28. April 2021
Actio pro Socio MoPeG
Modernisierung des Personengesellschaftsrechts

Actio pro socio: MoPeG schafft Klarheit

Was lange währt, wird endlich gut? Mit dem MoPeG schafft der Gesetzgeber zum ersten Mal eine gesetzliche Regelung für das Rechtsinstitut der actio pro socio.

Bislang war das Recht des Gesellschafters, im eigenen Namen Ansprüche der Gesellschaft geltend zu machen, nur durch die Rechtsprechung anerkannt. Eine Sonderregelung für die AG findet sich seit 2005 in § 148 AktG. Rückschlüsse für Personengesellschaften ließen sich hieraus allerdings nicht ziehen. 

Mit § 715b BGB-Entwurf schafft der Gesetzgeber eine gesetzliche Regelung, die für sämtliche Personengesellschaften einheitlich gelten soll. Damit beseitigt der Gesetzgeber zugleich verbleibende Unklarheiten bei der Geltendmachung von Drittansprüchen der Gesellschaft durch einzelne Gesellschafter.

Hintergrund: Actio pro socio als subsidiäres Recht der Gesellschafter zur Geltendmachung von Gesellschaftsansprüchen

Bei der actio pro socio macht ein Gesellschafter im eigenen Namen (also nicht als Vertreter der Gesellschaft) einen Anspruch aus dem Gesellschaftsverhältnis gegen einen Mitgesellschafter geltend. Bedürfnis hierfür besteht, wenn die Gesellschaft selbst ihren Anspruch nicht verfolgt, weil sich z.B. der geschäftsführende Gesellschafter weigert oder ein erforderlicher Gesellschafterbeschluss nicht zustande kommt.

Für den einzelnen Gesellschafter kann eine solche Situation unbillig sein, weil es ihm grundsätzlich verwehrt ist, seine Leistungspflicht gegenüber der Gesellschaft mit dem Hinweis auf die Nichterfüllung seines Mitgesellschafters zeitweise zu verweigern. Hier kommt ihm die actio pro socio zu Hilfe. Der Gesellschafter kann den Anspruch der Gesellschaft dann selbst (pro socio = als Gesellschafter) verfolgen und im eigenen Namen auf Leistung an die Gesellschaft klagen.

Ansprüche aus dem Gesellschaftsverhältnis

Das bereits durch die Rechtsprechung des Reichsgerichts entwickelte Institut der actio pro socio betrifft in erster Linie Ansprüche der Gesellschaft gegen Mitgesellschafter aus dem Gesellschaftsverhältnis (sog. Sozialansprüche). Daran möchte auch der Gesetzgeber festhalten und führt dies in § 715b Abs. 1 Satz 1 BGB-Entwurf einer Regelung zu, die sich an der Terminologie des BGH orientiert (vgl. zuletzt BGH v. 22. Januar 2019 – II ZR 143/17). Damit ist zugleich der Theorien-Streit entschieden, ob der Gesellschafter mit der actio pro socio einen eigenen Anspruch geltend macht oder im Wege der Prozessstandschaft einen Anspruch der Gesellschaft einklagt. Denn in § 715b BGB wird voraussichtlich ab 1. Januar 2023 geregelt sein, dass der Gesellschafter „einen Anspruch der Gesellschaft″ geltend machen kann; die Gesetzesbegründung ordnet dies ausdrücklich als Fall der gesetzlichen Prozessstandschaft ein (BT-Drs. 19/27635, S. 153).

Die Regelung des § 715b BGB wird nur für rechtsfähige Gesellschaften gelten (vgl. § 740 Abs. 2 BGB-Entwurf). Die durch das MoPeG geregelte nicht rechtsfähige GbR ist vermögenslos; ein Bedürfnis für eine actio pro socio besteht hier praktisch nicht.

Die durch den Gesellschafter im Wege der actio pro socio einklagbaren Sozialansprüche der Gesellschaft sind in erster Linie:

Actio pro socio: Auch Drittansprüche der Gesellschaft durchsetzbar

Im Wege der actio pro socio kann ein Gesellschafter auch Ansprüche der Gesellschaft gegen Dritte, die nicht Gesellschafter sind, geltend machen. Bislang erkannte der BGH diese Möglichkeit nur für Gesellschafter einer GbR an und lehnte die Geltendmachung von Drittansprüchen durch Gesellschafter einer Personenhandelsgesellschaft explizit ab (BGH v. 19. Dezember 2017 – II ZR 255/16). Diese unterschiedliche Behandlung der Rechtsformen ließ sich jedenfalls nach Anerkennung der Rechtsfähigkeit der GbR kaum mehr rechtfertigen (kritisch insoweit zurecht Grunewald/Otte ZIP 2017, 1737).

Der Gesetzgeber beendet auch diesen Streit. Durch das MoPeG herrscht in Sachen actio pro socio ein Gleichlauf zwischen GbR und den Personenhandelsgesellschaften, für welche die Vorschriften über die GbR entsprechend anwendbar sind (§ 105 Abs. 2, 161 Abs. 2 HGB-Entwurf). Damit dürfte auch die Rechtsprechung des BGH, wonach in der GmbH & Co. KG die Gesellschafterklage eines Kommanditisten gegen den Geschäftsführer der Komplementärin unzulässig ist (BGH v. 19. Dezember 2017 – II ZR 255/16), überholt sein.

