24. Oktober 2022
Digital Markets Act DMA
TMC – Technology, Media & Communications

Der Digital Markets Act (DMA) tritt am 1. November 2022 in Kraft

Mit dem DMA unterwirft die EU große Digitalkonzerne einer umfassenden Regulierung. Diese Dos und Don'ts gelten bald für digitale Gatekeeper.

Der Digital Markets Act (DMA) ist da – am 12. Oktober 2022 erfolgte die Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union, am 1. November 2022 tritt das Gesetz in Kraft. Die EU ist damit die erste Jurisdiktion, die die Marktmacht der großen digitalen Plattformen einem umfassenden Regulierungskonzept unterwirft. Ziel des DMA ist die Gewährleistung von Bestreitbarkeit und Fairness auf digitalen Märkten. Dafür erlaubt das Gesetz der EU-Kommission dazu, Digitalunternehmen als „Gatekeeper“ zu benennen und festzulegen, für welche ihrer wichtigsten Plattformdienste die Verpflichtungen des DMA gelten. Die strengen Dos und Don’ts, u.a. in Bezug auf Zugang zu Plattformen, Datenzugang, Interoperabilität oder Selbstbevorzugung, werden starken Einfluss auf die Geschäftsmodelle großer Digitalunternehmen und ihrer Wettbewerber haben. Neben Selbstüberwachung durch die Gatekeeper und hohen Geldbußen i.H.v. 10% des Konzernumsatzes und sogar i.H.v. 20% bei wiederholten Verstößen setzt die EU auch auf Private Enforcement durch Dritte. Mit dem Inkrafttreten des Gesetzes steht auch der Zeitplan für die Gatekeeper-Benennungen und das Wirksamwerden der Dos und Don’ts fest. 

Große Digitalplattformen, die als sog. Gatekeeper zentrale Plattformdienste anbieten, werden damit einer weitreichenden Regulierung durch die Europäische Kommission unterworfen. 

Der DMA ist eines der Kernvorhaben der Digitalstrategie der Europäischen Kommission und sein Inkrafttreten ist ein großer Erfolg für die EU. Rufe nach strengeren Regeln für große Digitalplattformen sind zwar schon seit Jahren zu vernehmen und entsprechende Gesetzesvorhaben werden in verschiedenen Jurisdiktionen diskutiert. 

Dem europäischen Gesetzgeber ist es jedoch gelungen, den DMA im Rekordtempo durch das Gesetzgebungsverfahren zu führen. Die Europäische Kommission (nachfolgend „Kommission“) präsentierte ihren Gesetzesvorschlag im Dezember 2020 und bereits am 24. März 2022 konnten die Co-Gesetzgeber Europäischer Rat und Europäisches Parlament eine politische Einigung verkünden. Sechs Monate später (also am 2. Mai 2023) finden die wesentlichen Regelungen Anwendung.

Anders als bei vielen Gesetzesvorhaben wurde der ohnehin ambitionierte Entwurf der Kommission von den Gesetzgebern sogar noch verschärft. Das Ergebnis ist ein umfassendes Regulierungskonzept für große Digitalunternehmen, mit dem die EU zum Taktgeber für die Digitalregulierung weltweit werden kann. Es kann deshalb erwartet werden, dass der DMA auch über die Grenzen der EU hinaus faktische Wirkung erzielen wird. 

DMA mit Spielregeln für wichtige digitale Gatekeeper

Ziel des DMA ist die Gewährleistung eines funktionierenden Binnenmarktes durch Regeln für Bestreitbarkeit und Fairness auf den Märkten des digitalen Sektors. Der DMA richtet sich dazu an sehr große digitale Plattformen, die sog. „zentrale Plattformdienste“ anbieten, erhebliche Bedeutung für die digitale Wirtschaft haben und über eine „gefestigte und dauerhafte“ Marktposition verfügen. Erfasst sind jedenfalls die großen US-Digitalunternehmen, aber auch einige größere europäische Digitalplayer können in den Anwendungsbereich fallen. Das Kernstück des Gesetzes bilden Verpflichtungen für diese digitalen Gatekeeper in Form von Dos und Don’ts im Hinblick auf die zentralen Plattformdienste. Die konkreten, unmittelbar anwendbaren (self-executing) Regeln stellen Spielregeln zum „Fair Play“ für die großen Digitalunternehmen auf. Sie spiegeln die Erfahrungen der Kommission bei der Anwendung des Kartellrechts auf den digitalen Märkten wider. Auch wenn der DMA im Gegensatz zum Kartellrecht auf Regulierung anstatt auf nachträgliche Kontrolle setzt, waren viele der im DMA geregelten Verhaltensweisen Gegenstand von kartellrechtlichen Verfahren der Kommission. Die kartellrechtliche Aufsicht wegen missbräuchlichen Verhaltens bleibt aber neben dem DMA bestehen und ist weiter anwendbar. 

