5. September 2016
Gesellschaftervereinbarung
Unternehmensnachfolge Corporate / M&A Private Clients

Gesellschaftervereinbarung – Sammelsurium oder Pulverfass?

"Wo regeln wir das jetzt noch?", diese Frage stellen sich Gesellschafter häufig. Die Antwort: in einer gesonderten Gesellschaftervereinbarung.

Anders als der Abschluss eines Gesellschaftsvertrages ist der Abschluss einer Gesellschaftervereinbarung nicht zwingend, sondern lediglich ein Instrument, weitere Vereinbarungen zwischen den Gesellschaftern mit Blick auf die Gesellschaft und/oder ihre Beteiligung daran zu treffen. Partei der Gesellschaftervereinbarung müssen nicht alle Gesellschafter einer Gesellschaft sein. Je nach Situation schließen einzelne Gruppen, alle oder auch nur zwei Gesellschafter einen solchen zusätzlichen Vertrag und dies zu den unterschiedlichsten Zwecken. Entsprechend unterschiedlich ist auch die Bezeichnung dieser Vereinbarung: Shareholders‘ Agreement, Gesellschafter- oder Aktionärsvereinbarung, Konsortialvereinbarung, Pool- oder Stimmbindungsvertrag.

Vertraulichkeit

Was in einer Gesellschaftervereinbarung steht, wissen nur die Beteiligten. Die Satzung einer Aktiengesellschaft oder GmbH ist über das Handelsregister öffentlich einsehbar, die Gesellschaftervereinbarung nicht. Das ist oft der ausschlaggebende Grund, weshalb bestimmte Rechte und Pflichten separat geregelt werden, obwohl man sie theoretisch auch direkt in die Satzung aufnehmen könnte. Dazu zählen beispielsweise Regelungen zu Vorkaufsrechten, Andienungspflichten oder Mitverkaufsrechten und -pflichten. So erhalten außenstehende Dritte keinen Einblick in die internen Beziehungen zwischen den Gesellschaftern.

Interna

Das gilt ganz allgemein: In der Gesellschaftervereinbarung können die Parteien ihre unterschiedlichen Interessen mit Blick auf die Entwicklung der Gesellschaft klarstellen und festhalten, Absichten und Ziele erklären und Regelungen für einzelne Zukunftsszenarien treffen. Wer darf in welchem Umfang Wettbewerb betreiben? Welche Vertragsstrafe wird bei einem Verstoß fällig? Zu welchen Bedingungen beliefert ein Gesellschafter die Gesellschaft, wann und wie werden diese Bedingungen angepasst? Gibt es Abnahmeverpflichtungen der Gesellschafter? Die Gesellschaftervereinbarung kann auch die künftige Finanzierung der Gesellschaft betreffen. Im Rahmen einer Umstrukturierung, die der Neuausrichtung des Unternehmens dient, können die Gesellschafter beispielsweise regeln, wer wann zu welchen Bedingungen weiteres Kapital zur Verfügung stellt. Im Falle eines Management Buy Out wird ein Finanzinvestor im Rahmen einer Gesellschaftervereinbarung regelmäßig seine Renditeerwartungen definieren und gemeinsam mit den Managern Meilensteine für die Entwicklung des Unternehmens festlegen.

Stimmbindungsvereinbarungen prüfen!

Gesellschaftervereinbarungen können das Machtgefüge in einer Gesellschafterversammlung erheblich verschieben. So kann einem Gesellschafter beispielsweise für bestimmte Themen mehr Einfluss eingeräumt werden als er aufgrund der ihm zustehenden Stimmrechte eigentlich hätte. Dies wird technisch über Stimmbindungsvereinbarungen erreicht, d.h. einzelne oder alle Mitgesellschafter verpflichten sich, in der Gesellschafterversammlung für bestimmte Maßnahmen oder sogar stets einheitlich zu stimmen. Häufig nutzen Gesellschafter eines Familienstamms dieses Instrument auch, um ihren Einfluss in der Familiengesellschaft zu erhöhen bzw. möglichst gut auszunutzen. Dieses sogenannte „Pooling″ ist zum Teil auch steuerlich motiviert, z.B. um steuerschädliche Umstrukturierungen zu verhindern. Bei Aktiengesellschaften ist darauf zu achten, dass eine Stimmrechtsabsprache, die eine börsennotierte Gesellschaft betrifft, kapitalmarktrechtliche Konsequenzen haben und Mitteilungspflichten auslösen kann. Auch kartellrechtliche Fragen sind bei Stimmbindungsvereinbarungen stets zu prüfen, da sich voneinander unabhängige Gesellschafter dazu verpflichten ihren Einfluss zu bündeln, was einem Zusammenschluss gleichkommen kann.

