4. Juni 2020
Immobilienbewertung
Immobilien in der Nachfolge Private Clients Steuerrecht

Immobilienbewertung im Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht

Was ist die geerbte Immobilie wert? Welcher Wert wird vom Finanzamt anerkannt? Grundlagen und Gestaltungen bei der steuerlichen Bewertung.

Immobilien sind nahezu in jeder Nachfolgeplanung relevant. Um solide in der Nachfolgeberatung zu gestalten, muss der Immobilie ein Wert beigemessen werden. Insbesondere bei lebzeitigen Übertragungen ist der Immobilienwert für die optimale Ausnutzung der persönlichen Freibeträge wichtig. Bewertungsfragen werden dabei oft stiefmütterlich behandelt oder in den Hintergrund gerückt – Zu Unrecht, da aufgrund der verschiedenen Bewertungsverfahren und deren unterschiedlicher Handhabung oftmals Gestaltungsraum besteht.

Welches Bewertungsverfahren ist für Immobilien im Rahmen einer Erbschaft oder Schenkung anwendbar?

Die Bewertung von Immobilien für erbschaft- und schenkungsteuerliche Zwecke richtet sich nach den im Bewertungsgesetz vorgegebenen Verfahren (§§ 176 ff. BewG). Welches Verfahren dabei zur Anwendung kommt, hängt von der Grundstücksart ab. Letztendlich sollen die unterschiedlichen Verfahren einen möglichst marktnahen, d.h. den tatsächlichen (gemeinen) Wert der Immobilie widerspiegeln (§ 177 BewG, R B 177 ErbStR 2019).

In der folgenden Übersicht sind die verschiedenen Verfahren dargestellt:

Grundstücksart Merkmal Vorrangiges Bewertungsverfahren Nachrangiges Bewertungsverfahren

Ein- und Zweifamilien-häuser

  • Wohngrundstücke mit bis zu zwei Wohnungen
  • Kein Wohnungseigentum
  • Überwiegende Nutzung zu Wohnzwecken
Vergleichswertverfahren

Sachwertverfahren
(wenn keine geeigneten Vergleichspreise vorliegen)

Mietwohn-grundstücke

  • Wohngrundstücke mit mehr als zwei abgeschlossenen Wohnungen
  • Nahezu ausschließliche Nutzung zu Wohnzwecken

Ertragswertverfahren

-

Wohnungs- und Teileigentum

  • Wohnungs- oder Teileigentum nach § 1 WEG

Vergleichswertverfahren

Sachwertverfahren
(wenn keine geeigneten Vergleichspreise vorliegen)

Geschäfts-grundstücke

  • Nahezu ausschließliche Nutzung zu eigenen oder fremden betrieblichen Zwecken
  • Kein Teileigentum nach § 1 WEG

Ertragswertverfahren

Sachwertverfahren
(wenn sich keine ortsübliche Miete ermitteln lässt)

Gemischt genutzte Grundstücke

  • Grundstücke, die teilweise zu eigenen oder fremden betrieblichen Zwecken und zu Wohnzwecken dienen

Ertragswertverfahren

Sachwertverfahren
(wenn sich keine ortsübliche Miete ermitteln lässt)

Sonstige bebaute Grundstücke

  • Auffangtatbestand für Grundstücke, die nicht den vorgenannten Grundstücksarten zuzuordnen sind

Sachwertverfahren

-

Quelle: in Anlehnung an R B 181. Abs. 1 ErbStR 2019

Immobilienbewertung im Vergleichswertverfahren

Nach Auffassung der Finanzverwaltung sollen vorrangig Verkaufspreise für die Bemessung des gemeinen Werts von Grundstücken, bei denen üblicherweise viele Verkaufsfälle vorliegen, wie beispielsweise bei Wohnungseigentum und Ein- und Zweifamilienhäusern, für die Bewertung herangezogen werden (§ 183 BewG). Auszüge aus Kaufpreissammlungen, aus denen der Vergleichswert abgeleitet werden kann, können z.B. bei den zuständigen Gutachterausschüssen der Gemeinden eingeholt werden.

Häufig liegen jedoch

  1. keine geeigneten Verkäufe/Käufe in der gesuchten Region vor oder
  2. die Vergleichspreise werden von der Finanzverwaltung nicht anerkannt.

Denn das Gesetz fordert ausdrücklich, dass es sich um Kaufpreise handeln muss, die hinsichtlich der wertbeeinflussenden Merkmale mit dem zu bewertenden Grundstück hinreichend übereinstimmen (§ 183 Abs. 1 Satz 1 BewG). Eine Vergleichbarkeit muss sich insbesondere hinsichtlich Lage, Art und Maß der baulichen Nutzung, Erschließungszustand, Gebäudeart und Gebäudealter ergeben (R B 183 Abs. 2 Satz 3 ErbStR 2019).

