8. April 2021
Gemeinnützigkeit Steuer
Steuerrecht

Im Gemeinnützigkeitsrecht tut sich etwas

Die Reform des steuerlichen Gemeinnützigkeitsrechts erleichtert die Strukturierung gemeinnütziger Organisationen.

Im Gemeinnützigkeitsrecht wurden in letzter Zeit diverse Veränderungen angestoßen bzw. bereits umgesetzt. So befindet sich eine Reform des Stiftungsrechts derzeit im Gesetzgebungsprozess. Am 5. März 2021 wurde die Erhöhung des Haftungsprivilegs für Stiftungsvorstände vom Bundesrat gebilligt. Mit dem Jahressteuergesetz 2020 wurde bereits das steuerliche Gemeinnützigkeitsrecht reformiert. Letzteres führt insbesondere bei der Strukturierung gemeinnütziger Organisationen zu Verbesserungen. 

Die angepassten Regelungen zum steuerlichen Gemeinnützigkeitsrecht gelten bereits seit dem 29. Dezember 2020. 

Ergänzung der gemeinnützigen Zwecke

Der Katalog der gemeinnützigen Zwecke wurde um folgende Zwecke erweitert:

  • Klimaschutz,
  • Hilfe für Menschen, die auf Grund ihrer geschlechtlichen Identität oder ihrer geschlechtlichen Orientierung diskriminiert werden, 
  • Ortsverschönerung,
  • Freifunk sowie 
  • Unterhaltung und Pflege von Friedhöfen 

Grundlegende Neuerungen für Kooperationen mit einer gemeinnützigen Körperschaft

Grundsätzlich muss eine gemeinnützige Körperschaft die steuerbegünstigten Zwecke „unmittelbar″, also selbst verwirklichen. Aufgrund der Reform kann eine gemeinnützige Organisation ihre gemeinnützigen Zwecke auch dann unmittelbar erfüllen, wenn sie satzungsgemäß mit mindestens einer weiteren Körperschaft planmäßig zusammenwirkt und die weitere Körperschaft die Voraussetzungen der Gemeinnützigkeit nach §§ 51 bis 68 AO erfüllt (§ 57 Abs. 3 AO). 

Die Neuregelung ist zu begrüßen. Denn nach bisheriger Rechtslage führte die Ausgliederung einer (wirtschaftlichen) Tätigkeit auf eine rechtlich eigenständige Körperschaft dazu, dass diese mangels unmittelbarer eigener gemeinnütziger Zwecke nicht als gemeinnützig anerkannt werden konnte. Diese war dann als steuerpflichtig anzusehen. Die Gesetzesbegründung führt als Beispiel die Ausgliederung des Wäschereibetriebs eines Krankenhauses (Zweckbetrieb) auf eine Wäscherei-GmbH an. Nach bisheriger Rechtslage war die Wäscherei-GmbH nicht gemeinnützig und deshalb steuerpflichtig, da sie selbst keine steuerbegünstigte Tätigkeit ausgeübt hat. 

Im Ergebnis wird zukünftig eine wirtschaftliche Betrachtung angestellt und die Körperschaften, die planmäßig zusammenwirken, sowohl zur Beurteilung der Unmittelbarkeit der Zweckverwirklichung, aber auch für die Zweckbetriebseigenschaft als Verbund betrachtet (rechtsträgerübergreifende Gesamtbetrachtung). Die im Beispiel genannte Wäscherei-GmbH ist danach in der Gesamtbetrachtung mit dem Krankenhaus selbst gemeinnützig und als steuerfreier Zweckbetrieb anzusehen. 

Die Kooperationskörperschaft muss keine gesellschaftsrechtlich verbundene Körperschaft sein. Es kann sich vielmehr auch um eine rechtlich eigenständige Kooperationskörperschaft handeln. Zukünftig dürften damit insbesondere Serviceeinheiten (z.B. EDV, Buchhaltung), die gemeinnützige Körperschaften unterstützen, oder auch Vermietungen (z.B. von Immobilien oder Wirtschaftsgütern) an eine gemeinnützige Körperschaft gemeinnützig sein. Die Kooperationsleistungen können sowohl entgeltlich als auch unentgeltlich erfolgen. 

