3. Februar 2022
Betriebsschließungsversicherung
Real Estate

BGH: Kein Schutz durch Betriebsschließungsversicherung in der COVID-19-Pandemie

Versicherungen müssen für coronabedingte Betriebsschließungen nicht aufkommen, wenn COVID-19 in den Vertragsbedingungen nicht ausdrücklich erwähnt wird.

Am 26. Januar 2022 hat der BGH erstmals dazu entschieden, ob Betriebsschließungsversicherungen für Einnahme-Ausfälle während des coronabedingten Lockdowns zu bezahlen haben (Az. IV ZR 144/21). 

Hintergrund der BGH-Entscheidung war die Klage eines Gastronomen, der sein Restaurant im März 2020 aufgrund der behördlich angeordneten Betriebsschließung zur Eindämmung des Coronavirus schließen musste. Der Gastronom begehrte die Feststellung, dass der beklagte Versicherer verpflichtet sei, ihm aufgrund der Schließung seines Restaurants eine Entschädigung aus der Betriebsschließungsversicherung zu zahlen. Der Versicherer lehnte eine Zahlungspflicht unter Verweis auf die Versicherungsbedingungen ab. 

In den vereinbarten „Zusatzbedingungen für die Versicherung von Betrieben gegen Schäden aufgrund behördlicher Anordnung nach dem Infektionsschutzgesetz (Betriebsschließung) – 2008 (ZBSV 08)“ ist eine Zahlungspflicht des Versicherers für den Fall behördlich angeordneter Betriebsschließungen auf Grundlage des Infektionsschutzgesetzes zwar grundsätzlich vorgesehen – jedoch nur bei Auftreten der sodann im Einzelnen aufgelisteten meldepflichtigen Krankheiten und Krankheitserreger. Das neuartige Coronavirus ist in dieser Aufzählung naturgemäß nicht enthalten. Aus diesem Grund lehnten die Vorinstanzen die Klage allesamt ab.

Aufzählung von versicherten Krankheiten ist abschließend: Betriebsschließungsversicherung greift nicht bei COVID-19

Auch beim BGH blieb die Klage des Gastronomen erfolglos: Das Coronavirus werde von der einschlägigen Regelung in den Versicherungsbedingungen nicht erfasst. Die umfangreiche Auflistung von rund 50 meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserregern in den Versicherungsbedingungen sei aus der Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers* abschließend zu verstehen. Versicherungsschutz bestehe daher nur für die aufgelisteten Krankheiten. 

Der durchschnittliche Versicherungsnehmer könne nicht davon ausgehen, der Versicherer würde auch für nicht im Katalog aufgeführte Krankheiten und Krankheitserreger die Deckung übernehmen wollen. Dies gelte insbesondere für Krankheiten und Krankheitserreger, die gegebenenfalls erst Jahre nach Vertragsschluss auftreten und bei denen für den Versicherer wegen der Unklarheit des Haftungsrisikos keine sachgerechte Prämienkalkulation möglich sei.

Kein Verstoß gegen AGB-Recht

Die Versicherungsbedingungen seien – so der BGH – auch nicht intransparent, sondern mit dem AGB-Recht vereinbar. Dem Versicherungsnehmer werde durch die abschließende Aufzählung der Krankheiten und Krankheitserreger nicht der Eindruck vermittelt, dass jede Betriebsschließung auf der Grundlage des Infektionsschutzgesetzes vom Versicherungsschutz erfasst sei. 

Entscheidung zur Betriebsschließungsversicherung hat weitreichende Wirkung

Versicherungsbedingungen mit einer ausdrücklichen Aufzählung der versicherten Krankheiten und Krankheitserreger sind marktüblich und weit verbreitet. Vor diesem Hintergrund wird die Entscheidung des BGH, auch wenn sie sich vorliegend nur auf einen Einzelfall bezieht, weitreichende Wirkung haben. Zahlreiche Unternehmen, die von coronabedingten Betriebsschließungen betroffen waren und auf eine Entschädigung durch ihren Versicherer gehofft haben, werden nach dieser Entscheidung keine Versicherungsansprüche realisieren können. Dies gilt zumindest für solche Versicherungen, die in ihren Versicherungsbedingungen eine detaillierte und abschließende Liste der versicherten Krankheiten und Krankheitserreger enthalten haben.

Auch gewerbliche Vermieter dürften die Entscheidung des BGH zur Einstandspflicht der Versicherer in der COVID-19-Pandemie mit großem Interesse verfolgt haben. Erst zwei Wochen vorher hat der BGH entschieden, dass bei der nach § 313 Abs. 1 BGB gebotenen Abwägung zur Bestimmung einer etwaigen Mietanpassung auch zu berücksichtigen ist, ob und in welchem Umfang der Mieter Leistungen aus seiner Betriebsversicherung erhalten hat oder hätte erhalten können. Nach dem heutigen Urteil dürfte dieser Gesichtspunkt – zum Ärgernis der gewerblichen Vermieter – an Bedeutung verloren haben.  

*Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Lediglich der leichteren Lesbarkeit halber wird künftig bei allen Bezeichnungen nur noch die grammatikalisch männliche Form verwendet.

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