Aus arbeitsrechtlicher Sicht ist das Jahr 2020 für die Zeitarbeit als eher unauffällig zu bezeichnen, faktisch hat das Coronavirus die Branche jedoch erheblich gebeutelt…
Das Jahr 2020 war im Wesentlichen von den Auswirkungen der und dem Umgang mit der Coronakrise geprägt. Von dieser war und ist die Zeitarbeitsbranche nach wie vor besonders getroffen. Dies gilt u.a. im Produktions- bzw. Industriebbereich; insbesondere die Automobil- und deren Zulieferindustrie sind gebeutelt und demgemäß auch die in diesen Segmenten aktiven Personaldienstleister. Gerade bei Zeitarbeitsunternehmen, die sich auf diese Branchen spezialisiert oder ihre Aktivitäten auf einige Großkunden in diesem Bereich fokussiert haben, trafen und treffen die tatsächlichen und die finanziellen Auswirkungen der Pandemie mit voller Wucht.
Gesetzgeber hat mit Änderungen der Kurzarbeit auf Corona-Pandemie reagiert
Der Gesetzgeber hat – wie seinerzeit in der Finanzkrise 2008 – schnell auf die sich ändernden Umstände und mit Blick auf die zu erwartenden schwerwiegenden Auswirkungen des Coronavirus auf den Arbeitsmarkt reagiert und die Voraussetzungen für den Bezug von Kurzarbeitergeld (merklich) reduziert.
Die Anspruchsdauer wurde von 12 auf 24 Monate verlängert und die Anspruchshöhe – in Abhängigkeit zur Dauer der Kurzarbeit – gestaffelt auf bis zu 87% des Nettoentgeltausfalls erhöht. Wie schon in der Finanzkrise wurde die Kurzarbeit für Zeitarbeitnehmer* geöffnet. Dies gilt zumindest bis zum 31. Dezember 2021 für Betriebe, die bis zum 31. März 2021 Kurzarbeit eingeführt haben.
Fremdpersonaleinsatz in Fleischereibetrieben als Corona-Hotspot ausgemacht
Nachdem sich im Frühsommer 2020 das Coronavirus in zahlreichen Betrieben der Fleischwirtschaft ausbreitete, reagierte die Politik – mit für die Zeitarbeit erheblichen Auswirkungen. Denn als Ursache wurde schnell der in der Fleischwirtschaft in der Tat verbreitete Einsatz von Fremdpersonal, vor allem im Rahmen von Werkverträgen, und die dortigen Arbeitsbedingungen identifiziert, unter denen die Mitarbeiter insbesondere aus Osteuropa tätig werden mussten.
Zur Behebung von tatsächlich bestehenden Missständen sollten u.a. Quoten für Betriebsbesichtigungen durch die Arbeitsschutzbehörden und Mindestanforderungen an die Unterkünfte für Arbeitnehmer eingeführt sowie die Bußgelder für Gesetzesverstöße, u.a. gegen die Bestimmungen des ArbZG, erhöht werden.
Grundsätzliches Verbot des Fremdpersonaleinsatzes in Teilbereichen der Fleischwirtschaft
Das „Herzstück″ des sog. Arbeitsschutzkontrollgesetzes ist aber das grundsätzliche Verbot von Werkverträgen ab dem 1. Januar 2020 und von Zeitarbeit ab dem 1. April 2021 im Bereich der Schlachtung und Fleischverarbeitung einschließlich der Zerlegung; ausgenommen sind Handwerksbetriebe, die weniger als 49 Personen beschäftigen.
Der gesetzgeberische Impuls, anlässlich der (erheblichen und zahlreichen) Ausbrüche von Corona in Schlachthöfen gegen die (im Übrigen schon lange bekannten) Missstände in der Fleischindustrie vorzugehen, ist dabei grundsätzlich richtig. In diesem Zusammenhang jedoch mit einem Verbot des Einsatzes von Fremdpersonal zu reagieren, hingegen nicht. Dies gilt insbesondere mit Blick auf die Zeitarbeit und deren geringe Verbreitung in der Fleischindustrie.
