Im Falle der Insolvenz eines Kunden ist eine schnelle Reaktion des Vertragspartners gefragt, um Schaden zu verhindern und die Vertragsbeziehung aufrechtzuerhalten.
In der derzeit wirtschaftlich stürmischen Zeit sind Unternehmen vor zahlreiche Herausforderungen gestellt. Oftmals trifft es dabei auch Unternehmen, die sich selbst noch gar nicht in einer wirtschaftlichen Krise befinden – nämlich dann, wenn ihre Vertragspartner insolvent werden.
Dies ist vor allem innerhalb von Lieferketten, wie sie beispielsweise häufig im Bereich Automotive vorkommen, relevant, wenn ein gewisses Abhängigkeitsverhältnis zwischen den einzelnen Lieferanten besteht.
Insolvenz beim Kunden verhindert nicht zwingend die Fortsetzung der Vertragsbeziehung innerhalb einer Lieferkette
Im Rahmen einer Lieferkette stellt sich die grundsätzliche Frage, ob die Fortsetzung der Vertragsbeziehung bei Insolvenz eines Vertragspartners möglich ist. Dies betrifft vor allem Lieferketten, bei denen ein starkes Abhängigkeitsverhältnis zwischen den einzelnen Lieferanten besteht. Wenn also beispielsweise Spezialwerkzeuge oder -bauteile verkauft werden, für die es nur einen sehr kleinen Markt und daher kaum andere Abnehmer gibt.
Nicht in jedem Fall ist die Insolvenz mit der Einstellung des Geschäftsbetriebs und der Liquidation der Gesellschaft gleichzusetzen. Aus Sicht des Insolvenzverwalters kann es oftmals lohnenswerter sein, ein Unternehmen zu sanieren und gewinnbringend zu verkaufen. In diesem Fall hat auch der Insolvenzverwalter ein großes Interesse daran, wertvolle Geschäftsbeziehungen aufrechtzuerhalten und die Weiterbelieferung sicherzustellen.
Gerät ein Unternehmen in die Insolvenz, so gelten in Bezug auf Vertragsbeziehungen Sonderregelungen. Der Insolvenzverwalter hat das Erfüllungswahlrecht bezüglich noch nicht vollständig erfüllter Verträge. Er kann demnach frei entscheiden, ob er die Erfüllung oder Nichterfüllung des Vertrages wählt. Für bestimmte Verträge, wie beispielsweise Miet- oder Pachtverträge, hat er ein Sonderkündigungsrecht. Von diesen Rechten wird der Insolvenzverwalter im Interesse der Gesamtgläubigerschaft allerdings nur dann Gebrauch machen, wenn eine Sanierung ausgeschlossen oder die Aufrechterhaltung der jeweiligen Vertragsbeziehung für die Insolvenzmasse nachteilig ist.
Als Vertragspartner eines insolventen Unternehmens sollte daher schnellstmöglich mit dem Insolvenzverwalter Kontakt aufgenommen werden, um die künftige Ausgestaltung der Vertragsbeziehung zu erörtern. Bestehen gute Aussichten auf eine Sanierung des Unternehmens, kann es sich aus wirtschaftlicher Sicht durchaus lohnen, veränderte Bedingungen zu akzeptieren, um eine langfristige Aufrechterhaltung der Vertragsbeziehung zu ermöglichen.
Bezahlung von offenen Rechnungen kann von Einordnung als Insolvenzforderung oder Masseverbindlichkeit abhängen
Aus Sicht des Vertragspartners besonders relevant ist die Frage, ob ausstehende Rechnungen bezahlt werden. Hier ist grundsätzlich zwischen Forderungen, die vor und nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sind, zu unterscheiden.
Unbezahlte Forderungen gegen den insolventen Kunden, die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sind, sind in der Regel bloße Insolvenzforderungen. Sie werden nach Abschluss des Verfahrens in Höhe der Insolvenzquote erfüllt. Etwas anderes gilt ausnahmsweise nur dann, wenn der Insolvenzverwalter bereits im Insolvenzeröffnungsverfahren gerichtlich ermächtigt war, Masseverbindlichkeiten zu begründen und von dieser Ermächtigung auch Gebrauch gemacht hat.
