17. Februar 2022
Geografische Angabe Erzeugnis
EU Action Plan IP

Geografische Angaben: Neues Schutzsystem für gewerbliche und handwerkliche Erzeugnisse in der EU

Im EU Action Plan IP stellt die EU-Kommission u.a. einen einheitlichen Schutz geografischer Herkunftsangaben in den Fokus.

Der Schutz geografischer Herkunftsangaben gewinnt weiter an Bedeutung. Gefordert wird auch ein einheitlicher Rechtsrahmen für gewerbliche und handwerkliche Qualitätserzeugnisse. Orientierungshilfe bietet das bestehende Modell für landwirtschaftliche Erzeugnisse und Lebensmittel.

Bayerisches Bier, Aachener Printen, Thüringer Rostbratwurst oder Allgäuer Bergkäse: Bestimmte Lebensmittel und Agrarprodukte können als geografische Herkunftsangaben geschützt werden. Dabei handelt es sich um ein europaweites Schutzrecht, mit dem Nachahmungen wirksam bekämpft werden können. Rechtliche Grundlage ist die EU-Verordnung Nr. 1151/2012 mit den deutschen Ausführungsbestimmungen in §§ 130–136 MarkenG.

Gewerbliche oder handwerkliche Erzeugnisse wie Holzkunst aus dem Erzgebirge, Schneidwaren aus Solingen oder Plauener Spitze sind derzeit von dem Schutz geografischer Angaben nicht erfasst. Dies soll sich nun ändern: Da solche Erzeugnisse einen Teil der lokalen Identität darstellen, hat sich die EU-Kommission mit dem im November 2020 veröffentlichten EU Action Plan IP die Verbesserung des Schutzes geografischer Angaben zum Ziel gesetzt und möchte Möglichkeiten zur Stärkung, Modernisierung, Rationalisierung und Durchsetzbarkeit des Schutzes geografischer Angaben für landwirtschaftliche Erzeugnisse identifizieren. 

In dem EU Action Plan IP kritisiert die EU-Kommission (EU Action Plan IP Punkt 2): 

Nur einige Mitgliedstaaten verfügen derzeit über Vorschriften zum Schutz geografischer Angaben für nichtlandwirtschaftliche Erzeugnisse (wie z. B. Kunsthandwerk). Auf EU-Ebene gibt es derzeit keinen einheitlichen Mechanismus für den Schutz derartiger nichtlandwirtschaftlicher geografischer Angaben, die häufig ein wichtiger Teil der lokalen Identität sind, den Tourismus beleben, einzigartige Fertigkeiten bewahren helfen und zur Schaffung von Arbeitsplätzen beitragen. 

Auch Kommunal- und Regionalpolitiker* fordern eine Ausdehnung des Schutzes. Das neue Schutzsystem soll sich hierbei an dem Modell für landwirtschaftliche Erzeugnisse und Lebensmittel orientieren.

Bisheriges Schutzsystem für landwirtschaftliche Erzeugnisse und Lebensmittel

Der Name eines Produkts, der sich auf ein bestimmtes geografisches Gebiet bezieht, ist als geschützte geografische Angabe (g.g.A.) schutzfähig, wenn eine bestimmte Qualität, das Ansehen oder ein anderes Merkmal dieses Erzeugnisses im Wesentlichen auf dessen geografischen Ursprung zurückzuführen ist. Schutzvoraussetzung ist im Kern der Zusammenhang zwischen den Eigenschaften des Produkts und dessen Herstellung im Herkunftsgebiet, wobei anders als bei der geschützten Ursprungsbezeichnung (g.U.) nur einer der Produktionsschritte – also Erzeugung, Verarbeitung oder Zubereitung – im Herkunftsgebiet stattgefunden haben muss. Mit g.g.A. gekennzeichnete Produkte besitzen damit eine spezifische Eigenschaft oder ein Ansehen, durch die oder das sie mit einer bestimmten Region verbunden werden.

Der Antrag auf Eintragung einer geografischen Angabe ist beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA)einzureichen. Die Prüfung erfolgt zweistufig, zunächst durch das DPMA und anschließend durch die Europäische Kommission, die letztlich auch die Eintragung vornimmt. Eingetragene geografische Angaben dürfen für Produkte, die nicht aus dem betreffenden Herkunftsgebiet stammen, nicht verwendet werden. Ein Verstoß kann nicht nur zivilrechtlich verfolgt werden, sondern ist u.U. auch strafbar.