Nur ein Vertrag

Bei der Verschiebung von Themen aus dem Gesellschaftsvertrag in eine Gesellschaftervereinbarung ist auch deshalb Vorsicht geboten, weil sich die beiden Verträge in ihrer Rechtsnatur grundsätzlich unterscheiden. Gesellschaftsvertrag oder Satzung sind einerseits schuldrechtliche Vereinbarung, die ein Dauerschuldverhältnis begründet, und andererseits organisationsrechtlicher Vertrag, der die Grundlage diverser Rechte und Pflichten sowie der Existenz der Gesellschaft als solcher bildet. Insbesondere sind sie jeweils Basis der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht zwischen den Gesellschaftern. Jede Änderung betrifft die Grundlagen der Zusammenarbeit und die Gesellschafter haben – soweit zumutbar – aufeinander Rücksicht zu nehmen.

Die Gesellschaftervereinbarung dagegen ist „nur″ schuldrechtliche Vereinbarung, sofern nicht im Einzelfall eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts zwischen den Vertragsparteien begründet werden soll. Eine gesteigerte Rücksichtnahmepflicht gibt es in diesem Verhältnis also nicht.

Zudem ist ein Gleichlauf mit den gesellschaftsrechtlichen Beteiligungsverhältnissen sicherzustellen. Die Gesellschaftervereinbarung gilt nicht ohne Weiteres für jeden Rechtsnachfolger eines Gesellschafters. Werden beispielsweise Gesellschaftsanteile an einen Dritten verkauft, ist zu überlegen, ob es Sinn macht, dass er diese Anteile nur erhält, wenn er auch Partei der Gesellschaftervereinbarung wird und damit auch an die zusätzlichen internen Absprachen gebunden ist. Jeder Gesellschafter, der Partei der Gesellschaftervereinbarung ist, kann dazu verpflichtet werden, dies sicherzustellen, etwa über eine entsprechende Bedingung im Anteilskaufvertrag.

Sorgfältige Prüfung und Ausarbeitung zwingend

Die Gesellschaftervereinbarung kann wesentliche Grundlagen für die Zusammenarbeit der Gesellschafter in der Gesellschaft beinhalten und erhebliche Auswirkungen auf die Aktivitäten der Gesellschaft und das Machtgefüge in der Gesellschafterversammlung haben. Das Sammelsurium kann zum Pulverfass werden und sollte entsprechend sorgfältig ausgearbeitet und mit dem Gesellschaftsvertrag verzahnt sein.

Unsere Beitragsreihe stellt wichtige Aspekte rund um das Thema Unternehmensnachfolge dar. Angefangen mit dem Gesellschaftsvertrag, folgt der Unternehmensverkauf an Finanzinvestoren und an strategische Investoren sowie ein Beitrag zum möglichen Nießbrauch an Gesellschaftsanteilen. Weitere Beiträge handeln vom Erbschaftsteuerrecht und den Auswirkungen auf Familienunternehmen, dem Minderjährigen als Unternehmensnachfolger und der Betriebsaufspaltung bei der Unternehmensübertragung. Weiter haben wir uns mit der Möglichkeit einer Familienstiftung an sich und ihrer steuerrechtlichen Besonderheiten sowie dem Gesellschafterstreit beschäftigt. Zuletzt kamen Antworten auf Fragen rund um das Unternehmertestament und zum Pflichtteilsrecht sowie zum Güterstand der Gesellschafter und dem internationalen Erbrecht in der Unternehmensnachfolge. Bei Fragen zögern Sie nicht, mit unserer Expertin Frau Astrid Roesener in Kontakt zu treten.

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