Es bietet sich daher an, mit dem Finanzamt zuvor abzustimmen, ob Vergleichspreise für das zu bewertende Grundstück grundsätzlich akzeptiert werden. Denn Einsichtnahmen in die Kaufpreissammlungen sind i.d.R. mit – ggf. unnötigen – Kosten verbunden.

Wird ein zuvor übertragenes Grundstück veräußert, so kann der erzielte Verkaufspreis als niedriger gemeiner Wert für die vorhergehende Übertragung angesetzt werden (R B 198 ErbStR 2019). Allerdings muss der Verkauf (grds.) innerhalb von einem Jahr nach der Übertragung stattgefunden haben und im gewöhnlichen Geschäftsverkehr zustande gekommen sein. Ist allerdings der Verkaufspreis höher als ein nach dem Bewertungsgesetz ermittelter Wert, muss dieser nicht angesetzt werden.

In größeren Gemeinden werden von den Gutachterausschüssen häufig sog. Vergleichswertfaktoren aus einer Vielzahl von Verkäufen statistisch ermittelt und veröffentlicht (§ 183 Abs. 2 Satz 1 BewG). Die Akzeptanz dieser Vergleichswertfaktoren bei der Finanzverwaltung ist grundsätzlich höher als die einzelner Vergleichspreise. Jedoch muss auch hier darauf geachtet werden, dass die Faktoren mit dem zu bewertenden Objekt hinreichend übereinstimmen (R B 183 Abs. 3 Satz 3 ErbStR 2019).

Immobilienbewertung im Ertragswertverfahren

Bei der Bewertung im Ertragswertverfahren werden grundsätzlich

  1. der Bodenwert und
  2. der Wert des auf dem Grundstück aufstehenden Gebäudes (Gebäudeertragswert) getrennt ermittelt (§ 184 Abs. 1 BewG).

Der Bodenwert wird anhand der Grundstücksfläche, multipliziert mit den sog. Bodenrichtwerten, welche von den jeweiligen Gutachterausschüssen turnusmäßig veröffentlicht werden, ermittelt (§§ 184 Abs. 2, 179 BewG). Werden die Bodenrichtwerte in Abhängigkeit von der baulichen Nutzung oder der Grundstückstiefe bzw. -größe oder anderen wertbeeinflussenden Merkmalen veröffentlicht, sind diese bei der Bewertung entsprechend zu berücksichtigen und ggf. anzupassen.

Der Gebäudeertragswert wird anhand der erzielten bzw. erzielbaren und um Bewirtschaftungskosten verminderten Nettokaltmiete ermittelt (§§ 186, 187 BewG). Der verbleibende Reinertrag wird um die Bodenwertverzinsung gemindert und mit einem Vervielfältiger kapitalisiert (§ 185 Abs. 2 und Abs. 3 BewG). Schlussendlich wird in Abhängigkeit des jeweiligen Baujahrs ein Altersabschlag vom Gebäude abgezogen.

Im Detail ergeben sich weitere Regelungen ergeben, die zu beachten sind, jedoch an dieser Stelle nicht weiter vertieft werden sollen.

Oftmals ist mit der Finanzverwaltung zu diskutieren, mit welchem Wert die Mieteinnahmen anzusetzen sind. Weichen die vereinbarten Mieten zu mehr als 20% von der ortsüblich erzielbaren Miete ab, so ist die ortsübliche Miete anzusetzen (§ 186 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BewG). Auch bei Eigennutzung oder unentgeltlicher Überlassung ist die ortsübliche Miete maßgeblich.

Da insbesondere Gewerbeimmobilien eine sehr unterschiedliche Nutzung aufweisen und amtliche Gewerbemietspiegel nicht existieren, kann es mitunter aufwendig sein, die ortsübliche Miete „finanzamtsfest“ zu ermitteln.

Immobilienbewertung im Sachwertverfahren

Das Sachwertverfahren bildet eine Art „Auffangverfahren“ und kommt immer dann zur Anwendung, wenn nach den übrigen Verfahren keine Vergleichspreise verfügbar sind oder eine ortsübliche Miete sich nicht ermitteln lässt (§ 182 Abs. 4 BewG, Halaczinsky in: Rössler/Troll, § 182 BewG, Rz. 9). Die Bewertung in diesem Verfahren erfolgt wie im Ertragswertverfahren zweistufig:

  1. Dem Bodenwert, der wie im Ertragswertverfahren anhand der Bodenrichtwerte ermittelt wird, sowie
  2. dem Gebäudesachwert (189 BewG).

