27. März 2023
Missbrauchsaufsicht Energiepreisbremse
Herausforderungen der Energieversorgung

Missbrauchsaufsicht über die Energiepreisbremsen

Das Bundeskartellamt ist mit Einführung der Energiepreisbremsen für die Missbrauchsaufsicht über die Entlastungsregelungen zuständig.

Mit der sog. Strompreisbremse (§ 4 StromPBG) und der sog. Preisbremse für leitungsgebundenes Erdgas und Wärme (§§ 6, 7 und 14 EWPBG) für Letztverbraucher* mit einem Jahresverbrauch von mehr als 1,5 Mio. kWh finden seit 1. Januar 2023 die im Vorfeld viel diskutierten Entlastungsregelungen Anwendung. Ihnen folgte am 1. März 2023 die Preisbremse für leitungsgebundenes Erdgas und Wärme für Letztverbraucher mit einem Jahresverbrauch von bis zu 1,5 Mio. kWh (§§ 3 und 11 EWPBG).

Mit diesen Energiepreisbremsen wurde nicht nur eine Entlastungsmöglichkeit für Letztverbraucher eingeführt, sondern auch eine neue Zuständigkeit des Bundeskartellamtes geschaffen: die Missbrauchsaufsicht im Rahmen der genannten Energiepreisbremsen (§ 39 Abs. 2 StromPBG und § 27 Abs. 2 EWPBG).

Entlastung der Letztverbraucher durch Deckelung der von ihnen zu zahlenden Energiepreise

Ziel der Energiepreisbremsen ist es, die von stark gestiegenen Energiekosten betroffenen Letztverbraucher zu entlasten. Dazu werden die Preise für ein bestimmtes Kontingent an Strom, leitungsgebundenem Erdgas und Wärme (in der Regel 80 % des Vorjahresverbrauchs) gedeckelt. Für dieses Kontingent zahlt der Letztverbraucher nur den gesetzlich festgelegten und in der Höhe gedeckelten Preis pro kWh. 

Die Energieversorger erhalten eine entsprechende Ausgleichszahlung aus der Staatskasse, deren Höhe sich aus der Differenz zwischen dem vertraglich vereinbarten Arbeitspreis (Kosten für die individuell verbrauchte Energiemenge) und dem durch die jeweilige Energiepreisbremse gedeckelten Arbeitspreis ergibt.

Verbot des Missbrauchs der Entlastungsregelungen

Damit die Energieversorger nicht bspw. ihre Arbeitspreise für Strom, leitungsgebundenes Erdgas und Wärme erhöhen, um dadurch eine höhere staatliche Ausgleichszahlung zu erhalten, sehen die Energiepreisbremsengesetze jeweils ein Missbrauchsverbot vor (§ 39 Abs. 1 StromPBG und § 27 Abs. 1 EWPBG). Diese untersagen den Energieversorgern eine Preisgestaltung oder ein sonstiges Verhalten, das eine missbräuchliche Ausnutzung der oben beschriebenen Entlastungsregelungen darstellt. Dies bedeutet insbesondere, dass sie im Zeitraum vom 24. Dezember 2022 (Preisbremse für leitungsgebundenes Erdgas und Wärme; unabhängig davon, ob der Jahresverbrauch 1,5 Mio. kWh überschreitet oder nicht) bzw. 1. Januar 2023 (Strompreisbremse) bis vorerst 31. Dezember 2023 ihre Arbeitspreise nicht ohne sachliche Rechtfertigung erhöhen dürfen.

Ob sich die Energieversorger an diese Missbrauchsverbote halten, wird von der 11. Beschlussabteilung des Bundeskartellamtes kontrolliert. Mit dieser Zuständigkeit eröffnet sich für das Bundeskartellamt ein neues Aufgabenfeld, denn anders als sonst geht es hier nicht um den Schutz des Wettbewerbs, sondern vor allem um den Schutz der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler und darum, dass die Energieversorger staatliche Ausgleichszahlungen nicht missbräuchlich in Anspruch nehmen.

Erhöhte Beschaffungskosten oder regulatorische Kosten können sachlich rechtfertigend wirken

Die Preisgestaltung oder ein sonstiges Verhalten eines Energieversorgers kann sachlich gerechtfertigt sein, wenn die Beschaffungskosten oder die regulatorischen Kosten so stark gestiegen sind, dass der Energieversorger die Preise in dieser Art und Weise erhöhen musste. Der Nachweis der sachlichen Rechtfertigung obliegt grds. dem Energieversorger. Im Rahmen eines Bußgeldverfahrens muss das Bundeskartellamt jedoch nachweisen, dass die Preisgestaltung oder das sonstige Verhalten eines Energieversorgers sachlich nicht gerechtfertigt ist.

Besteht der Verdacht einer missbräuchlichen Ausnutzung der Entlastungsregelungen, kann das Bundeskartellamt von seinem Aufgreifermessen Gebrauch machen und prüfen, ob die Preise sachlich ungerechtfertigt erhöht wurden. Dabei werden auch Hinweise Dritter (z.B. eines Letztverbrauchers) auf mögliche Verstöße berücksichtigt. Eine Verpflichtung, aufgrund solcher Hinweise tätig zu werden, besteht jedoch nicht. Darüber hinaus führt die neue Zuständigkeit weder zu einer Zuständigkeit des Bundeskartellamtes für Widersprüche von Letztverbrauchern gegen Preiserhöhungen, noch wird eine allgemeine Preisaufsicht oder eine allgemeine Preisgenehmigung eingeführt.

