Welche neuen Pflichten sich für Anlageberater aus dem EU Gesetzgebungspaket ergeben und welche Level-2 Maßnahmen noch ausstehen.
Bis 2050 möchte die EU zum ersten klimaneutralen Kontinent werden. Um dieses Ziel zu erreichen, hat die Präsidentin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen kürzlich verschärfte EU-Klimaziele für 2030 bekanntgegeben. Die Treibhausgase sollen nach diesem Vorschlag in den nächsten zehn Jahren um 55 Prozent unter den Wert aus dem Jahr 1990 sinken.
Hierfür soll vermehrt (privates) Kapital in nachhaltige Investments gelenkt werden. Das sieht der bereits im Jahr 2018 veröffentlichten Aktionsplan der EU-Kommission zur Finanzierung eines nachhaltigen Wachstums vor. Eine zentrale Rolle bei der Mobilisierung von Kapital für nachhaltige Anlagen hat die EU-Kommission unter anderem Anlageberatern zugedacht. Diese sind insbesondere für Privatanleger eine wichtige Orientierungshilfe auf dem Finanzmarkt und beeinflussen Anlageentscheidungen.
Nachfrage nach nachhaltigen Anlageprodukten steigt weiter
Die Nachfrage nach nachhaltigen Anlageprodukten ist schon in den letzten Jahren enorm angestiegen und wird voraussichtlich mit der Umsetzung des Gesetzgebungspakets noch weiter zunehmen. Der BVI hat kürzlich neue Zahlen veröffentlicht, wonach das in nachhaltigen Fonds angelegte Vermögen 2020 in Summe mehr als EUR 100 Mrd. übersteigt. In der andauernden Krise zeichnet sich ab, dass Fonds mit einem ESG-Fokus (Enviromental, Social, Governance) besonders resilient gegen die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie sind.
Einheitliche Bewertungskriterien für nachhaltige Finanzprodukte gab es aber bisher noch nicht. Das soll sich nun sukzessive mit der Umsetzung des EU-Gesetzgebungspakets für nachhaltiges Investieren u.a. durch die Taxonomie-Verordnung und der Ende 2019 in Kraft getretenen Offenlegungsverordnung ändern. Zudem hat die EU-Kommission Entwürfe für Level 2-Maßnahmen zur Änderung der Delegierten Verordnung (EU) 2017/565 zu MiFID II veröffentlicht, welche die Aufnahme von Nachhaltigkeitsaspekten in die Geeignetheitsprüfung vorsehen.
Berichtspflichten im Hinblick auf Nachhaltigkeitsfaktoren und Nachhaltigkeitsrisiken
Die Offenlegungsverordnung vereinheitlicht unter anderem die Berichtspflichten von Finanzberatern im Hinblick auf Nachhaltigkeitsfaktoren und Nachhaltigkeitsrisiken. Der Begriff Finanzberater erfasst sämtliche Kreditinstitute, Wertpapierfirmen, Alternative Investmentfonds (AIF) und Organismen-für-gemeinsame-Anlagen-in-Wertpapieren (OGAW)-Verwaltungsgesellschaften, die Anlageberatung anbieten, sowie Versicherungsunternehmen und Versicherungsvermittler, die Beratung zu Versicherungsanlageprodukten anbieten. Anlageberatung meint die Abgabe persönlicher Empfehlungen an einen Kunden entweder auf dessen Aufforderung oder auf Initiative der Wertpapierfirma, die sich auf ein oder mehrere Geschäfte mit Finanzinstrumenten beziehen.