Zentrale Plattformdienste – die regulierten Dienste im DMA

Der DMA reguliert bestimmte Online-Dienste, die als wichtige Schnittstellen zwischen einer großen Anzahl von Nutzern* und Unternehmen fungieren. Diese sog. „zentralen Plattformdienste“ zeichnen sich insbesondere durch ausgeprägte Skaleneffekte, sehr starke Netzwerkeffekte, Lock-in-Effekte, datenbasierte Vorteile, fehlendes Multi-Homing und vertikale Integration aus. 

Die zentralen Plattformdienste werden im DMA aufgelistet. Diese Auflistung ist entscheidend, da sie den Anwendungsbereich des DMA festlegt – nur Anbieter von zentralen Plattformdiensten können Gatekeeper sein und die Verpflichtungen des DMA beziehen sich nur auf zentrale Plattformdienste. Die zentralen Plattformdienste umfassen

  • Online-Vermittlungsdienste,
  • Online-Suchmaschinen,
  • soziale Netzwerke,
  • Video-Sharing-Plattformen,
  • Messengerdienste (nummernunabhängige interpersonelle Kommunikationsdienste),
  • Betriebssysteme,
  • Web-Browser,
  • virtuelle Assistenten,
  • Cloud-Computing-Dienste und
  • Online-Marketingdienste.

Gatekeeper – die Adressaten des DMA 

Auf den Digitalmärkten stellen die Dienste einiger weniger großer Unternehmen praktisch kaum vermeidbare Gateways für den Zugang zu Endnutzern für Unternehmen (gewerbliche Nutzer) dar. Die Anbieter solcher Dienste können außerdem regelmäßig ihre Vorteile aus einem Tätigkeitsbereich – z.B. Datenvorteile – in anderen Bereichen ausspielen. Diese sog. Gatekeeper sind Adressaten der Regelungen des DMA. 

Ob ein Digitalunternehmen eine Gatekeeper-Rolle hat, wird anhand einer Reihe von kumulativen Kriterien festgestellt, wozu die Größe des Unternehmens und die Anzahl der End- und Geschäftskunden gehören, die die zentralen Plattformdienste des Unternehmens in der EU nutzen:

GrößenkriteriumEU-weiter Umsatz von EUR 7,5 Mrd. in den letzten drei Geschäftsjahren oder fair market value Bewertung von EUR 75 Mrd. UND Angebot desselben zentralen Plattformdienstes in drei EU-Mitgliedsstaaten 
Gateway-KriteriumZentraler Plattformdienst mit mind. 45 Mio. monatlich aktiven Endnutzern UND mind. 10.000 jährlich aktiven gewerblichen Nutzern
DauerkriteriumDas Gateway-Kriterium wurde in den letzten drei Geschäftsjahren erfüllt 

Eine Anlage zum DMA erläutert, wie die aktiven Endnutzer sowie gewerblichen Nutzer im Hinblick auf die einzelnen zentralen Plattformdienste festzustellen sind. Unternehmen, die die Vermutungstatbestände erfüllen, sind verpflichtet, die Gatekeeper-Stellung innerhalb von zwei Monaten bei der Kommission zu notifizieren und der Kommission die erforderlichen Informationen zur Prüfung der Gatekeeper-Voraussetzungen zur Verfügung zu stellen; die Kommission arbeitet an einer Durchführungsverordnung, die ein Formblatt für die Notifizierung umfassen soll. Unternehmen, die aktuell die Gatekeeper-Kriterien erfüllen, müssen ihre Notifizierung bis Juli 2023 (zwei Monate nachdem die entsprechenden Regelungen im DMA am 2. Mai 2023 Anwendung finden) bei der Kommission einreichen. Die Kommission erlässt dann innerhalb von 45 Arbeitstagen Entscheidungen, mit denen Unternehmen als Gatekeeper benannt werden.

Gatekeeper-Pflichten: Dos und Don’ts für zentrale Plattformdienste

Für jeden ihrer in der jeweiligen Gatekeeper-Benennungsentscheidung genannten zentralen Plattformdienste müssen die Gatekeeper die Verpflichtungen aus Art. 5, 6 und 7 DMA beachten. 

