8. Juli 2021
Arbeitssicherheit Gesundheitsschutz
Modernes Arbeiten

Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz

Moderne Arbeitsformen und Sicherheitsaspekte bei der Arbeit widersprechen sich nicht. Denn die gesetzlichen Vorgaben können pragmatisch umgesetzt werden.

Die mobile Arbeitswelt, bei der die Tätigkeiten nicht (mehr) bzw. jedenfalls nicht ausschließlich in den Räumlichkeiten des Arbeitgebers erbracht werden, stellt Unternehmen mit Blick auf die Aspekte der Arbeitssicherheit und des Gesundheitsschutzes vor besondere Herausforderungen. Diese gilt es auf pragmatische Art und Weise zu lösen. 

Dass der im Büro bestehende Schutzstandard nicht 1:1 übertragen werden kann, dürfte auf der Hand liegen. Aber was müssen Unternehmen im Zusammenhang mit modernen Arbeitsformen gewährleisten und wofür sind sie verantwortlich? 

Arbeitssicherheit: Schutz der Beschäftigten in ihrer Arbeitsumgebung

Die Arbeitssicherheit soll die Sicherheit der Beschäftigten bei der Arbeit gewährleisten. Sie ist Bestandteil des Arbeitsschutzrechts und findet ihren Ausgangspunkt zunächst einmal in § 618 Abs. 1 BGB. Danach muss der Dienstberechtigte (d.h. also der Arbeitgeber) die Räume, Vorrichtungen oder Gerätschaften, die er zur Verrichtung der Dienste zu beschaffen hat, so einrichten und unterhalten, dass der Verpflichtete (also der Beschäftigte) gegen Gefahr für Leben und Gesundheit geschützt ist. 

Gleiches gilt für Dienstleistungen, die unter seiner Anordnung oder seiner Leistung vorzunehmen sind. Diese sind so zu regeln, dass der Verpflichtete (also der Beschäftigte) gegen Gefahr für Leben und Gesundheit geschützt ist. Dies gilt jedenfalls soweit, als die Natur der Dienstleistung es gestattet. 

Darüber hinaus bilden das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) und das Gesetz über Betriebsärzte, Sicherheitsingenieure und andere Fachkräfte für Arbeitssicherheit (ASiG) die rechtliche Grundlage für die Arbeitssicherheit. § 3 Abs. 1 ArbSchG sieht insoweit insbesondere die Pflicht des Arbeitgebers vor, die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes unter Berücksichtigung der Umstände zu treffen, die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit beeinflussen. Es geht somit nicht nur um die technische Verhinderung von Unfällen, sondern gerade auch um gesundheitliche Belange und präventive Schutzmaßnahmen. Zum Ausdruck kommt dies insbesondere in § 4 Nr. 1 ArbSchG, wonach die Arbeit so zu gestalten ist, dass eine Gefährdung für das Leben sowie die physische und die psychische Gesundheit möglichst vermieden und die verbleibende Gefährdung möglichst gering zu halten ist. 

Arbeitgeberseitige Handlungen zur Einhaltung des Arbeitsschutzes notwendig

Und was bedeutet das nun für den Arbeitgeber? Ausgehend vom ArbSchG und den dort geregelten Grundpflichten (§3 ArbSchG) sowie den allgemeinen Grundsätzen (§ 4 ArbSchG) bedarf es grundsätzlich 

Arbeitgeber müssen demnach zunächst einmal die mit einer Beschäftigung einhergehenden Gefährdungen beurteilen. Hierbei sind die einzelnen, von den Beschäftigten auszuführenden Arbeitsschritte zu betrachten. 

Es gilt der Grundsatz: Die Arbeit muss zwar nicht völlig frei von Gefährdungen sein, Gefährdungen müssen aber möglichst vermieden und die verbleibenden Gefährdungen möglichst gering gehalten werden (§ 4 Nr. 1 ArbSchG). Aus der Gefährdungsbeurteilung herzuleiten sind sodann konkrete Maßnahmen des Arbeitsschutzes für jeden Arbeitsplatz. Darüber hinaus sind die Beschäftigten über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit während ihrer Arbeitszeit ausreichend und angemessen zu unterweisen. 

Müssen diese Vorgaben auch im Zusammenhang mit Homeoffice, mobilem Arbeiten und Co. berücksichtigt werden? 