Um das Satzungserfordernis zu erfüllen, muss die weitere Körperschaft den Zweck der Körperschaft, die sie unterstützt will, als Zweck und zudem als Zweckverwirklichung die Erbringung von Kooperationsleistungen an andere steuerbegünstigte Körperschaften in der Satzung anführen. Allerdings sollte die Körperschaft, an die planmäßig Kooperationsleistungen erbracht werden sollen, nicht konkret benannt werden müssen. 

Im Ergebnis dürfte die Neuregelung auch dazu führen, dass auch eine Finanzierung des ausgegliederten Bereichs als sog. nutzungsgebundenes Vermögen mit gemeinnützig zu verwendenden Mitteln möglich sein sollte.  

Auch Holdinggesellschaft kann zukünftig gemeinnützige Zwecke verfolgen

Aufgrund des Erfordernisses der Unmittelbarkeit konnten bisher reine Holdinggesellschaften, in denen gemeinnützige Tochtergesellschaften gebündelt wurden, nicht steuerbegünstigt sein. Denn nur die Tochtergesellschaften verwirklichten unmittelbar gemeinnützige Zwecke. 

§ 57 Abs. 4 AO sieht nun vor, dass auch eine Holdinggesellschaft, die ausschließlich Anteile an steuerbegünstigten Körperschaften hält und verwaltet, unmittelbar gemeinnützige Zwecke verfolgt. Gemeinnützigkeitsrechtlich werden damit die Anteile an den gemeinnützigen Tochtergesellschaften nicht mehr dem Bereich der Vermögensverwaltung, sondern dem ideellen Bereich oder dem Zweckbetrieb zugeordnet, so dass auch zeitnah zu verwendende Mittel zur Finanzierung der Tochtergesellschaften eingesetzt werden können.  

Auch für die Holdinggesellschaft sollte ein entsprechender Satzungsvorbehalt gelten um als gemeinnützig anerkannt zu werden. 

Vereinheitlichung der Regelungen zur Mittelweitergabe

Die bisherige Unterscheidung zwischen Förderkörperschaften und Körperschaften, die einen Teil ihrer Mittel weitergeben (§ 58 Nr. 1 und Nr. 2 AO), wurde aufgegeben und durch eine einheitliche Regelung ersetzt. 

Nach der neuen Regelung ist es nicht gemeinnützigkeitsschädlich, wenn eine gemeinnützige Körperschaft einer anderen Körperschaft oder einer juristischen Person des öffentlichen Rechts Mittel für die Verwirklichung steuerbegünstigter Zwecke zuwendet. Ist eine beschränkt oder unbeschränkt steuerpflichtige Körperschaft des privaten Rechts Empfänger der Zuwendung, muss diese selbst steuerbegünstigt sein. Es ist jedoch nicht mehr Voraussetzung, dass dieselben Zwecke wie die der Geberkörperschaft erfüllt werden. Damit kann eine steuerbegünstigte Körperschaft zukünftig durch Mittelweitergabe auch andere als die eigenen gemeinnützige Zwecke fördern. Einschränkungen werden sich hier aber in stiftungs-, vereins-, zivil- oder strafrechtlicher Hinsicht ergeben. 

Neben der Weitergabe von Geld oder Sachmitteln erfasst die Regelung auch die „Zuwendung″ von unentgeltlichen oder verbilligten Leistungen oder Nutzungsüberlassungen. Handelt es sich um eine reine Förderkörperschaft (bei Mittelweitergabe als einzige Art der Zweckverwirklichung) muss die Mittelweitergabe als Art der Zweckverwirklichung in der Satzung verankert werden. Auch wenn eine Körperschaft nicht alle Mittel weitergibt, sondern neben der Mittelweitergabe eine eigene gemeinnützige Tätigkeit ausübt, bietet sich eine entsprechende Satzungsregelung zur Zweckverwirklichung an.