Die Vorschriften listen Geschäftspraktiken auf, die den EU-Gesetzgebern bei der Verwendung durch Gatekeeper im Hinblick auf ihre Core Platform Services (CPS) problematisch erschienen (Don’ts) bzw. im Hinblick auf die sie die Gatekeeper zu bestimmtem Verhalten verpflichten wollten (Dos). Art. 5 DMA enthält dabei Vorgaben, die ohne weitere Konkretisierung anwendbar sind, während die Verpflichtungen aus Art. 6 DMA zwar auch direkt anwendbar sind, jedoch von der Kommission weiter für den einzelnen Gatekeper spezifiziert werden können. Art. 7 DMA umfasst weitgehende Interoperabilitätsverpflichtungen für Messengerdienste.

VorschriftInhalt
Art. 5 Abs. 2 DMAVerbot der Datenkombination
Art. 5 Abs. 3 DMAVerbot der Nutzung von Meistbegünstigungsklauseln (MFN)
Art. 5 Abs. 4 DMAVerpflichtung, Kommunikation an Endnutzer zu erlauben
Art. 5 Abs. 5 DMAVerpflichtung, Endnutzer Zugang zu Services etc. von Business-Nutzer zu erlauben
Art. 5 Abs. 6 DMAVerbot, Rechtsbehelfe von Nutzern einzuschränken 
Art. 5 Abs. 7 DMAKoppelungsverbot 
Art. 5 Abs. 8 DMAVerbot, Registrierungen bei anderen CPS zu verlangen
Art. 5 Abs. 9 DMAVerpflichtung, Anzeigenkunden (Advertiser) Informationen zu Werbepreisen zur Verfügung zu stellen
Art. 5 Abs. 10 DMAVerpflichtung, Herausgebern (Publishern) Informationen zu Werbepreisen zur Verfügung zu stellen
Art. 6 Abs. 2 DMAVerbot der Datennutzung im Wettbewerb
Art. 6 Abs. 3 DMAVerpflichtung, Deinstallation vorinstallierter Software zu erlauben und Default-Einstellung zu ändern
Art. 6 Abs. 4 DMAVerpflichtung, Installation von Apps zu erlauben (Side Loading)
Art. 6 Abs. 5 DMAVerbot der Selbstbevorzugung bei Ranking, Indexierung und Crawling
Art. 6 Abs. 6 DMA Verbot, Wechselmöglichkeiten zu beschränken
Art. 6 Abs. 7 DMAVerpflichtung zur Interoperabilität 
Art. 6 Abs. 8 DMAVerpflichtung, Anzeigenkunden (Advertiser) und Herausgebern (Publisher) Zugang zu Performance-Messtools zu gewähren
Art. 6 Abs. 9 DMAVerpflichtung, Endnutzern Zugang zu CPS-Daten zu gewähren
Art. 6 Abs. 10 DMAVerpflichtung, Business-Nutzern und von diesen ermächtigten Dritten Zugang zu CPS-Daten zu gewähren
Art. 6 Abs. 11 DMAVerpflichtung, Suchmaschinenbetreibern Zugang zu Suchdaten zu FRAND-Konditionen zu gewähren
Art. 6 Abs. 12 DMAVerpflichtung, Zugang zu FRAND-Konditionen zu App-Stores, Online-Suchmaschinen und Online-Sozialen Netzwerken zu gewähren
Art. 6 Abs. 13 DMAVerbot von unverhältnismäßigen Bedingungen für Kündigungen von CPS
Art. 7 DMA Interoperabilitätsverpflichtung für Messengerdienste

Die Verpflichtungen gelten für den jeweiligen Gatekeeper sechs Monate nach Erlass der Gatekeeper-Benennungsentscheidung. Erst mit der Gatekeeper-Entscheidung steht auch fest, im Hinblick auf welche CPS der jeweilige Gatekeeper an die Dos und Don’ts des DMA gebunden ist. Die genaue Abgrenzung der Dienste des Gatekeepers und ihre Zuordnung zu den einzelnen CPS wird dabei die große Herausforderung für den Benennungsprozess darstellen.

Geht man davon aus, dass die Notifizierungen im Juli 2023 erfolgen und die Gatekeeper-Benennungen dementsprechend im Herbst 2023, finden die Dos und Don’ts voraussichtlich im März 2024 Anwendung. 

DMA-Umsetzung durch Kontrolle und Sanktionen

Die Gatekeeper-Verpflichtungen des DMA sind im Grundsatz „self-executing“. Die Gatekeeper sind zur Umsetzung ihrer Dos und Don’ts verpflichtet, müssen dies u.a. durch die Schaffung einer Compliance-Funktion sicherstellen und unterliegen Audit- und Berichtspflichten, mit denen ihnen die Beweislast für die Einhaltung des DMA auferlegt wird. 