Unbezahlte Forderungen gegen den insolventen Kunden, die nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens beispielsweise durch Bestellungen des Insolvenzverwalters entstanden sind, sind Masseverbindlichkeiten. Sie werden vom Insolvenzverwalter in der Regel sofort und in voller Höhe aus der Insolvenzmasse bezahlt. Wählt der Insolvenzverwalter nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens bei noch nicht vollständig erfüllten, gegenseitigen Verträgen Erfüllung, so sind die aus der Vertragsbeziehung resultierenden Forderungen (je nach Vertragsart) in der Regel ebenfalls als Masseverbindlichkeiten einzustufen.
Schutz vor Insolvenzanfechtung durch Einhaltung des Bargeschäftsprivilegs
Um sich selbst vor einer finanziellen Krise zu schützen, ist es für den Vertragspartner entscheidend, ob er bereits erhaltene Zahlungen behalten darf. Im Rahmen der Insolvenz eines Kunden besteht häufig die große Gefahr der Insolvenzanfechtung. Diese ermöglicht es dem Insolvenzverwalter, bereits erhaltene Zahlungen anzufechten und so zur Masse „zurückzuholen″, ohne dass der Vertragspartner seine Gegenleistung zurückerhält.
Die Gefahr der Insolvenzanfechtung lässt sich nur schwer minimieren, da die finanziellen Schwierigkeiten des Kunden bereits im Vorfeld der Insolvenz häufig bekannt sind. Das Anfechtungsrisiko wird umso höher, je näher die Zahlung an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens lag.
Eine Möglichkeit, das Risiko der Insolvenzanfechtung zu reduzieren, ist die Einhaltung des sogenannten „Bargeschäftsprivilegs″ gem. § 142 InsO. Demnach ist eine Anfechtung nahezu ausgeschlossen, wenn Leistung und Gegenleistung gleichwertig sind und unmittelbar, das heißt in einem engen zeitlichen Rahmen, ausgetauscht wurden. Die Rechtsprechung hat bisher einen maximalen Zeitraum von 30 Tagen zwischen Leistung und Gegenleistung als „unmittelbar″ eingestuft.
Anzeige von Sicherungsrechten
Da Lieferanten in der Regel Sicherungsrechte vereinbaren, um ihre Forderungen abzusichern, muss geklärt werden, was in der Insolvenz des Kunden mit diesen Sicherungsrechten passiert. Grundsätzlich gilt: Wirksam vereinbarte Sicherungsrechte bleiben auch in der Insolvenz des Vertragspartners erhalten. Ihre Durchsetzung richtet sich dann allerdings nach den Vorschriften der Insolvenzordnung.
Das wohl häufigste Sicherungsmittel im Rahmen von Lieferketten ist der verlängerte Eigentumsvorbehalt. Wurde dieser wirksam vereinbart und befindet sich die Sache noch im Vermögen des Kunden, so muss der Insolvenzverwalter die Sache grundsätzlich herausgeben, da der Lieferant ein Aussonderungsrecht geltend machen kann. Ist die Sache – was weit häufiger der Fall sein dürfte – bereits weiterverkauft, so hat der Lieferant ein Absonderungsrecht bezüglich der abgetretenen Forderungen. Diese Forderungen werden dann vom Insolvenzverwalter eingezogen und nach Abzug des Kostenbeitrags an den Lieferanten ausgezahlt.
Da sich der Insolvenzverwalter nach seiner Bestellung zunächst in die Unterlagen einarbeiten muss und die vorgefundene Dokumentenlage häufig nicht dem Idealbild entspricht, ist es empfehlenswert, bestehende Sicherungsrechte dem Insolvenzverwalter gegenüber anzuzeigen. So kann verhindert werden, dass der Insolvenzverwalter trotz bestehender (ihm unbekannter) Sicherungsrechte Gegenstände verwertet oder aus der Insolvenzmasse freigibt.
