12. September 2023
Restrukturierung und Insolvenz

Krise in der Immobilienbranche – Wie können sich Unternehmen auf die Krise von Geschäftspartnern vorbereiten?

Aufgrund der aktuellen Situation sollten Unternehmen ihre Geschäftspartner im Blick behalten, um zu verhindern, dass deren finanzielle Krise zur eigenen wird.

Die Krise von Geschäftspartnern* kann schon vor der Insolvenz unmittelbar wirtschaftliche Auswirkungen auf den eigenen Geschäftsbetrieb haben, wenn Leistungen nicht mehr oder nur unzureichend erbracht oder Rechnungen nicht mehr bezahlt werden.

Wirtschaftliche Auswirkungen der Insolvenz von Geschäftspartnern

In der Insolvenz des Geschäftspartners erhöht sich das wirtschaftliche Risiko noch weiter. Der Insolvenzverwalter kann in der Vergangenheit geleistete Zahlungen im Wege der Insolvenzanfechtung zur Insolvenzmasse zurückverlangen. Dann bleibt nur, die Forderungen zur Tabelle anzumelden und auf quotale Befriedigung zu hoffen. Bei gegenseitigen, noch nicht vollständig erfüllten Verträgen wird der Insolvenzverwalter außerdem sein Erfüllungswahlrecht nach § 103 InsO nutzen, um bessere Vertragsbedingungen (wie beispielsweise Preisanpassungen) durchzusetzen.

Vor diesem Hintergrund stellt sich für die krisengebeutelte Immobilienbranche die Frage, wie eine Absicherung gegen die Krise von Geschäftspartnern erreicht werden kann.

Regelmäßiges Monitoring der Vertragsbeziehung – Grundlage für eine erfolgreiche Absicherung

Um sich gegen eine mögliche Krise von Geschäftspartnern zu wappnen, ist eine regelmäßige und engmaschige Überwachung der Einhaltung der vertraglichen Vereinbarungen ein wichtiger Baustein. Gerade bei langlaufenden Bauprojekten sollte beispielsweise regelmäßig der Baufortschritt überwacht werden, um sicherzustellen, dass die Leistungserbringung ordnungsgemäß erfolgt.

Schuldet der Geschäftspartner die Zahlung von Geld, so sollte sichergestellt sein, dass Abschlags- oder Ratenzahlungen pünktlich eingehen. Mit Blick auf das anfechtungsrechtliche Bargeschäftsprivileg sind des Weiteren möglichst kurze Zahlungsfristen empfehlenswert, um sich gegen Anfechtungsansprüche des späteren Insolvenzverwalters abzusichern. Zwischen Leistung und gleichwertiger Gegenleistung sollten nicht mehr als 30 Tage liegen. In Mietverhältnissen lässt sich dies in der Regel einhalten, wenn sichergestellt ist, dass die Miete regelmäßig und rechtzeitig monatlich bezahlt wird. Bei Werkverträgen, die beispielsweise die Errichtung von Bauwerken betreffen, kann dies über regelmäßige Abschlagszahlungen sichergestellt werden.

Vereinbarung von Sicherheiten und offene Kommunikation

Weitere Sicherheit kann die Vereinbarung von Sicherungsrechten bieten, die in der Insolvenz des Geschäftspartners ein Aus- oder Absonderungsrecht gewähren oder zumindest sicherstellen, dass ein Dritter einsteht, wie dies beispielsweise bei einer Bankbürgschaft der Fall wäre. Die Lieferung von Waren, wie Baumaterialien, kann über die Vereinbarung von (verlängerten) Eigentumsvorbehalten und entsprechenden Herstellerklauseln abgesichert werden. In Mietverhältnissen sollten Mietsicherheiten bei Vertragsschluss gewährt und in voller Höhe geleistet werden. Bei sämtlichen Sicherungsrechten kommt es darauf an, dass diese nicht erst in der Krise des Geschäftspartners gestellt werden, sondern bereits bei Vertragsschluss. Denn andernfalls besteht das Risiko, dass auch die Bestellung der Sicherheit vom späteren Insolvenzverwalter angefochten wird.

Damit eine Verwertung von Sicherheiten im besten Fall nicht notwendig wird, ist es wichtig, mit Geschäftspartnern im Gespräch zu bleiben, um Krisen frühzeitig erkennen und geeignete Gegenmaßnahmen ergreifen zu können, die die Vertragsbeziehung langfristig auf ein solides Fundament stellen. Die derzeit bestehenden Lieferschwierigkeiten sowie die aktuelle Baustoffknappheit und der Fachkräftemangel können dazu führen, dass sich Projekte stark verzögern und ihre Finanzierung in Gefahr gerät. Eine frühzeitige Ansprache aller relevanten Gläubiger kann dazu beitragen, eine Anpassung des Zeitplans unter gleichzeitiger Sicherung der Finanzierung zu erreichen, die im Interesse aller Beteiligten liegt.

