück ((EU) 2019/2161), durch die unter anderem die Preisangaben-Richtlinie (98/6/EG) verändert wird.
Das OLG Hamm hat in einer aktuellen Entscheidung die Voraussetzungen unzulässiger Werbung mit Preisermäßigungen im Online-Handel auf Grundlage des § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 UWG näher konkretisiert (Beschluss v. 11. März 2021 – I-4 U 173/20). Nach dieser Norm ist eine geschäftliche Handlung unter anderem dann irreführend, wenn sie unwahre Angaben oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über den Anlass des Verkaufs wie das Vorhandensein eines besonderen Preisvorteils enthält.
Beklagte warb online mit Preisen aus dem Offline-Geschäft
Die Beklagte betreibt einen Fahrradhandel und hat sowohl stationäre Ladenlokale als auch einen Onlineshop, in dem sie mit Streichpreisen warb. Die klagende Wettbewerbszentrale beobachtete bei der Beklagten über einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten durch fünf Überprüfungen die Preisentwicklung von drei verschiedenen Produkten – zwei Fahrräder und ein Schlauch.
Während dieser gesamten Zeit blieb der durchgestrichene höhere Referenzpreis bei den betreffenden Produkten unverändert. Zudem ergab sich der Referenzpreis jeweils nicht aus einem vorherigen Online-Angebot, sondern ausschließlich aus Angeboten des stationären Handels. Gleichzeitig veränderte die Beklagte den geltenden, nicht durchgestrichenen Preis eines der Fahrräder gleich zwei Mal: zu Beginn der Beobachtung kostete das Fahrrad „K. Vitality LB Pro Wave″ EUR 2.199,99, später EUR 2.222,00 und schließlich EUR 2.399,99.
Die Preisangaben wurden im Onlineshop zudem durch die Hinweise
Bei statt-Preisen handelt es sich um unseren ehemaligen Verkaufspreis
und
Angebotene Preise des Online-Shops sind nicht immer identisch mit den Angeboten in den Filialen
ergänzt.
OLG Hamm: Werbung mit Vergleichspreisen aus anderem Vertriebsweg irreführend
Bei der Bewertung des Falls knüpfte das OLG Hamm an die ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs an, wonach eine Irreführung bei der Werbung mit Streichpreisen immer dann vorliegt,
wenn der frühere höhere Altpreis nicht, nicht ernsthaft, insbesondere nicht über einen längeren Zeitraum, oder nicht in letzter Zeit verlangt worden war oder wenn überhöhte Preise so angesetzt worden waren, um eine Preissenkung vortäuschen zu können, oder wenn sonst über das Ausmaß der Preissenkung irregeführt wurde.
(Urteil v. 15. Dezember 1999 – I ZR 159/97)
Die Beklagte argumentierte, dass sie die angegebenen Altpreise in ihren Filialen tatsächlich angeboten habe. Die Kunden hätten zudem stets die Beklagte als Vertragspartnerin – egal, ob das Fahrrad über den stationären Handel verkauft werde oder den Onlineshop.
Die Hammer Richter folgten dieser Argumentation nicht. Die Darstellung von Filialpreisen als Referenzen für den Onlineshop seien eine zur Täuschung des Verkehrs geeignete Irreführung im Sinne des § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 UWG (so auch schon die Vorinstanz, LG Bielefeld, Urteil v. 6. Oktober 2020 – 15 O 9/20). Die Preisgestaltung in den Filialen sei von der im Online-Handel isoliert zu betrachten und könne insbesondere nicht als Referenzgröße für eine Werbung mit einem Preisrabatt herangezogen werden:
Auch zur Überzeugung des Senats ist zur Beurteilung der Frage, ob die beanstandete Werbung irreführend ist, allein auf den von der Beklagten betriebenen Onlineshop abzustellen, nicht hingegen – zugleich – auf die Preisgestaltung aller oder einzelner Filialen und zwar ungeachtet der Frage, ob die Kunden der Beklagten sich – was durchaus naheliegt – i.S.d. sog. „Ropo-Effekts“ vor dem Kauf eines Fahrrades häufig zunächst online informieren, sich ihr Wunschprodukt aussuchen und dieses sodann gleichwohl erst – ggf. nach weiterer Beratung – in einer Filiale der Beklagten konkret erwerben
(Anm.: “Ropo” = “Research Online Purchase Offline”). Denn der insoweit maßgebliche durchschnittlich informierte und verständige Verbraucher gehe nach Ansicht des Gerichts nicht zuletzt aufgrund der von der Beklagten ergänzend eingefügten Hinweise davon aus, dass es sich bei dem gestrichenen Preis um den ursprünglich tatsächlich im Onlineshop geltenden Preis handelt.