Daneben sind in Ausnahmefällen besondere bauliche Anlagen wie Außenanlagen (z.B. Pools oder großflächige Terrassenflächen) gesondert anzusetzen.

Der Gebäudewert wird anhand der sog. Bruttogrundfläche, multipliziert mit (preisindizierten) Regelherstellungskosten, die vom Ausstattungsstandard und dem Alter des Gebäudes abhängig sind, berechnet (§ 190 Abs. 1 BewG). Unter Bruttogrundfläche wird die Summe aller Grundflächen eines Bauwerks nach DIN 277-2:2005-02 verstanden. Oftmals werden vom Finanzamt jedoch vereinfachte Herleitungen der Bruttogrundfläche akzeptiert (so. z.B. in Anlage 24 zu § 190 BewG oder OFD Nordrhein-Westfalen vom 24. April 2014, BeckVerw 285682).

In bestimmten Fällen kann ein Gutachten zur Bewertung der Immobilie sinnvoll sein

Die vorgenannten Verfahren basieren teilweise auf Pauschalierungen und vereinfachenden Annahmen. Eigenheiten oder bauliche Besonderheiten einer Immobilie können oft nur unzureichend oder gar nicht berücksichtigt werden. Es besteht daher die Möglichkeit anhand eines Sachverständigengutachtens einen geringeren Grundstückswert nachzuweisen (§ 198 BewG).

Ob ein Gutachten in Auftrag gegeben werden soll, ist letztendlich eine Einzelfallentscheidung, die von der Höhe des nach dem Bewertungsgesetz ermittelten Wert und der Einschätzung hinsichtlich des tatsächlichen Werts abhängig ist. Die Kosten, die für die Erstellung eines Gutachtens anfallen, sollten dabei auch im Blick gehalten werden. Wichtig ist, dass im Gutachten die einschlägigen Verordnungen (§ 199 Abs. 1 BauGB) berücksichtigt werden. Denn die Finanzverwaltung kann Gutachten ablehnen, die methodische Mängel oder unzureichende Erhebungen oder Dokumentationsmängel aufweisen (R B 198 Abs. 3 Satz 3 ErbStR 2019).

Gestaltungsmöglichkeiten

Wird ein Grundstück unter Zurückbehaltung eines Nießbrauchrechts übertragen, so wird im Regelfall der Wert des Nießbrauchs von dem Grundstückwert als Last abgezogen. Die Bewertung des Grundstücks sowie auch des Nießbrauchs kann dabei anhand der steuerlichen Verfahren erfolgen.

Wird für die Grundstücksübertragung ein externes Wertgutachten eingeholt, so kann der Immobiliengutachter das Nießbrauchrecht bereits bei der Wertermittlung des Grundstücks in Abzug bringen (H B 198 „Nießbrauchs- und andere Nutzungsrechte, die sich auf den Grundbesitzwert ausgewirkt haben“ ErbStH 2019). Der zusätzliche Abzug des Nießbrauchrechts als Last ist dementsprechend ausgeschlossen (§ 10 Abs. 6 Satz 6 ErbStG).

Da der Gutachter bei der Bewertung des Grundstücks und des Nießbrauchs nicht an die steuerlichen Verfahren gebunden ist (insbesondere nicht an die Begrenzung des Jahreswerts des Nießbrauchs nach § 16 BewG), können sich Unterschiede zu der „herkömmlichen“ Vorgehensweise ergeben.

Ein Beispiel:

Der Ertragswert eines Mietwohngrundstücks soll EUR 2.000.000,00 betragen. Der Schenker überträgt das Grundstück auf dessen Tochter und behält sich dabei den Nießbrauch zurück. Der Wert des Nießbrauchs beträgt unter Berücksichtigung der Begrenzung des Jahreswerts nach § 16 BewG rund EUR 1.680.000,00.

Vom festgestellten Grundstückswert ist der Wert des Nießbrauchs als Last abzuziehen. Der steuerpflichtige Erwerb bemisst sich bei der Tochter auf rund EUR 320.000,00. Ohne Berücksichtigung von persönlichen Freibeträgen und Steuerbefreiungsvorschriften beträgt die anfallende Schenkungsteuer EUR 33.000,00.

Nach einem externen Wertgutachten beträgt der gemeine Wert des Grundstücks EUR 200.000,00. Dabei wurde das Nießbrauchsrecht bereits in Abzug gebracht und kann im Rahmen der Schenkungsteuer nicht mehr als Last abgezogen werden. Die Schenkungsteuer beläuft sich auf EUR 22.000,00.