Offenlegungspflichten in vorvertraglichen Informationen und Website
Nach den zum 10. März 2021 in Kraft tretenden Regelungen der Offenlegungsverordnung müssen Finanzberater auf ihrer Website darlegen, ob sie bei ihrer Anlageberatung „die wichtigsten nachteiligen Auswirkungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren″ berücksichtigen. Zu Nachhaltigkeitsfaktoren zählen hierbei Umwelt-, Sozial- und Arbeitnehmerbelange sowie die Achtung der Menschenrechte und die Bekämpfung von Korruption und Bestechung. Zudem müssen Finanzberater in ihren vorvertraglichen Informationen offenlegen, inwieweit Nachhaltigkeitsrisiken in die Anlageberatung einbezogen werden. Sofern Nachhaltigkeitsrisiken relevant sind, müssen deren zu erwartende Auswirkungen auf die Rendite der Finanzprodukte dargestellt werden. Ein Nachhaltigkeitsrisiko wird in der Offenlegungsverordnung als ein Ereignis oder eine Bedingung in den Bereichen Umwelt, Soziales oder Unternehmensführung definiert, dessen beziehungsweise deren Eintreten tatsächlich oder potenziell wesentliche negative Auswirkungen auf den Wert der Investition haben könnte.
Auf der Website des Finanzberaters muss ebenfalls dargestellt werden, welche Strategien zur Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsrisiken verfolgt werden. Sofern Finanzberater dazu verpflichtet sind, Vergütungspolitiken festzusetzen, müssen sie auch in diesen angeben, inwiefern Nachhaltigkeitsrisiken einbezogen werden, und diese Informationen auf ihrer Website veröffentlichen.
Einbeziehung von Nachhaltigkeitspräferenzen in die Geeignetheitsprüfung
Nach den Entwürfen zur Änderung der Delegierten Verordnung (EU) 2017/565 zur MiFID II werden Anlageberater zukünftig dazu verpflichtet, Informationen über die Nachhaltigkeitspräferenzen der Anleger einzuholen und nur solche Produkte zu empfehlen, die diesen entsprechen. Damit wäre das Kriterium der Nachhaltigkeit einer Finanzanlage bei der Geeignetheitsprüfung und damit im Herzstück der Regulierung der Pflichten des Anlageberaters angekommen.
Die Geeignetheitsprüfung verlangt bislang vom Anlageberater, alle Informationen über die Kenntnisse und Erfahrung des Kunden im Anlagebereich, seine finanziellen Verhältnisse und seine Anlageziele einschließlich seiner Risikobereitschaft einzuholen und auf dieser Basis geeignete Anlageprodukte zu empfehlen.
Die Einbeziehung von Nachhaltigkeitspräferenzen bedeutet, dass Kunden darüber hinaus gefragt werden müssen, ob sie Produkte einbeziehen wollen,
- die nachhaltige Investitionen sind oder
- die ökologische oder soziale Merkmale bewerben und hierbei
- entweder nachhaltige Investitionen sind oder
- nachteilige Auswirkungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren im Sinne der Offenlegungsverordnung (gilt ab 30. Dezember 2022) berücksichtigen.
Unter nachhaltigen Investitionen sind hierbei wirtschaftliche Tätigkeiten zu verstehen, die zur Erreichung eines Umweltziels oder eines sozialen Ziels beitragen, vorausgesetzt, dass die Investitionen keines dieser Ziele erheblich beeinträchtigen und die Unternehmen, in die investiert wird, Verfahrensweisen einer guten Unternehmensführung anwenden.
Wenn der Kunde diese Frage bejaht, wäre dies bei der Anlageempfehlung zu berücksichtigen und dem Kunden dürfen nur solche Produkte empfohlen werden, welche den Nachhaltigkeitspräferenzen genügen.
Die aktuellen Entwicklungen zeigen, dass Anlageberater sich vermehrt mit der Nachhaltigkeit von Finanzprodukten auseinandersetzen müssen. Die Anpassung von Websites und vorvertraglichen Bedingungen an die neuen Offenlegungspflichten sollte rechtzeitig angegangen werden. Vor allem aber ist im Blick zu behalten, inwieweit zukünftig Nachhaltigkeitsaspekte in der Anlageberatung berücksichtigt werden müssen. Wir halten Sie auf dem Laufenden.
In unserer Serie „Sustainable Finance″ sind wir eingegangen auf steuerliche Lenkungsmechanismen beim Erreichen von Nachhaltigkeitszielen, auf neue Pflichten in der Anlagenberatung, Offenlegungspflichten unter der Taxonomie-VO und auf „Green Bonds„.