27. Mai 2021
Work-Life-Blending
Modernes Arbeiten

Work-Life-Blending | Motivation und Wertschöpfung schaffen

Eine Kopplung von Beruf und Privatem ist durch die Flexibilisierung der Arbeit möglich und auch in vielen Fällen gewünscht. Es bedarf jedoch klarer Spielregeln.

Die Corona-Pandemie hat unser Leben und damit auch unsere Art zu arbeiten gänzlich auf den Kopf gestellt. Bereits begonnene Veränderungen der Arbeitswelt wurden hierdurch erheblich beschleunigt. Wann und wie eine Rückkehr zu den bisherigen Strukturen möglich ist, bleibt auch nach 13 Monaten Pandemie noch völlig ungewiss. Sicher ist jedoch: Der Arbeitsalltag wird sich dauerhaft verändern. Die Vermischung von Privatleben und Arbeitsalltag wird dabei zukünftig wahrscheinlich einen wesentlichen Bestandteil ausmachen. Dies bringt Chancen, aber auch Risiken mit sich, über die sich Arbeitgeber und Beschäftigte gleichermaßen bewusst sein müssen. 

Distanzarbeit bedeutet Flexibilisierung von Arbeitsort und Arbeitszeit 

Ganz wesentliche Änderungen sind die zunehmende Distanzarbeit und die damit einhergehende Flexibilisierung von Arbeitsort und Arbeitszeit. Ermöglicht, aber auch getrieben, wird dies durch die voranschreitende Digitalisierung. Dank dieser stehen bei neuen Arbeitsstrukturen insbesondere die folgenden Themen im Vordergrund:

  • Remote Working, 
  • hybride Kollaborationsformen und 
  • globale Teamarbeit. 

Interaktion wird persönlicher: Privates wird bewusst in die Arbeit integriert

Mobile Arbeit und Kommunikation mit Kollegen, Vorgesetzten und Kunden über digitale Plattformen macht die Interaktion nicht nur im wahrsten Sinne des Wortes „fühlbarer“, sondern auch persönlicher. So begegnen einem während Videotelefonaten immer wieder sehr persönliche Dinge: Etwa Fotos von der Familie und Freunden, Erinnerungen an ganz besondere Momente, Buchsammlungen, Mitbringsel aus dem letzten Urlaub und die Einrichtung des Wohn- oder Arbeitszimmers. Aber auch das weinende Kleinkind auf dem Arm, spielende oder streitende Kinder im Hintergrund, der bellende Hund, die schlafende Katze und singende Vögel gehören heute zu Besprechungen dazu. Und dies nicht nur, weil sich die Hintergründe nicht verpixeln oder mit einem Bild verbergen lassen. Sondern auch, weil das bewusste Teilen dieser ganz persönlichen Dinge mit beruflichen Kontakten „normal“ geworden ist. 

Gerne werden Videotelefonate auch in die tägliche Joggingrunde integriert, am Lieblingsort im Park oder in einem Café geführt. Auch das Ausgehen mit Kollegen nach der Arbeit und der private Austausch mit eigentlich beruflichen Kontakten nehmen – jedenfalls außerhalb der Pandemie – kontinuierlich zu, wobei dieser Austausch aktuell natürlich nur virtuell stattfinden kann. Berufliche Inhalte oder Produkte des Arbeitgebers auf den privaten Social Media Accounts zu teilen oder entsprechende Beiträge der PR-Abteilung – auch in der Freizeit – zu liken (sog. inoffizielle Influencer), ist weit verbreitet und für das Marketing von Unternehmen von großer Bedeutung. 

Work-Life-Blending: Bewusste Vermischung von Privatem und Beruflichem

Es ist ganz deutlich: Das Privatleben muss heute nicht mehr strikt von dem Berufsleben getrennt werden. Vielmehr vermischen die Beschäftigten zunehmend – und ganz bewusst – diese beiden Sphären. Die Familie, das individuelle Leben, ist Teil des Berufs und andersherum. Es gibt nicht mehr bestimmte Zeitfenster, welche exklusiv für die Arbeit bzw. die Freizeit / den Alltag vorgesehen sind. Vielmehr gehen beide Bereiche mittlerweile – und seit Corona noch viel mehr – Hand in Hand. 