Vertrauensschutz bei der Mittelweitergabe

Zu begrüßen sind die ergänzenden Regelungen des § 58a AO für einen Vertrauensschutz bei Mittelweitergabe im Sinne einer gutgläubigen Mittelweitergabe. Lässt sich die Geberkörperschaft im Vorfeld einer Mittelweitergabe den gemeinnützigkeitsrechtlichen Status der Empfängerkörperschaft nachweisen, kommt eine Mittelfehlverwendung durch die Empfängerkörperschaft, die zu einem Verstoß gegen die Gemeinnützigkeit der Geberkörperschaft führen würde, nicht in Betracht. Die Geberkörperschaft muss sich – in Anlehnung an die Regelungen zur Ausstellung von Spendenbescheinigungen – die Voraussetzungen nachweisen lassen durch Vorlage der Anlage zum Körperschaftsteuerbescheid oder des Freistellungsbescheids (jeweils nicht älter ist als 5 Jahre) oder durch Vorlage des Bescheids über die Feststellung der satzungsmäßigen Voraussetzungen der Gemeinnützigkeit nach § 60a AO (nicht älter als 3 Jahre). Da die Empfängerkörperschaft aber insoweit keine Zuwendungsbestätigungen ausstellt, liegt es in der Verantwortung der Geberkörperschaft, den Nachweis durch Vorlage der genannten Unterlagen vor der Mittelweitergabe zu beschaffen. 

Ein Vertrauensschutz besteht jedoch nicht, wenn der Geberkörperschaft die Unrichtigkeit der vorgelegten Unterlagen bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht bekannt war oder sie die Mittelfehlverwendung durch die Empfängerkörperschaft selbst veranlasst hat. 

Bei Mittelweitergaben an juristische Personen des öffentlichen Rechts werden keine Nachweise gefordert. Hier wird eine gutgläubige Mittelweitergabe unterstellt. 

Kein Freistellungsbescheid bzw. Bescheid nach § 60a AO bei Verstoß gegen die tatsächliche Geschäftsführung 

Das Finanzamt darf aufgrund der Neuregelungen einen Bescheid über die Feststellung der satzungsmäßigen Voraussetzungen der Gemeinnützigkeit nach § 60a AO aufheben oder nicht erteilen, wenn Anhaltspunkte für einen Verstoß der tatsächlichen Geschäftsführung gegen die Vorschriften der Gemeinnützigkeit vorliegen. Bisher wurde bei Erteilung des Bescheides nach § 60a AO allein geprüft, ob die Satzung die Voraussetzungen der Gemeinnützigkeit erfüllt. Bescheide nach § 60a AO wurden bisher regelmäßig sehr kurzfristig erlassen. Es wird sich zeigen, ob – aufgrund einer ggf. umfangreicheren Prüfung durch die Finanzverwaltung – die Erteilung der Bescheide länger dauern wird. 

Einführung eines Zuwendungsempfängerregisters

Ab dem 1. Januar 2024 soll ein Zuwendungsempfängerregister beim Bundeszentralamt für Steuern geführt werden, in dem alle gemeinnützigen Körperschaften, die Spenden aus Deutschland empfangen, aufgeführt sind. Das Register steht auch Körperschaften in der EU bzw. dem EWR offen. Es soll öffentlich einsehbar sein und dazu dienen, einem potentiellen Spender im Vorfeld einer Spende Gewissheit zu geben, dass die Körperschaft die Voraussetzungen der Gemeinnützigkeit erfüllt. Der Aufbau des Registers durch Übermittlung der Daten der gemeinnützigen Körperschaften wird durch die Finanzverwaltung umgesetzt werden. Langfristig soll das Zuwendungsempfängerregister die Voraussetzung für die digitale Abwicklung der Spendenbescheinigungen für gemeinnützige Organisationen, Spender und Finanzverwaltung sein.