Prüfung der vertraglichen und gesetzlichen Möglichkeiten zur Lösung vom Vertrag

Stellt sich allerdings heraus, dass ein Festhalten am Vertrag unter den gegebenen Umständen nicht mehr lohnenswert ist, so kommt es darauf an, welche Möglichkeiten bestehen, sich vom Vertrag zu lösen. Auch wenn grundsätzlich sämtliche vertraglichen und gesetzlichen Lösungsmöglichkeiten von der Insolvenz des Geschäftspartners unberührt bleiben, so gibt es dennoch Ausnahmen.

Das Gesetz sieht beispielsweise in § 112 InsO eine Kündigungssperre für Vermieter oder Verpächter vor. In der Insolvenz des Mieters oder Pächters kann demnach eine Kündigung nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht mehr auf eine Vermögensverschlechterung oder auf Zahlungsverzug aus der Zeit vor der Insolvenzantragstellung gestützt werden. Alle anderen Kündigungsrechte bleiben jedoch unberührt. Insbesondere ist eine Kündigung aus den genannten Gründen vor Insolvenzantragstellung möglich.

Auch insolvenzabhängige Lösungsklauseln, d.h. Kündigungs- oder Beendigungsrechte für den Fall der Insolvenz, wurden bislang häufig gemäß § 119 InsO als unwirksam eingestuft. Diese Klauseln hat die Rechtsprechung nun jedoch erneut auf den Prüfstand gestellt. Der BGH stellte klar, dass diese Klauseln im Einzelfall wirksam sein können, wenn im Zeitpunkt der Vereinbarung unter Berücksichtigung der Parteiinteressen berechtigte Gründe für eine insolvenzabhängige Lösungsmöglichkeit bestanden. Dazu zählen beispielsweise ein besonderes Interesse an der Zuverlässigkeit der Leistungserbringung oder der drohende Verlust von Gewährleistungsansprüchen. Reine Geldleistungsgläubiger sind hingegen über das Zurückbehaltungsrecht nach § 320 BGB ausreichend geschützt, sodass insolvenzabhängige Lösungsklauseln zu ihren Gunsten regelmäßig unwirksam sind.

Übertragen auf die Immobilienbranche bedeutet dies, dass insolvenzabhängige Lösungsklauseln zugunsten eines Vermieters oder Verpächters wegen der gesetzlichen Kündigungssperre des § 112 InsO in der Regel unwirksam sind. Anders beurteilt sich dies bei Werkverträgen sowie Bau-, Architekten- und Ingenieurverträgen. Hier sieht bereits das Gesetz nach § 648 BGB ein jederzeitiges Kündigungsrecht des Bestellers vor. Ähnliches gilt für Bauverträge, auf die § 8 VOB/B Anwendung findet. Dass bei diesen Verträgen regelmäßig ein besonderes Interesse des Bestellers an der Zuverlässigkeit der Leistungserbringung besteht, spricht zusätzlich für eine Wirksamkeit insolvenzabhängiger Lösungsklauseln in diesen Verträgen.

Frühzeitiges Tätigwerden als entscheidender Erfolgsfaktor

Die Immobilienbranche steht vor großen Anstrengungen, um die aktuellen Krisen zu bewältigen. Ein entscheidender Erfolgsfaktor ist dabei, frühzeitig die finanzielle Situation von Geschäftspartnern im Blick zu behalten, um eine rechtzeitige Reaktion zu ermöglichen und einen Domino-Effekt in der Immobilienbranche zu verhindern.

Die Vertragsbeziehungen mit wichtigen Geschäftspartnern sollten daher regelmäßig überwacht werden. Dazu gehört die Einhaltung vertraglicher Fristen zu Projektfortschritten, aber auch von (möglichst kurzen) Zahlungszielen. Sicherheiten sollten bei Vertragsschluss vereinbart und gewährt werden. Mit entsprechendem Vorlauf und Absicherung können auch Anpassungen des Zahlungs- oder Projektzeitplans vereinbart werden.

Stellt sich heraus, dass der Vertrag angesichts der (drohenden) Insolvenz des Geschäftspartners und der damit verbundenen Risiken nicht wirtschaftlich fortgeführt werden kann, können insolvenzabhängige Lösungsklauseln ein probates Mittel bieten, sich vom Vertrag zu lösen und sich anderweitig zu orientieren.

* Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Um der leichteren Lesbarkeit willen wird im Beitrag die grammatikalisch männliche Form verwendet.

Tags: Geschäftspartner Immobilienkrise Restrukturierung und Insolvenz