29. Juni 2011
BGH
Kartellrecht

Der BGH und das Selbstdurchschreibepapierkartell

Wie wir schon berichtet haben,  war es eine bislang im deutschen Recht nicht abschließend geklärte Frage, ob der wegen eines Kartellrechtsverstoßes in Anspruch Genommene seinem Gegner mit Erfolg den sogenannten pass-on-Einwand entgegen halten kann. Daran schließt sich die ebenfalls nicht abschließend geklärte Frage an, ob – im Falle einer Weiterwälzung des Schadens durch den direkten Abnehmer auf seine Kunden – letztere auch Schadensersatzansprüche gegen die Kartellmitglieder geltend machen können (sogenannter aktiver pass-on). Hierzu hat Karlsruhe (BGH-Urteil vom 28. Juni 2011 – KZR 75/10) jetzt endlich gesprochen:

Ein Mitglied des so genannten Selbstdurchschreibepapierkartells war aus abgetretenem Recht eines Druckereiunternehmens auf Schadensersatz in Anspruch genommen worden. Dabei war das Druckereiunternehmen nicht direkt von dem beklagten Hersteller von Selbstdurchschreibepapier beliefert worden, sondern über Großhändler.

Der BGH kam zu dem Ergebnis, dass auch mittelbar Geschädigte die Kartellmitglieder auf Schadensersatz in Anspruch nehmen können. Er stützte sich dabei – wie zuletzt des Oberlandesgericht Düsseldorf (Urteil vom 22.12.2010, Az. VI-2 U (Kart) 34/09, wir berichteten) – auf die Entscheidung des EuGH in der Sache Courage (EuGH, Urteil vom 20.09.2001, C-453/99 – Courage).

In diesem Zusammenhang entschied der Bundesgerichtshof auch, dass die in Anspruch genommenen Kartellmitglieder grundsätzlich berechtigt sind, einem Schadensersatz begehrenden Abnehmer entgegen zu halten, dass dieser den durch die kartellbedingt überhöhten Preise entstandenen Schaden an seine eigenen Kunden weitergegeben hat (sog. pass-on defence).

Damit sind die beiden oben genannten Fragen höchstrichterlich entschieden. Es bleibt offen, unter welchen Voraussetzungen tatsächlich von einem pass-on auszugehen ist (vgl. dazu den Entwurf eines Leitfadens der Europäischen Kommission zur Quantifizierung des Schadens in Schadensersatzklagen wegen Verletzung des Artikels 101 oder 102 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union, und für einen Spezialfall: OLG Düsseldorf, Urteil vom 22.12.2010, Az. VI-2 U (Kart) 34/09).

Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang noch, dass der Bundesgerichtshof in seiner Pressemitteilung von heute auch festhält, dass seine aktuelle Rechtsprechung zwar die Rechtslage vor Inkrafttreten der 7. GWB-Novelle 2005 betrifft. Die rechtlichen Feststellungen sollen jedoch auch für die aktuelle Rechtslage von Bedeutung sein. Diese sieht in § 33 Abs. 3 S. 2 GWB vor. „Wird eine Ware oder Dienstleistung zu einem überteuerten Preis be-zogen, so ist der Schaden nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Ware oder die Dienstleistung weiterveräußert wurde.″ Dies ist allerdings zurecht so verstanden worden, dass der Gesetzgeber die Entscheidung darüber, ob der pass-on-Einwand zu akzeptieren ist, auf die Rechtsprechung weitergewälzt hat.

Tags: BGH Courage EuGH Kartellrecht KZR 75/10 pass-on private enforcement Rechtsprechung Schadensersatzklage Schadensweiterwälzung VI-2 U (Kart) 34/09