Die Überwachung der Einhaltung des DMA obliegt der Kommission, der dazu das aus dem Kartellrecht bekannte Arsenal von Ermittlungsmaßnahmen zur Verfügung steht, von Auskunftsersuchen über Zeugenbefragungen bis zu Dawn Raids. Im Fall von Verstößen drohen Gatekeepern Bußgelder i.H.v. bis zu 10% des weltweiten Konzernumsatzes, bei wiederholten Verstößen können die Strafen sogar bis zu 20% betragen. 

Innerhalb der Kommission ist die Umsetzung des DMA den Generaldirektionen (GD) COMP (Wettbewerb) und CNECT (Kommunikationsnetze, Inhalte und Technologien) zugewiesen. Die Aufgabenzuweisung soll thematisch erfolgen, sodass z.B. damit gerechnet werden kann, dass die eher technischen Interoperabilitätsthemen von der GD CNECT bearbeitet werden, während die aus dem Wettbewerbsrecht stammenden Themen der Selbstbevorzugung bei der GD COMP angesiedelt werden. Denkbar sind aber auch gemischte Teams. 

Trotz der Zuständigkeit der Kommission für die Durchsetzung des DMA können aber auch die Behörden der Mitgliedstaaten eine wichtige Rolle übernehmen. Der DMA erlaubt ihnen insbesondere, Untersuchungen zur Einhaltung der DMA-Verpflichtungen einzuleiten und ihre Ergebnisse an die Kommission zu berichten; der deutsche Gesetzgeber plant gerade, mit der 11. GWB-Novelle die rechtlichen Voraussetzungen dazu in Deutschland für das Bundeskartellamt zu schaffen. 

Rolle dritter Unternehmen und Verbraucher sowie Private Enforcement 

Dritten Unternehmen oder Verbrauchern, die durch die Regelungen des DMA geschützt werden, bietet der DMA verschiedene Möglichkeiten. Sie können sich im Falle möglicher Verstöße bei der Kommission oder den zuständigen nationalen Behörden beschweren (in Deutschland wird dies wohl das Bundeskartellamt sein). Der DMA umfasst zudem verschiedene Transparenzvorschriften zur Veröffentlichung nicht vertraulicher Fassungen von Berichten zur Umsetzung der Gatekeeper-Verpflichtungen. Die Kommission hat außerdem schon deutlich gemacht, dass sie kein Interesse daran hat, die Umsetzung des DMA mit den Gatekeepern hinter verschlossenen Türen zu verhandeln. Sie setzt vielmehr auf Input aus dem Markt; überlegt wird dazu z.B. die Abhaltung von Workshops mit Industrievertretern. 

Neben der Unterstützung der behördlichen Überwachung werden Dritte auch die Möglichkeit haben, die neuen Gatekeeper-Verpflichtungen im Wege des Private Enforcement vor den Zivilgerichten selbst durchzusetzen. Den mit der 11. GWB-Novelle geplanten Änderungen im deutschen Recht, die zu einer Erleichterung dieses Private Enforcement in Deutschland führen würden, könnte dabei große Bedeutung bekommen. 

Wann gelten die Regeln des DMA?

Ab dem 2. Mai 2023 gilt der DMA; dann haben die Unternehmen, die die Vermutungskriterien für Gatekeeper erfüllen, zwei Monate Zeit zur Notifizierung. Nach der Benennung durch die Kommission müssen sich die Gatekeeper nach Ablauf einer Frist von sechs Monaten an die Dos und Don’ts des DMA halten. Dies wird etwa ab März 2024 der Fall sein. 

Die Kommission arbeitet aktuell an einem Entwurf einer Durchführungsverordnung, der Anfang nächsten Jahres in die öffentliche Konsolidierung gehen soll. Parallel baut die Kommission ihre internen Strukturen auf. Während erste Teams schon aufgestellt sind/werden und mit Alberto Bacchiega auch der Name eines erfahrenen Kommissionsbeamten für die Leitung kursiert, steht die endgültige Organisation bei der Kommission (im Gespräch ist anscheinend auch die Schaffung eines neuen Direktorats) noch nicht fest. Ebenso ist bisher unklar, welche Ressourcen (also wie viele zusätzliche Stellen) die Behörde genau erhält – das hängt vom kommenden EU-Budget ab. 

Mehr zum Thema Plattform-Regulierung erfahren Sie auf unserer Insight-Seite „Digital Regulation“. Informationen zum Digital Services Act (DSA) finden Sie ebenfalls auf unserem Blog.

This article is also available in English.

*Gemeint sind Personen jeder Geschlechtsidentität. Um der leichteren Lesbarkeit willen wird im Beitrag die grammatikalisch männliche Form verwendet.

Tags: Digital Markets Act DMA Gatekeeper TMC