Die Vorgaben des ArbSchG sind auch im Rahmen der mobilen Arbeit zu beachten. Ob darüber hinaus auch die Regelungen der Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) relevant sind, hängt davon ab, ob die dezentrale Arbeit an einem fest eingerichteten Bildschirmarbeitsplatz im Sinne des § 2 Abs. 7 ArbStättV ausgeübt wird (sogenannter Telearbeitsplatz). Dafür ist zwar nach der ArbStättV erforderlich, dass 

(1) die Bedingungen der Telearbeit arbeitsvertraglich oder im Rahmen einer Vereinbarung festgelegt, 
(2) die benötigte Ausstattung des Telearbeitsplatzes mit Mobiliar sowie Arbeitsmitteln einschließlich der Kommunikationseinrichtungen durch den Arbeitgeber oder eine von ihm beauftragte Person im Privatbereich des Beschäftigten bereitgestellt und 
(3) installiert wurden. 

Allerdings dürfte es insoweit auch Graubereiche und dann einen schleichenden Übergang von der mobilen Arbeit oder des Homeoffice hin zur Telearbeit geben, wenn die dezentrale Arbeit überwiegend im Privatbereich des Beschäftigten und mit vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten, fest zu installierenden Arbeitsmitteln (z. B. Bildschirm, Tastatur, Maus, Drucker) erbracht wird. 

Moderne Arbeitsformen dürften sich jedoch in der Regel und gerade auch aktuell von dem klassischen Telearbeitsplatzverständnis „wegentwickeln“. Umso wichtiger ist es daher, dass an einem gewissen Schutzniveau in Bezug auf moderne Arbeitsformen festgehalten wird. Denn gerade, wenn der unmittelbare Kontakt zwischen Beschäftigten und Führungskräften abnimmt, das Arbeiten aus der Ferne und von jeweils unterschiedlichen Orten zunimmt sowie damit einhergehend Arbeitszeiten voneinander abweichen – z. B. weil das eine Teammitglied besonders effektiv am frühen Morgen und das andere Teammitglied am späteren Abend arbeiten kann –, bedarf es eines besonderen Schutzes vor Überlastung, Überschätzung der eigenen Kräfte und völliger Entgrenzung zwischen beruflicher Arbeitswelt und dem privaten Umfeld. 

Für die Arbeitgeber kann dies schnell zu einem Balanceakt zwischen der von den Beschäftigten gewünschten Flexibilität und Verknüpfung des beruflichen und privaten Alltags einerseits und einer mit gewissen Reglementierungen bzw. arbeitgeberseitigen Vorgaben einhergehenden gefühlten „Bevormundung“ andererseits führen. Allerdings darf dabei nicht vergessen werden, dass dem Arbeitsverhältnis trotz aller Innovationen eben auch ein Fürsorge- und Vorsorgecharakter innewohnt, der in angemessener und verantwortungsbewusster Weise durch den Arbeitgeber wahrgenommen werden darf, aber eben auch wahrgenommen werden muss; und zwar unabhängig davon, wie und wo die Arbeit erbracht wird.

Doch wie soll ein Unternehmen diesen Schutzanforderungen im Zusammenhang mit „New Work“ gerecht werden? Was ist, wenn sich Arbeitsplätze täglich ändern (können) und die Beschäftigten mal im Café um die Ecke, am Wohnzimmertisch der WG, auf dem Balkon bzw. am Gartentisch oder sogar auf der Liegewiese des Schwimmbads arbeiten? Klar ist: In diesem Fall kann der Arbeitgeber unmöglich für alle diese unterschiedlichen und für ihn auch vorab gar nicht vorhersehbaren Arbeitsorte eine entsprechende Gefährdungsbeurteilung vornehmen. 

Darüber hinaus steht der Arbeitsschutz – zumindest in den Fällen einer Tätigkeit in der Wohnung der Beschäftigten – dem grundrechtlich geschützten Bereich der Privatsphäre gegenüber. Möchte der Arbeitgeber die Arbeitsumgebung zum Zwecke der Gefährdungsbeurteilung begutachten, kann er sich nicht ohne Weiteres Zutritt zu den Privaträumlichkeiten des Beschäftigten verschaffen. Und selbst wenn der Beschäftigte hiermit einverstanden ist, können hiermit Eingriffe in die Rechte der Mitbewohner bzw. weiterer Familienangehöriger verbunden sein. 

Daher: Arbeitsschutz pragmatisch umsetzen 

Mobile Arbeit und feste Schemata in Bezug auf den Arbeitsschutz stellen somit einen unauflöslichen Konflikt dar. Die sich hieraus ergebenden arbeitgeberseitigen Handlungserfordernisse werden in der Literatur unterschiedlich bewertet. Hilfreich – aber nicht unumstritten – dürfte insoweit ein pragmatischer Ansatz sein: 