Voraussetzung für die Geltendmachung von Ansprüchen der Gesellschaft gegen Nicht-Gesellschafter im Wege der actio pro socio ist allerdings, dass der Nicht-Gesellschafter darum weiß, dass die Gesellschaft den Anspruch gegen ihn pflichtwidrig nicht verfolgt. Nur dann, wenn der Dritte das pflichtwidrige Unterlassen der Anspruchsverfolgung kennt, muss er die Klage eines einzelnen Gesellschafters (statt einer Klage der an sich aktivlegitimierten Gesellschaft) gegen sich gelten lassen. Dies regelt der Gesetzgeber in § 715b Abs. 1 Satz 2 BGB-Entwurf.

Subsidiarität der Gesellschafterklage

Primär zur Verfolgung der Sozial- und Drittansprüche der Gesellschaft befugt (und verpflichtet) sind die geschäftsführungs- und vertretungsberechtigten Gesellschafter. Die actio pro socio ist stets nur subsidiär zulässig, wenn die an sich handlungsbefugten Gesellschafter die Geltendmachung des Anspruchs pflichtwidrig unterlassen. Wie hoch oder tief die Anforderungen hier zu hängen sind, will der Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesbegründung der Rechtsprechung überlassen.

Da es sich bei der Möglichkeit der Gesellschafterklage um ein Instrument des Minderheitenschutzes handelt, sollten die bei der Subsidiarität anzulegenden Anforderungen nicht überspannt werden. Der Gesellschafter muss das zuständige Organ zur Anspruchsverfolgung vergeblich aufgefordert haben, sofern dies nicht von vornherein aussichtslos war (vgl. Verse in: FS U.H. Schneider, Köln 2011, S. 1325, 1335). Das Einholen eines (ablehnenden) Gesellschafterbeschlusses, gegen den der Gesellschafter dann zusätzlich vorgehen müsste, ist hingegen nicht zu fordern. Ob seine Gesellschafterklage dennoch auf Ebene der Begründetheit scheitert, hängt davon ab, ob das zuständige Organ die Anspruchsverfolgung zu Recht abgelehnt hat, weil ihr gewichtige Gründe des Gesellschaftsinteresse entgegenstehen. Das ist freilich ein Kostenrisiko des Gesellschafters.

Änderungen im Vergleich zum Mauracher Entwurf

Im Vergleich zum Mauracher Entwurf sieht der von der Bundesregierung eingebrachte Gesetzesentwurf in Abs. 2 vor, dass die Regelung zur actio pro socio im Gesellschaftsvertrag nicht unangemessen stark eingeschränkt werden kann. Dabei ist zu berücksichtigen, in welchem Umfang Minderheitsgesellschafter auf diesen Schutzmechanismus angewiesen sind und welche weiteren Möglichkeiten (Abberufungsrechte, Bestellung von Sondergeschäftsführern) zur Verfügung stehen. 

Die Möglichkeit zur Bestellung eines besonderen Vertreters analog § 46 Nr. 8 GmbHG kann für den einzelnen Gesellschafter sogar vorteilhafter sein, da dann die Gesellschaft selbst Klägerin ist und das Kostenrisiko trägt. Allerdings steht diese Möglichkeit nur offen, wenn der Gesellschafter hierfür die erforderliche Mehrheit im Gesellschafterkreis findet (bei Ausschluss des Stimmrechtes des betroffenen Gesellschafters, sofern gegen diesen Ansprüche geltend gemacht werden).

Actio pro socio: Einheitliche Regelung für sämtliche Personengesellschaften 

Mit § 715b BGB schafft der Gesetzgeber eine überzeugende (Erst-)Regelung der actio pro socio im Personengesellschaftsrecht. Begrüßenswert ist dabei, dass diese Regelung für sämtliche Personengesellschaften einheitlich gelten soll. 

In der Praxis muss sich freilich zeigen, welche Hürden der Gesellschafter vor Erhebung der Gesellschafterklage nehmen muss, wobei zu hoffen ist, dass die Hürden durch Gerichte nicht zu hoch angesetzt werden. Parallel sollten Minderheitsgesellschafter stets die Möglichkeit der Bestellung eines besonderen Vertreters mitbedenken.

Die Öffnung der Personenhandelsgesellschaften für Freiberufler und weitere Themen werden wir in unserer Blogreihe zum „MoPeG″ erörtern. Gestartet sind wir mit einer Übersicht zum Regierungsentwurf zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts, den Änderungen im Recht der GbR sowie dem Gesellschaftsregister. Weiter ging es mit einem Beitrag zum Auslandssitz der GmbH & Co. KG, zur Actio pro Socio sowie den Auswirkungen auf die Immobilienbranche.

Tags: Actio pro socio Drittanspruch Gesellschafter Minderheitsgesellschafter MoPeG


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