Höhere Preise gegenüber Letztverbrauchern für sich genommen kein Indiz für einen Missbrauch

Wie das Bundeskartellamt im Einzelnen prüfen wird, ob ein Verstoß gegen die genannten Missbrauchsverbote vorliegt, steht noch nicht fest. Laut Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes, werden derzeit die Indizien festgelegt, anhand derer die Prüfung erfolgen soll, um die „schwarzen Schafe“ zu identifizieren. Dabei sollen nicht die Preise aller Energieversorger betrachtet werden, sondern es soll eine Beschränkung auf die Preise der Energieversorger erfolgen, die tatsächlich staatliche Ausgleichszahlungen im Rahmen der Energiepreisbremsen in Anspruch nehmen.

Ob ein missbräuchliches Verhalten vorliege, könne nicht allein anhand der Preise gegenüber Letztverbrauchern festgestellt werden. Vielmehr müsse ein genauer Blick auf die Beschaffungskosten und die regulatorischen Kosten geworfen werden. Das Bundeskartellamt wird also prüfen, ob diese Kosten so stark gestiegen sind, dass sie eine Preiserhöhung in der jeweiligen Art und Weise tragen. Dies ist nach den gesetzlichen Regelungen der Energiepreisbremsen bspw. nicht der Fall, wenn die gestiegenen Beschaffungskosten ursächlich auf einer Veräußerung von vor dem 25. November 2022 beschafften Energiemengen und einer teureren Wiederbeschaffung beruhen.

Auch aktuelle Preissenkungen im Strom- und Gasgroßhandel, die sich noch nicht in den Preisen gegenüber Letztverbrauchern niedergeschlagen haben, lassen nicht ohne weiteres auf ein missbräuchliches Verhalten schließen. Denn soweit die Energieversorger die heute eingesetzte Energie im Jahr 2022 beschafft haben, werden auch die damaligen, ggf. deutlich höheren Beschaffungskosten an die Letztverbraucher weitergegeben. Erst wenn die zu heutigen Preisen beschaffte Energie eingesetzt wird, könnten sich die niedrigeren Beschaffungskosten auswirken.

Bei Missbrauch drohen Rückzahlungsanordnungen, Abschöpfung sonstiger wirtschaftlicher Vorteile, Bußgelder etc.

Kommt das Bundeskartellamt zu dem Ergebnis, dass eine missbräuchliche Ausnutzung der oben beschriebenen Entlastungsregelungen vorliegt, kann es dem Energieversorger alle Maßnahmen aufgeben, die erforderlich sind, um die missbräuchliche Ausnutzung wirksam abzustellen. Insbesondere können die Rückzahlung der Ausgleichszahlungen sowie die Abschöpfung sonstiger wirtschaftlicher Vorteile des Energieversorgers angeordnet werden.

Stellt das Bundeskartellamt eine vorsätzliche oder fahrlässige Preisgestaltung oder ein sonstiges Verhalten fest, das eine missbräuchliche Ausnutzung der vorgenannten Entlastungsregelungen darstellt, liegt eine bußgeldbewehrte Ordnungswidrigkeit vor. Diese kann gegenüber den Verantwortlichen des Energieversorgers mit einer Geldbuße von bis zu EUR 1 Mio. geahndet werden. Gegenüber dem Energieversorger kann die Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße von bis zu 8 % des im letzten Geschäftsjahr erzielten Gesamtumsatzes geahndet werden (sofern der Gesamtumsatz des Energieversorgers EUR 12,5 Mio. übersteigt). Bei der Ermittlung des Gesamtumsatzes ist auf den weltweiten Umsatz aller natürlichen und juristischen Personen und Personenvereinigungen abzustellen, die als wirtschaftliche Einheit handeln.

Im Hinblick auf die möglichen Folgen eines Verstoßes gegen die Missbrauchsverbote dürfte den Energieversorgern an der Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben gelegen sein. Aus Sicht des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft e. V. ist die Einführung der Missbrauchsverbote die richtige Entscheidung. Wichtig ist, dass es den Energieversorgern weiterhin grds. möglich ist, stark gestiegene Beschaffungskosten und regulatorische Kosten an ihre Kunden weiterzugeben, und sie insoweit keine Gefährdung ihrer Liquidität befürchten müssen.

In unserer Blog-Serie zu den Herausforderungen der Energieversorgung sind bereits Beiträge erschienen zu Energiepreispauschale und Energiesparen am Arbeitsplatz, zu Blackouts und Brownouts sowie zu Entlastungen und Abschöpfungen. Weiter eingegangen sind wir auf das Dividendenverbot gem. StromPBG und EWPBG, den EU-Energiekrisenbeitrag zur Abschöpfung von Gewinnen und die Sicherung der Energieversorgung im Gewerbemietrecht. Zuletzt erschien eine Übersicht zu den arbeitsrechtlichen Aspekten der Energiepreisbremsen.

*Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Um der leichteren Lesbarkeit willen wird im Beitrag die grammatikalisch männliche Form verwendet.

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