  • Eine Gefährdungsbeurteilung dürfte zunächst nur dort sinnvoll möglich sein, wo die Beschäftigten überwiegend zu Hause und damit an einem festen Arbeitsort arbeiten. In diesem Fall könnte der Arbeitgeber jedem Beschäftigten entweder eine Besichtigung des Arbeitsbereichs in den Privaträumen anbieten oder diesem eine Checkliste zum Zwecke der Ausfüllung durch den Beschäftigten selbst zur Verfügung stellen, die als Grundlage für die Ermittlung der für den Arbeitsschutz erforderlichen Maßnahmen dienen kann. Lehnt der Beschäftigte beide Optionen ab, sollte dies durch den Arbeitgeber entsprechend dokumentiert werden. 
  • Eine Unterweisung der Beschäftigten ist aus arbeitsschutzrechtlicher Sicht hingegen bei jeder Form von mobiler Arbeit zu empfehlen. Dabei dürfte zunächst eine abstrakte Unterrichtung ausreichend sein, bei der auf die typischen Gefahren im Zusammenhang mit mobiler Arbeit hingewiesen wird. Wird der Beschäftigte überwiegend von zu Hause aus tätig, gilt Vorstehendes umso mehr, da insoweit – wie oben dargestellt – eine große Parallelität zur Telearbeit (fest eingerichteter Bildschirmarbeitsplatz, § 2 Abs. 7 ArbStättV) bestehen kann, bei der eine Unterweisung zwingend zu erfolgen hat. Daher sollte die Unterweisung in diesem Fall insbesondere auf typische Gefahren im Zusammenhang mit einer Homeoffice-Tätigkeit eingehen. Diese können sich beispielsweise 
    • durch einen Arbeitsplatz, der den ergonomischen Anforderungen nicht ausreichend gerecht wird,
    • durch eine nicht hinreichend klare räumliche und zeitliche Abgrenzung zwischen Arbeitsbereich einerseits und Privatleben andererseits, 
    • durch Störungen bzw. Ablenkungen im Privatbereich oder auch 
    • durch soziale Isolation

    ergeben. Hat zuvor eine Gefährdungsbeurteilung stattgefunden, sind die hieraus gewonnenen Erkenntnisse im Rahmen der Unterweisung zu berücksichtigen. 

  • Schließlich sollte Anhang 6 der ArbStättV, der Maßnahmen zur Gestaltung von Bildschirmarbeitsplätzen festlegt, nicht aus dem Blick geraten. Denn insoweit wird überwiegend davon ausgegangen, dass die dort geregelten Vorgaben – auch wenn sie Teil der ArbStättV sind – auch für das mobile Arbeiten zu berücksichtigen sind. Erhalten daher die Beschäftigten, was regelmäßig der Fall sein dürfte, Laptops oder sonstige Bildschirmgeräte, sollten die im Anhang 6 der ArbStättV beschriebenen Anforderungen zumindest als Orientierungsmaßstab herangezogen werden – auch wenn man in der Praxis nicht allen dort aufgeführten Punkten gerecht werden kann. Unbeachtlich dürften allerdings die Hinweise zu den Arbeitsmitteln für die ortsgebundene Verwendung am Arbeitsplatz sowie zur Arbeitsumgebung sein, die im Fall der mobilen und ortsunabhängigen Arbeit gerade nicht übertragbar sind. 

Hinweise und Merkblätter beachten 

Gute und praxisorientierte Anhaltspunkte, insbesondere für die Unterweisung der Beschäftigten, finden sich darüber hinaus in den öffentlich zugänglichen Unterlagen der Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV), z. B. „Check-Up Homeoffice“, „Fachbereich Aktuell – Arbeiten im Homeoffice – nicht nur in der Zeit der SARS-CoV-2-Epidemie“ sowie „DGUV Information 215-410“. Darüber hinaus hat das Magazin „Certo“ der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft (VBG) eine sehr anschauliche Übersichtsgrafik „How to Homeoffice“ entwickelt, die ergänzend zu der arbeitgeberseitigen Unterweisung an die Beschäftigten ausgehändigt werden könnte. 

Zwar ist diesen Informationsunterlagen gemein, dass sie im Wesentlichen die mobile Arbeit von zu Hause aus im Blick haben. Dies dürfte allerdings der aktuellen Pandemiesituation und dem damit einhergehenden Umstand geschuldet sein, dass ein Leben außerhalb der eigenen vier Wände so gut wie nicht stattfinden kann. Die Unterlagen stellen daher gleichwohl eine sinnvolle Inspirationsmöglichkeit für Unternehmen dar, die sich auf die mobile Arbeit außerhalb der privaten Räumlichkeiten gut übertragen lassen. 

In unserer Blog-Serie „Modernes Arbeiten“ zeigen wir die Hintergründe für den Wandel der Arbeitswelt auf. Den Beginn macht das Work-Life-Blending, gefolgt von der Arbeitszeiterfassung sowie der IT-Sicherheit und Datenschutz.

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