Work-Life-Blending, die bewusste Vermischung von Arbeit und Freizeit, setzt neue Maßstäbe. Denn in einer Arbeitswelt, in der sich die persönlichen und beruflichen Erfordernisse nicht gegenüberstehen, sondern miteinander verwoben sind, können neue Räume für 

  • Kreativität, 
  • Sinnstiftung, 
  • Inspiration und 
  • Motivation

geschaffen und die individuellen Bedürfnisse bzw. Verpflichtungen effektiver in den Alltag integriert werden. Hierfür müssen allerdings gleichzeitig wesentliche Grundsätze berücksichtigt werden, insbesondere für die Gesundheit und Psyche der Beschäftigten. Dies vorausgesetzt trägt Work-Life-Blending zu einer höheren persönlichen Zufriedenheit der Beschäftigten bei. Zugleich sorgt es aber auch für ein motivierteres und effektiveres Arbeiten. 

Schaffung inspirierender Arbeitsumgebungen – Kombination aus Büroarbeit und mobiler Arbeit

Das Ineinandergreifen von „Home“ und „Office“ ist nicht dahingehend zu verstehen, dass hiermit das ausschließliche Arbeiten von zu Hause aus gemeint ist. Der persönliche Kontakt mit Kollegen, Vorgesetzten und / oder Kunden – wenn es das Infektionsgeschehen eines Tages wieder zulässt – ist von unschätzbarem Wert und somit ein entscheidender Faktor für erfolgreiche, zufriedenstellende Arbeit und die Gesundheit sowie das Wohlbefinden der Beschäftigten. 

Zukünftige Arbeitsmodelle könnten daher unter Berücksichtigung der betrieblichen und individuellen Bedürfnisse aus einer sinnvollen Kombination von Büroarbeit und mobiler Arbeit bestehen. Die Grundlage hierfür bietet eine (Büro)Arbeitsumgebung,

  • die Raum für das gemeinsame Arbeiten,  
  • die kreative Zusammenarbeit und 
  • den motivierenden Austausch gibt. 

Ergänzt wird diese (Büro)Arbeitsumgebung durch wertschöpfende „Einzelarbeit“, die wiederum in den privaten Räumlichkeiten der Beschäftigten oder an anderen von den Beschäftigten frei zu wählenden (mobilen) Arbeitsorten stattfindet. Diese Einzelarbeit bietet dann auch Platz für die persönlichen Belange der Beschäftigten. 

Entgrenzung verhindern

Keinesfalls aber darf Work-Life-Blending zu einer völligen Entgrenzung und damit zu negativen Folgen für die Gesundheit der Beschäftigten führen. Bewusste Auszeiten von beruflichen Verpflichtungen und Aufgaben müssen nicht nur möglich sein, sondern von den Beschäftigten auch tatsächlich genommen werden. 

Um auf die besondere Bedeutung derartiger Auszeiten aufmerksam zu machen, hat etwa einer der größten Anbieter von Business- Software weltweit kürzlich bekannt gegeben, dass er seinen weltweit mehr als 100.000 Mitarbeitern im Jahr 2021 einen zusätzlichen freien Tag schenkt. Das Unternehmen rief den 27. April 2021 zum firmeninternen Gesundheitstag aus, der arbeitsfrei sein soll, aber dennoch voll bezahlt wird. Ziel sei es, dass die Beschäftigten an diesem Tag komplett von der Arbeit abschalten, sich ausruhen, reflektieren und Energie aufladen könnten. Das sei – so das Unternehmen – auch ein Entgegenkommen angesichts eines schwierigen Balanceakts zwischen Arbeit und Privatleben in der Corona-Krise. Der Softwareriese ist mit diesem Ansatz nicht allein: Auch LinkedIn verschaffte seinen knapp 16.000 Beschäftigten nach gut einem Jahr Homeoffice eine bewusste Auszeit und schickte sie daher kollektiv für eine Woche in den Urlaub. Nur eine Kernbelegschaft hielt LinkedIn in dieser Zeit am Laufen. Diese Beschäftigten bekommen jedoch später ebenfalls eine zusätzliche Woche bezahlten Urlaub. 

Für das physische und psychische Wohlbefinden ist es zwingend erforderlich, dass es regelmäßige Ruhezeiten gibt. Dabei ist jedoch entscheidend, dass sich diese sinnvoll in die flexible Arbeit einfügen lassen, ohne diese zu be- oder sogar zu verhindern. 