In dem EU Action Plan IP setzte sich die EU-Kommission das Ziel, bis zum vierten Quartal des Jahres 2021 das Schutzsystem für geografische Angaben für landwirtschaftliche Erzeugnisse zu stärken, seine Wirksamkeit zu verbessern und darüber hinaus die Einführung eines Schutzsystems für nichtlandwirtschaftliche geografische Angaben auf EU-Ebene zu prüfen.

Hintergrund der Pläne der EU: Transparenz bei der Rückverfolgbarkeit der Erzeugnisse gefordert

Das Einkaufsverhalten der Verbraucher sowie die Beweggründe und die Motivation beim Kauf von Produkten haben sich in den letzten Jahren sehr verändert. Der Klimawandel und die COVID-19-Krise verstärken diesen Wandel. Gefordert wird daher eine bessere Transparenz bei der Rückverfolgbarkeit der Erzeugnisse. 

Viele Menschen kaufen bewusster und regionaler ein. Immer mehr Verbraucher achten auf die Wertigkeit der Produkte und sind zudem gewillt, für regionale Produkte mit Qualitätsmerkmalen und garantierter Herkunft mehr zu zahlen. Dem EU Action Plan IP zufolge machten bspw. im Jahr 2017 Lebensmittel und Getränke, deren Namen in der EU Schutz als geografische Angaben genießen, 7 % des Gesamtumsatzes der europäischen Lebensmittel- und Getränkeindustrie aus und erzielten in der EU einen Umsatz von EUR 74,76 Mrd. (EU Action Plan IP Punkt 2 mit Verweis auf die Study on economic value of EU quality schemes, geographical indications and traditional specialities guaranteed). 

Zudem wollen Regional- und EU-Politiker örtliche Handwerks- und Industriebetriebe fördern, indem sie den Schutz geografischer Angaben auf gewerbliche und handwerkliche Erzeugnisse erstrecken. Nach ihrer Vorstellung sollen herausragende lokale Erzeugnisse aus der EU, die in der ganzen Welt bekannt sind, geschützt werden, um die Anerkennung des lokalen Kulturerbes zu fördern. 

Ausweitung auf gewerbliche und handwerkliche Qualitätserzeugnisse 

Am 13. Oktober 2021 verabschiedete das Plenum des Europäischen Ausschusses der Regionen (AdR) eine Stellungnahme und forderte die Europäische Kommission auf, einen Rechtsrahmen für den Schutz gewerblicher und handwerklicher Erzeugnisse zu schaffen. Die Kommission soll nun einen konkreten Verordnungsentwurf erarbeiten und zur Beschlussfassung vorlegen.

Kommunal- und Regionalpolitiker betonen in ihrem Vorschlag, dass die fehlende Harmonisierung auf EU-Ebene im Bereich der geografischen Angaben für gewerbliche und handwerkliche Erzeugnisse zu einem Flickenteppich nationaler Rechtsinstrumente führe, was den Schutz von Produkten und Unternehmen schwäche.

Ein neues EU-Gütesiegel könnte demzufolge dazu beitragen, den rechtlichen Schutz von gewerblichen und handwerklichen Qualitätserzeugnissen sowie die regionale Vielfalt zu stärken. Die Kommission dürfte ihren Vorschlag für eine Verordnung bald vorlegen.

In der Datenbank der Europäischen Kommission eAmbrosia finden Sie alle derzeit geschützten geografischen Herkunftsangaben für landwirtschaftliche Erzeugnisse.

In unserer Blog-Serie zum EU Action Plan IP behandeln wir die in dem Action Plan identifizierten Themenschwerpunkte wie u.a. GeschäftsgeheimnisschutzBekämpfung von Produktpiraterie und Einsatz neuer Technologien zum Schutz von Geistigem Eigentum. Außerdem haben wir anlässlich des einjährigen Bestehens des EU Action Plans untersucht, welche von der EU-Kommission geplanten Zwischenschritte bereits umgesetzt wurden.

Tags: geografische Angabe gewerbliche Erzeugnisse Gewerblicher Rechtsschutz handwerkliche Erzeugnisse Rückverfolgbarkeit