Noch ein Hinweis: Wird ein Grundstück unter Nießbrauchvorbehalt übertragen, muss der Nießbrauch eine Art „Mindestlaufzeit“ (in Abhängigkeit des Alters des Nießbrauchers) erfüllen. Wird diese Mindestlaufzeit nicht erreicht, so muss rückwirkend der Nießbrauch neu auf die tatsächliche Nutzungsdauer berechnet werden. In der Regel führt dies zu einer geringeren Abzugsposition und in der Folge zu einer Steuernacherhebung. Wird hingegen mittels Wertgutachten bereits bei der Bewertung des Grundstücks der Nießbrauch in Abzug gebracht, kommt eine nachträgliche Korrektur des Werts des Nießbrauchs nicht in Betracht.

Sonderfälle: Erbbaurechtsgrundstücke, Erbbaurechte, Gebäude im Zustand der Bebauung

Neben der Bewertung für die oben dargestellten Grundstücksarten sind für diverse Sonderfälle wie z.B. Gebäude für den Zivilschutz oder Gebäude auf fremden Grund und Boden diverse Besonderheiten zu beachten. Letztlich sind jedoch auch diese Sonderfälle in modifizierter oder abgewandelter Form in einen der drei genannten Bewertungsverfahren zu bewerten.

Ausländischer Grundbesitz

Ausländischem Grundbesitz ist der gemeine Wert zugrunde zu legen (§§ 31, 9 BewG). Regelmäßig muss dieser Wert anhand eines Marktwertgutachtens nachgewiesen werden. Denn oftmals fehlt es im Ausland auch an den Daten, die für eine Bewertung nach den Verfahren des Bewertungsgesetzes notwendig wären.

Fazit: Bewertung von Immobilien nach steuerlichen Verfahren für eine solide Nachfolgeplanung nutzen

Eine solide Bewertung von Immobilien ist in der Gestaltungsberatung und Nachfolgeplanung unerlässlich. Dabei bieten die vorgesehenen steuerlichen Bewertungsverfahren den großen Vorteil, dass die Finanzämter an einen zutreffend ermittelten Immobilienwert grundsätzlich gebunden sind. Es kann daher im Erbschafts- oder Schenkungsfall relativ sicher mit den nach den Bewertungsverfahren ermittelten Grundstückswerten geplant werden.

+++ Update v. 4. Juni 2020 +++

Streitpunkt ortsübliche Miete im Ertragswertverfahren – Bundesfinanzhof äußert sich zur Feststellung der ortsüblichen Miete

Erfolgt die Bewertung eines Grundstücks im Ertragswertverfahren ist grundsätzlich die vertraglich vereinbarte Miete für die Ermittlung des Jahresrohertrags des Gebäudes heranzuziehen. Weicht diese jedoch um mehr als 20% von der ortsüblichen Miete ab, ist die ortsübliche Miete maßgebend (§ 186 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BewG). Der Bundesfinanzhof entschied mit Urteil vom 5. Dezember 2019, II R 41/16 (veröffentlicht am 22. Mai 2020), dass die vereinbarte Miete nicht mehr als „üblich“ anzusehen ist, wenn diese um mehr als 20% von dem untersten oder dem obersten Wert einer Spanne eines verwendeten Mietspiegels abweicht und folgt insoweit der Auffassung der Finanzverwaltung (H 186.5 “Mietspiegel“ ErbStH 2019/2011). Auf einen im Mietspiegel ausgewiesenen Mittelwert ist demgegenüber nicht abzustellen.

Ungeklärt blieb die Frage, ob der Mittel- bzw. Durchschnittswert eines Mietspiegels als ortsübliche Miete für die Ermittlung des Jahresrohertrags verwendet werden kann – im Urteilsfall ging es nur um die Feststellung, ob die vereinbarte Miete als unüblich anzusehen war.

Die Übersicht zur Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt ist der erste Beitrag unserer Serie zu Immobilien in der Nachfolge. In weiteren Beiträgen befassen wir uns mit der Immobilienbewertung im Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht, der Steuerbefreiung des Familienheims und der Strukturierung und Übertragung von Immobilienvermögen. Es folgten Beiträge zur Besteuerung des Familienpools mit Immobilien, zu Verschonungsregelungen für Wohnungsunternehmen sowie zur Grunderwerbsteuer bei Übertragungen im Rahmen der Vermögensnachfolge. Zuletzt sind wir auf Immobilien in der Betriebsaufspaltung und Immobilienbewertung im Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht eingegangen.

Tags: Erbschaftsteuerrecht Ertragswertverfahren Immobilienbewertung Immobilienbewertung im Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht Sachwertverfahren Schenkungsteuerrecht Vergleichswertverfahren