Arbeitszeitgesetz: In der aktuellen Fassung nicht mit Work-Life-Blending vereinbar

Vom Grundsatz her richtig und wichtig sind die in Deutschland bestehenden gesetzlichen Regelungen zur Ruhezeit. Schnell wird aber klar, dass diese in ihrer jetzigen Fassung nicht mehr den aktuellen Gegebenheiten entsprechen und schon gar nicht den stattfindenden Wandel in der Arbeitswelt sinnvoll begleiten können.

So kann das Bearbeiten von E-Mails am späteren Abend und / oder am frühen Morgen einen Verstoß gegen § 5 Arbeitszeitgesetz (ArbZG) darstellen. Denn danach müssen die Beschäftigten nach Beendigung der täglichen Arbeitszeit eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens elf Stunden einhalten (§ 5 Abs. 1 ArbZG). 

Ausnahmen hiervon sind möglich, nach der jetzigen Gesetzeslage aber nur begrenzt auf bestimmte Einrichtungen bzw. Branchen. In Krankenhäusern und anderen Einrichtungen zur Behandlung, Pflege und Betreuung von Personen, in Gaststätten und anderen Einrichtungen zur Bewirtung und Beherbergung, in Verkehrsbetrieben, beim Rundfunk sowie in der Landwirtschaft und in der Tierhaltung kann die Dauer der Ruhezeit in § 5 Abs. 1 ArbZG um bis zu eine Stunde verkürzt werden. Aber nur dann, wenn jede Verkürzung der Ruhezeit innerhalb eines Kalendermonats oder innerhalb von vier Wochen durch Verlängerung einer anderen Ruhezeit auf mindestens zwölf Stunden ausgeglichen wird (§ 5 Abs. 1 ArbZG). 

Ein weiteres Beispiel für Ausnahmeregelungen sieht der Tarifvertrag Mobiles Arbeiten (TV MobA) für Angestellte des privaten Versicherungsgewerbes vor. Danach kann sich die Ruhezeit gemäß § 5 Abs. 1 ArbZG unter bestimmten Bedingungen auf bis zu neun Stunden verkürzen, wenn die Angestellten das Ende der täglichen Arbeitszeit an diesem Tag oder den Beginn der täglichen Arbeitszeit am Folgetag selbst festlegen können und die Art der Arbeit eine Verkürzung der Ruhezeit erfordert. Allerdings ist auch insoweit erforderlich, dass der Ausgleich der Verkürzung der Ruhezeit innerhalb eines Ausgleichszeitraums von sechs Monaten erfolgt. 

Solche Ansätze sind richtig und wichtig. Sie stellen aber keine langfristige Lösung der mit modernen Arbeitsformen einhergehenden Notwendigkeit von Flexibilisierung und selbstbestimmtem Arbeiten dar. Denn die Ruhezeit nach § 5 Abs. 1 ArbZG verhindert auch Flexibilität. So ist es z. B. Eltern nicht möglich, am Nachmittag Zeit den Kindern zu widmen und die Arbeit am Abend zu erledigen. Denn damit würde sich der Beginn der Arbeit am nächsten Tag deutlich nach hinten schieben. Es bedarf daher kreativer und pragmatischer Lösungen. 

Leitfäden für die Beschäftigten können helfen

Leitfäden für die Beschäftigten, wie dies etwa Microsoft gemacht hat, können hierbei hilfreich sein. Diese sollen sicherstellen, dass die Beschäftigten auch bei mobiler Arbeit bzw. im Homeoffice, 

  • Feierabend machen und richtig abschalten,
  • selbstbewusst genug sind, nicht ständig erreichbar zu sein, bzw. sogar ein Recht auf Nichterreichbarkeit haben,
  • ihren Arbeitsrhythmus erkennen und klar kommunizieren, damit für die anderen Beschäftigen klar ist, wann sie erreichbar sind und wann nicht und 
  • lernen, sich selbstständig zu organisieren.

Am Ende wird es aber einer gesetzgeberischen Anpassung des ArbZG bedürfen, um Flexibilisierung und selbstbestimmtes Arbeiten nicht zu erschweren. 

In unserer Blog-Serie „Modernes Arbeiten“ zeigen wir die Hintergründe für den Wandel der Arbeitswelt auf. Zudem beleuchten wir, was für einen gelungenen Start und eine erfolgreiche Umsetzung der modernen Arbeitswelt zu beachten ist.

Tags: Arbeitszeit Entgrenzung Homeoffice mobiles Arbeiten Work-Life-Blending