Vor diesem Hintergrund war es alles andere als überraschend, dass sich gegen die Pläne der Großen Koalition Widerstand regte. Ein Verbot der Zeitarbeit sei – so die vollkommen richtige und überzeugende Begründung – aus verfassungs- und europarechtlichen Erwägungen rechtswidrig.
Davon ließ sich zumindest im Ergebnis auch die Politik überzeugen, die die Beschränkungen für den Einsatz von Fremdpersonal abmilderte. Werkverträge sollen ab dem 1. Januar 2020 verboten bleiben; die Zeitarbeit kann einer Untersagung in der Fleischverarbeitung, nicht hingegen bei der Schlachtung und Zerlegung für eine Übergangszeit von drei Jahren (ab dem 1. April 2021) entgehen, wenn ein Tarifvertrag für Auftragsspitzen den Einsatz von Zeitarbeitnehmern gestattet.
Einschränkend gilt ab dem ersten Tag der Gleichstellungsgrundsatz, sodass die Überlassungshöchstdauer auf maximal vier Monate begrenzt ist und dass Voreinsätze beim Einsatzunternehmen mitzählen, wenn diese nicht mehr als sechs Monate zurückliegen. Zeitarbeit darf darüber hinaus maximal 8% des Arbeitszeitvolumens der Stammbelegschaft in der Verarbeitung ausmachen. Das Gesetz ist dabei noch im Dezember 2020 durch den Bundestag und den Bundesrat „gepeitscht worden″; dieses tritt – wie geplant – zum 1. Januar 2021 in Kraft.
Ob sich die Zeitarbeitsbranche für diese gesetzliche Regelung allerdings „viel kaufen kann″, ist ungewiss. Dies liegt insbesondere daran, dass in Gänze unklar ist, ob sich die zuständige Gewerkschaft überhaupt auf den Abschluss eines entsprechenden Tarifvertrages einlässt. Es kommt dabei entscheidend auf das Verhalten der insoweit zuständigen NGG an.
Letztlich dürfte klar sein, dass sich das entsprechende (etwaige) Zugeständnis der Gewerkschaft, die Zeitarbeit in der Fleischindustrie für einen Übergangszeitraum von drei Jahren tariflich „zu dulden″, mit einem Entgegenkommen der Arbeitgeber auf anderen Ebenen der tariflich gestaltbaren Arbeitsbedingungen verknüpft werden dürfte. Hier bleibt aber zunächst die weitere Entwicklung abzuwarten.
BAP, iGZ und die DGB-Tarifgemeinschaft Zeitarbeit einigen sich auf neue Tarifverträge
Vor der beginnenden Coronapandemie im Frühjahr 2020 haben sich im Übrigen BAP, iGZ und die DGB-Tarifgemeinschaft Zeitarbeit im Dezember 2019 auf den Abschluss neuer Tarifverträge bzw. auf deren Anpassung geeinigt. Gesamtbetrachtend wurde die Verständigung der Tarifvertragsparteien der Zeitarbeit zwar (wirtschaftlich) teuer erkauft, jedoch ist an dieser „Front″ aufgrund der vereinbarten Laufzeiten bis mindestens zum 31. Dezember 2022 Ruhe – und das ist gut so!
Däubler-Kampagne vor EuGH
Nicht zuletzt zu erwähnen ist die Anrufung des EuGH durch das BAG zur sorg. Däubler-Kampagne. Der EuGH soll überprüfen, ob die gesetzlichen Regelungen, durch die von dem in der Zeitarbeit geltenden Gleichstellungsgrundsatz abgewichen werden kann, europarechtskonform sind.
Weitere Einzelheiten dazu entnehmen Sie dabei bitte unserem „Infobrief Zeitarbeit″, in dem wir jeden Monat über aktuelle Entwicklungen in Zusammenhang mit dem Einsatz von Fremdpersonal informieren. Sollten Sie Interesse haben, diesen kostenfrei zu beziehen, schreiben Sie uns bitte eine kurze E-Mail (alexander.bissels@cms-hs.com oder kira.falter@cms-hs.com).
*Gemeint sind Beschäftigte jeder Geschlechtsidentität. Lediglich der leichteren Lesbarkeit halber wird künftig bei allen Bezeichnungen nur noch die grammatikalisch männliche Form verwendet.