Gerade vor diesem Hintergrund kann der Kunde eine im Onlineshop vorgefundene Werbung mit einem „Streichpreis“ und einem sich hieraus mutmaßlich ergebenden Preisvorteil – jedenfalls ohne einen besonderen diesbezüglichen Hinweis – nur so verstehen, dass es sich bei dem durchgestrichenen Preis um den ehemaligen „Online-Preis“ und nicht etwa um den aktuell auch noch in allen oder einzelnen Filialen geltenden Preis handelt.
Das Gericht begründet dies nicht zuletzt mit der auch Verbraucherkreisen bekannten und naturgemäß unterschiedlichen Preiskalkulation im Online- und Offline-Geschäft. Darauf verwies auch schon die Vorinstanz und begründete das Abstellen auf den konkreten Vertriebsweg zusätzlich mit dem Umstand, dass Kaufinteressenten auch ihren Preisvergleich unter verschiedenen Anbietern nur auf dem Vertriebsweg Internet vornähmen.
Referenzpreis darf nicht älter als sechs Monate sein – Novelle der PAngV bringt weitere Änderungen
Darüber hinaus darf vor dem Hintergrund einer möglichen Irreführung die Geltung des Referenzpreises nicht zu lange zurückliegen und muss ihrerseits eine gewisse zeitliche Schwelle überschreiten. Maßgeblich sind für diese Zeiträume die Umstände des Einzelfalles unter Berücksichtigung der Art der beworbenen Produkte.
Zur Frage wie lange der Zeitraum zurückliegen darf, in dem der Referenzpreis gegolten hat, stimmt das OLG den vom LG Bielefeld vorgeschlagenen sechs Monaten (noch) zu:
[D]as Landgericht [hat] mit der zutreffenden Erwägung, dass es sich bei Fahrrädern einerseits um langlebige und durchaus hochpreisige Wirtschaftsgüter handelt, der Verbraucher andererseits aber insbesondere bei Online-Werbung laufend aktuelle Informationen erwartet, einen Zeitraum von – vergleichsweise großzügig bemessenen – sechs Monaten als vertretbar angesehen.
Zudem dürfe auch die Zeitdauer, für die der frühere Preis verlangt worden ist, nicht zu kurz gewesen sein. Insofern hielt das Gericht noch mindestens zwei Monate für erforderlich. Zukünftig wird diese Rechtsprechung infolge der Novelle der PAngV überholt sein. Der neue § 11 Abs. 1 PAngV-E lautet wie folgt:
Wer zur Angabe eines Gesamtpreises verpflichtet ist, hat gegenüber Verbrauchern bei jeder Bekanntgabe einer Preisermäßigung für eine Ware den niedrigsten Gesamtpreis anzugeben, den er innerhalb der letzten 30 Tage vor der Anwendung der Preisermäßigung gegenüber Verbrauchern angewendet hat.
Zum einen wird der für den Referenzpreis relevante Zeitraum also auf 30 Tage festgelegt. Zum anderen muss der Referenzpreis nach dem Wortlaut der Norm auch nicht für volle 30 Tage gegolten haben, sondern vielmehr innerhalb der letzten 30 Tage vor der Preisermäßigung der niedrigste Preis für die Ware gewesen sein. Theoretisch würde es insofern also auch ausreichen, wenn der Preis nur für einen einzigen Tag aktuell war.
Das OLG Hamm entschied im Übrigen, dass nur die Werbung mit denjenigen höheren ehemaligen Verkaufspreisen zulässig sei, die zuletzt vor der Preissenkung verlangt wurden. Die Angabe eines irgendwann mal angebotenen Preises als Streichpreis sei ebenfalls irreführend. Auch dieser Punkt wird ab der Geltung des neuen § 11 PAngV-E überholt sein – wie gesehen, ist innerhalb des Zeitraums von 30 Tagen der niedrigste Preis ausschlaggebend, d.h. auch dann, wenn unmittelbar vor der Preissenkung ein höherer als der niedrigste Preis verlangt wurde.
Klare Leitlinien für Streichpreise im Onlineshop
Das Urteil des OLG Hamm und die Novelle der PAngV geben Händlern, die sowohl online als auch offline Waren vertreiben, klare Leitlinien an die Hand:
- Beim Einsatz von Streichpreisen im Onlineshop dürfen die Referenzpreise nicht aus dem stationären Handel kommen, sondern müssen vorher online gegolten haben.
- Der Referenzpreis
- darf nicht älter als sechs Monate sein, und
- muss den niedrigsten Preis abbilden, der innerhalb einer Frist von 30 Tagen vor der Preissenkung gegolten hat.
Diese Mindeststandards müssen unter zusätzlicher Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls eingehalten werden, um kostenpflichtige Abmahnungen durch Wettbewerber, Verbraucherschutzverbände oder die Wettbewerbszentrale zu vermeiden.