Verbesserungen für Ehrenamtliche und Spender

Bereits längere Zeit nicht mehr angehobene Beträge für ehrenamtlich Tätige wurden im Rahmen der Reform erhöht. So wurde der Übungsleiterfreibetrag von EUR 2.400 auf EUR 3.000 (§ 3 Nr. 26 EStG) und der Ehrenamtsfreibetrag von EUR 720 auf EUR 840 (§ 3 Nr. 26a EStG) angehoben. Bis zu diesen Beträgen können Übungsleiter (Ausbilder, Übungsleiter, Erzieher) und in gemeinnützigen Bereich ehrenamtlich Tätige steuer- und sozialversicherungsfrei Bezüge vereinnahmen, was das Interesse an diesen Tätigkeiten steigern soll.

Ergänzend wurde nun vom Bundesrat am 5. März 2021 eine Gesetzesänderung zur Anhebung der Grenze für das Haftungsprivileg (keine Haftung der Organmitglieder bei leichter Fahrlässigkeit) auf den entsprechenden Betrag von EUR 840 pro Jahr gebilligt (7. Gesetz zur Änderung von Verbrauchsteuergesetzen). Hierdurch wurde ein Gleichlauf der Beträge erreichen.

Ein vereinfachter Zuwendungsnachweis gilt für Spenden bis EUR 300 (bisher EUR 200).

Erleichterungen für „kleinere″ gemeinnützige Organisationen

Die Grenze für die Steuerpflicht von wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben wurde von bisher EUR 35.000 auf EUR 45.000 (Bruttoeinnahmen) angehoben. Übersteigen die Bruttoeinnahmen diese Grenze nicht, ist ein Gewinn aus dem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb nicht körperschaft- und gewerbesteuerpflichtig. Umsatzsteuer fällt dennoch an, wenn nicht die Kleinunternehmerregelung zur Anwendung kommt. 

Für kleinere gemeinnützige Organisationen entfällt zudem die Verpflichtung zur zeitnahen Mittelverwendung (§ 55 Abs. 1 Nr. 5 Satz 4 AO). Grundsätzlich müssen die Mittel einer gemeinnützigen Körperschaft (wie z.B. Spenden, Erträge aus wirtschaftlichem Geschäftsbetrieb oder aus Vermögensverwaltung) innerhalb von 2 Jahren für gemeinnützige Zwecke verwendet werden. Dies muss im Rahmen einer sog. Mittelverwendungsrechnung nachgewiesen werden. Übersteigen die zu verwendenden Mittel die Grenze von EUR 45.000 nicht, wird nun zum Zweck des Bürokratieabbaus auf die Verpflichtung zur zeitnahen Mittelverwendung verzichtet. Dies sollte auch für Mittel, die bei erstmaliger Anwendung der Neuregelung bereits vorhanden sind, gelten, jedoch ergibt sich dies nicht eindeutig aus dem Gesetzeswortlaut. Unklar ist zudem, ob es tatsächlich auf die Einnahmen ankommt oder ob – bei wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben und Vermögensverwaltung – die diesbezüglich zu verwendenden Mittel relevant sind, was unseres Erachtens durch teleologische Reduktion des Gesetzeswortlauts sachgerecht wäre. 

Neuregelungen zu Kooperationen und Holdingstrukturen ein Schritt in die richtige Richtung 

Insbesondere die Neuregelungen zu Kooperationen und zu Holdingstrukturen sind zu begrüßen. Damit können gemeinnützige Organisationen flexibler gestaltet und strukturiert werden. Zukünftig besteht die Möglichkeit haftungsrelevante Bereiche auf eine eigenständige Organisation auszugliedern, ohne hierdurch steuerliche Nachteile zu erleiden. Auch die weiteren umgesetzten Änderungen werden die Tätigkeit der gemeinnützigen Organisationen erleichtern. Darüber hinaus geforderte Änderungen, wie beispielsweise eine Klarstellung zur politischen Betätigung gemeinnütziger Organisationen, eine Anpassung des Zweckbetriebskatalogs oder auch eine sog. „Ausstiegsabgabe″ beim Wechsel einer gemeinnützigen Körperschaft in die Steuerpflicht wurden jedoch im Gesetzgebungsverfahren leider nicht aufgegriffen.

Tags: Gemeinnützigkeit Holding Kooperation Mittelweitergabe Organisation Steuer