Klare Empfehlung bei Insolvenz eines Kunden: Kontaktaufnahme mit dem Insolvenzverwalter
Aus Sicht des Vertragspartners ist es im Falle der Insolvenz eines Kunden aus den oben genannten Gründen in jedem Fall empfehlenswert, mit dem Insolvenzverwalter Kontakt aufzunehmen. So kann erörtert werden, ob eine Aufrechterhaltung der Geschäftsbeziehung im Interesse beider Parteien gewollt ist und welche wirtschaftlichen und rechtlichen Anpassungen hierzu erfolgen müssen.
Unsere Beitragsreihe informiert rund um die Restrukturierung eines Unternehmens innerhalb und außerhalb einer Insolvenz. Lassen Sie sich keinen Beitrag entgehen und informieren Sie sich bei uns über die wesentlichen Aspekte! Den Auftakt machte eine Einführung in die Unternehmensinsolvenz und -restrukturierung. In den folgenden Beiträgen beleuchteten wir die Haftung von Geschäftsführern bei Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung sowie das Insolvenzgeld und die Insolvenzgeldvorfinanzierung in der Praxis. Des Weiteren widmeten wir uns der Reform zum neuen Insolvenzanfechtungsrecht, der Insolvenzantragspflicht und den Insolvenzgründen für Unternehmen. Anschließend berichteten wir über die Entscheidung des EuGH zum Beihilfecharakter der Sanierungsklausel sowie die Vorverlagerung des Zeitpunkts der Zahlungsunfähigkeit. Daraufhin setzten wir uns mit dem Ablauf des Insolvenzantrags und des Insolvenzeröffnungsverfahrens und dem Insolvenzantrag durch Gläubiger auseinander. Danach wurde die Insolvenzforderung vs. Masseforderung, Verkürzung des Schutzes durch D&O – Versicherungen und Forderungen und Gesellschafterdarlehen in der Insolvenz betrachtet. Weiter erschienen Beiträge zum Insolvenzantrag bei drohender Zahlungsunfähigkeit – Entmachtung des Gesellschafters oder Haftungsfalle für die Geschäftsführung, zu Gläubigerrechten in der Krise oder Insolvenz des Schuldners, zu Gläubigerausschuss und Gläubigerversammlung sowie zu Pensionsansprüchen des beherrschenden GmbH-Gesellschafter-Geschäftsführers in der GmbH-Insolvenz. Es folgten Beiträge zum Schutz vor der Insolvenzanfechtung durch Bargeschäfte und der Steuerfreiheit für Sanierungsgewinne. Anschließend erschien ein Beitrag zum Wahlrecht des Insolvenzverwalters sowie Beiträge zum fehlenden Fiskusprivileg in der vorläufigen Eigenverwaltung, der ESUG Evaluation und zur Mindestbesteuerung in der Insolvenz. Auch erschienen Beiträge zur Aufrechnung in der Insolvenz, zu Aus- und Absonderungsrechten und zum Insolvenzplanverfahren sowie zum Lieferantenpool. Weiter haben wir zu Folgen und Wirkungen der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, über das Konzerninsolvenzrecht und die Treuepflichten in der Krise sowie Cash Pooling als Finanzierungsinstrument im Konzern berichtet. Zuletzt klärten wir über die Haftung von Geschäftsführern und Vorständen für Zahlungen in der Krise, über das französische Insolvenzverfahren, die Procédure de Sauvegarde und Sauvegarde financière accélérée, sowie die Forderungsanmeldung und Haftung von Geschäftsleitern für Verletzungen von Steuerpflichten auf. Ebenfalls zeigen wir die Grundlagen von Sanierungskonzepten und Sanierungsgutachten auf und gehen auf das Verhältnis von Kurzarbeiter- und Insolvenzgeld ein.