26. Juni 2020
Unternehmenskauf Insolvenzverwalter
Distressed M&A im Automobilbereich Restrukturierung und Insolvenz

Kauf vom Insolvenzverwalter – Lohnt sich das?

Wer vom Insolvenzverwalter ein Unternehmen kauft, erhofft sich nicht selten ein Schnäppchen zu ergattern. So ein Kauf bringt Chancen und Risiken mit sich.

Die Aufgabe des Insolvenzverwalters ist die bestmögliche Verwertung des Vermögens des insolventen Schuldners. Meist erfüllt der Insolvenzverwalter diese Aufgabe am besten, wenn es ihm gelingt, das insolvente Unternehmen möglichst im Ganzen zu verkaufen. Bei solch einem Verkauf lässt sich in der Regel ein deutlich höherer Kaufpreis erzielen, als bei einer Zerstückelung einzelner Betriebe oder gar einer Zerschlagung des gesamten Unternehmens.

Daher prüft der Insolvenzverwalter frühzeitig – in der Regel bereits im vorläufigen Insolvenzverfahren – die Verwertungsoptionen und startet einen M&A-Prozess.

Hoher Zeitdruck im Vergleich zu „gewöhnlichen″ M&A-Deals

Kernstück eines professionellen M&A-Deals ist die Due Diligence. Bei ihr werden Risiken des Targets identifiziert, die dann im Rahmen des Unternehmenskaufvertrags mittels eines Garantienkatalogs abgesichert werden. Der gewöhnliche Prozess des Unternehmenskaufs dauert in der Regel zwischen sechs und neun Monaten.

Bei einem Kauf aus der Insolvenz muss dieser Prozess deutlich schneller durchlaufen werden. Insolvenzverwalter und Kaufinteressenten haben üblicherweise maximal drei Monate Zeit, die Due Diligence durchzuführen und die Vertragsverhandlungen abzuschließen. Der Zeitdruck resultiert daraus, dass eine Fortführung des Betriebs im vorläufigen Insolvenzverfahren vom Gesetzgeber intendiert ist (vgl. § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 InsO) und durch die Finanzierung der Löhne und Gehälter durch das Insolvenzgeld begünstigt wird, ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens aber zum Schutz der Insolvenzmasse nur erfolgen kann, wenn keine Verluste erzielt werden. Da insolvente Unternehmen häufig defizitär arbeiten, drängt die Zeit zur Veräußerung nach Insolvenzverfahrenseröffnung.

Keine Übernahme von „Altlasten″

Hohe Verbindlichkeiten (z. B. aus Mietverträgen mit ungünstigen Konditionen) sind häufig mitursächlich für die Insolvenz eines Unternehmens. Erwirbt der Kaufinteressent vom Insolvenzverwalter nur die Vermögenswerte (sog. Asset-Deal oder auch übertragende Sanierung), kann er solche Altlasten des Unternehmens abstreifen. Die Verbindlichkeiten bleiben zurück und werden durch den Verkaufserlös – und übrige Verwertungserlöse – (meist nur zu einem Bruchteil) befriedigt.

Der Käufer kann Vertragsverhältnisse neu verhandeln und den Betrieb neu strukturieren. Er haftet für die Altverbindlichkeiten nicht nach § 25 HGB, auch wenn er die Firma fortführt. Darüber hinaus muss er nicht befürchten, für Unternehmenssteuern in Haftung genommen zu werden (§ 75 Abs. 2 HGB).

Sogar der sonst sehr streng reglementierte Abbau von Mitarbeitern ist in der Insolvenz erleichtert. So kann der Insolvenzverwalter betriebsbedingte Kündigungen mit der verkürzten Kündigungsfrist von maximal drei Monaten aussprechen. Begründen kann er diese beispielsweise damit, dass die Arbeitsplätze nach dem Konzept des neuen Erwerbers wegfallen. Auch sind Abfindungen gedeckelt.

Schlummernde Risiken und keine Garantien beim Unternehmenskauf vom Insolvenzverwalter

Der bei dem Kauf aus der Insolvenz vorliegende Zeitdruck und die dem Insolvenzverwalter regelmäßig nur beschränkt vorliegenden Informationen führen dazu, dass die Due Dilligence nicht mit der gewöhnlichen Sorgfalt und Tiefe durchgeführt werden kann. Es können daher kaum alle Risiken identifiziert und umfassend bewertet werden. Im Rahmen „gewöhnlicher″ M&A-Deals werden Risiken zumeist über Garantien des Verkäufers abgesichert, die bei Realisierung der Risiken zu einer Kaufpreisanpassung führen.

Ein Insolvenzverwalter verkauft das Unternehmen allerdings zum „Festpreis″. Optionen zur nachträglichen Kaufpreisanpassung enthalten Unternehmenskaufverträge mit Insolvenzverwaltern praktisch nicht. Dies liegt daran, dass der Insolvenzverwalter das Unternehmen im Interesse der Gläubiger verkauft und sicherstellen muss, dass der Verwertungserlös wenigstens den Zerschlagungswert übersteigt. Gibt er Garantien für Risiken, die er meist selbst nicht kennt und bewerten kann, würde er Gefahr laufen, dass der Kaufpreis im Nachhinein erheblich geschmälert wird und sich unter Umständen dem Risiko persönlicher Haftung aussetzen.

Kaufinteressenten müssen daher bekannte und unbekannte Risiken bereits im Kaufangebot einpreisen.

Achtung: Erhöhte Risiken beim Kauf vor Insolvenzverfahrenseröffnung

Von den genannten Chancen profitiert der Käufer nur, wenn er das Unternehmen vom Insolvenzverwalter, also nach der Insolvenzverfahrenseröffnung, erwirbt. Die Vorteile genießt er nicht, wenn er den Unternehmenskaufvertrag mit dem vorläufigen Insolvenzverwalter abschließt, der nach Insolvenzantragstellung vom Insolvenzgericht zur Sicherung des schuldnerischen Vermögens eingesetzt wird.

Im Gegenteil birgt ein solcher Kauf erhebliche Haftungs- und Insolvenzanfechtungsrisiken.

Nach dem Auftakt zu unserer Blog-Serie „Distressed M&A im Automobilbereich“ haben wir anschließen gezeigt, warum der wesentliche Teil des Kapitals nicht vom Neu- an den Altgesellschafter fließt. Anschließend folgten unsere Beiträge zur Gesellschaftervereinbarung zum Interessenausgleich zwischen Altgesellschafter und Investor und mit einem insolvenzrechtlichen Blick auf Unternehmenskäufe. Zuletzt haben wir uns mit dem Schutzschirmverfahren und Insolvenzplan und dem Earn-out bei Distressed M&A befasst.

Tags: Insolvenzverwalter M&A-Deal Unternehmenskauf