15. Januar 2020
Beweislast equal pay
Arbeitsrecht

AÜG-Reform 2017: Der Gleichstellungsgrundsatz (Teil 3 von 3)

Das AÜG wurde 2017 erneut reformiert. Im letzten Beitrag der Serie informieren wir u.a. über die Darlegungs- und Beweislast sowie Kündigungsmöglichkeiten.

In den ersten beiden Beiträgen dieser Serie wurden die wesentlichen Elemente des Gleichstellungsgrundsatzes zusammengefasst und die nur noch zeitlich beschränkt mögliche Abweichung vom Gleichstellungsgrundsatz hinsichtlich des Entgelts (equal pay) dargestellt. Nachfolgend geht es um die Darlegungs- und Beweislast sowie Kündigungsmöglichkeiten.

Darlegungs- und Beweislast liegt beim Zeitarbeitnehmer

Darlegungs- und beweispflichtig für den Grund und die Höhe des Anspruchs auf Gleichstellung ist nach allgemeinen Grundsätzen der Zeitarbeitnehmer*. Seiner Darlegungslast kann dieser zunächst dadurch genügen, dass er sich auf eine ihm vom Kunden nach § 13 AÜG erteilte Auskunft beruft und diese in den Prozess einführt. Es obliegt sodann dem Personaldienstleister, die maßgeblichen Umstände der Auskunft in erheblicher Art und im Einzelnen zu bestreiten.

Trägt er nichts vor oder lässt er sich nicht substantiiert ein, gilt der Inhalt der vom Zeitarbeitnehmer vorgetragenen Auskunft als zugestanden. Erschüttert der Personaldienstleister die Auskunft des Kunden, muss der Anspruchsteller die anspruchsbegründenden Tatsachen darlegen und beweisen (vgl. BAG, Urteil v. 23. März 2011 – 5 AZR 7/10; Urban-Crell/Germakowski/Bissels/Hurst, § 13 AÜG Rn. 8).

Zeitarbeitnehmer muss alle zur Berechnung erforderlichen Tatsachen vortragen

Stützt sich der Zeitarbeitnehmer im Prozess nicht auf eine Auskunft nach § 13 AÜG, muss er zur Darlegung des Anspruchs auf gleiches Arbeitsentgelt alle für dessen Berechnung erforderlichen Tatsachen vortragen. Dazu gehören vorrangig die Benennung eines vergleichbaren Stammarbeitnehmers und das diesem von dem Kunden gewährte Arbeitsentgelt.

Beruft sich der Zeitarbeitnehmer – alternativ – auf ein allgemeines Entgeltschema, hat er nicht nur dessen Inhalt darzulegen, sondern auch, dass ein solches im Betrieb des Kunden im Überlassungszeitraum tatsächlich Anwendung fand und wie er danach fiktiv einzugruppieren gewesen wäre (BAG, Urteil v. 13. März 2013 – 5 AZR 146/12; Bissels, BB 2014, 1658). Außerdem umfasst die Darlegungslast des Zeitarbeitnehmers den zur Ermittlung der Höhe des Anspruchs auf gleiches Arbeitsentgelt erforderlichen Gesamtvergleich der Entgelte im Überlassungszeitraum und die Berechnung der Differenzvergütung (vgl. BAG, Urteil v. 13. März 2013 – 5 AZR 294/12).

Zur substantiierten Darlegung des Gesamtvergleichs gehört die Erläuterung, in welchem konkreten Umfang im Überlassungszeitraum die Differenzvergütung etwa für geleistete Arbeit, aufgrund einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit oder von Feiertagen, für gewährten Urlaub oder Freizeitausgleich oder für die Abgeltung von Stunden aus einem Arbeitszeitkonto oder für einen sonstigen Tatbestand, der eine Vergütungspflicht ohne Arbeit regelt, begehrt wird (vgl. BAG, Urteil v. 19. Februar 2014 – 5 AZR 700/12).

Anforderungen der Rechtsprechung sind hoch

Die von der Rechtsprechung gestellten Anforderungen für den Zeitarbeitnehmer an die Darlegungs- und Beweislast sind sehr hoch, so dass in der Praxis die Durchsetzung eines equal pay-/equal treatment-Anspruchs in der Regel nur bei Vorlage einer entsprechenden Auskunft des Kunden nach § 13 AÜG erfolgsversprechend ist. Wird diese verweigert, kann der Zeitarbeitnehmer gegen den Kunden eine Klage auf eine entsprechende Erteilung vor den Arbeitsgerichten erheben (vgl. BAG, Urteil v. 24. April 2014 – 8 AZR 1081/12).

Der Zeitarbeitnehmer kann der Darlegungslast zur Höhe des Anspruchs auf equal pay auch nicht durch die bloße Bezugnahme auf die den Schriftsätzen beigefügten Unterlagen genügen. Anlagen können lediglich zur Erläuterung oder Belegung des schriftsätzlichen Vortrags dienen, diesen aber nicht ersetzen. Die Darlegung der Höhe der Vergütung vergleichbarer Stammarbeitnehmer und der Berechnung der Differenzvergütung durch den Zeitarbeitnehmer hat entsprechend § 130 Nr. 3 ZPO schriftsätzlich zu erfolgen (BAG, Urteil v. 19. Februar 2014 – 5 AZR 700/12).

Prozessbevollmächtigter muss zur Anspruchshöhe sorgfältig und umfangreich vortragen

Nach Ansicht des BAG zeichnet sich ein gewissenhafter und kundiger Prozessbevollmächtigter, der einen equal pay-Anspruch geltend macht, zudem dadurch aus, dass er in den Tatsacheninstanzen alle ihm bekannten, für die Anspruchshöhe relevant sein könnenden Tatsachen substantiiert vorträgt, insbesondere eine Auskunft nach § 13 AÜG einholt und in den Prozess einführt (vgl. BAG, Urteil v. 25. September 2013 – 5 AZR 617/13 (F).

Dies soll selbst für den Fall gelten, dass die Klage im Instanzenzug bereits wegen nicht eingehaltener Ausschlussfristen abgewiesen wurde und sich die Gerichte folglich nicht damit befassen mussten, ob der Zeitarbeitnehmer zur Höhe des Anspruchs bereits hinreichend substantiiert vorgetragen hat. Dieser darf nicht darauf vertrauen, in einem weiteren Berufungsverfahren Gelegenheit zu erhalten, in den Tatsacheninstanzen bislang zurückgehaltenen Sachvortrag oder eine erst nach der mündlichen Verhandlung vor dem BAG eingeholte Auskunft nach § 13 AÜG in das Verfahren einführen zu können, wenn das Urteil zugunsten des Zeitarbeitnehmers in der Revision aufgehoben wird (BAG, Urteil v. 25. September 2013 – 5 AZR 617/13 (F).

Kündigung des Arbeitsverhältnisses wegen equal pay?

Die nach der von einem Kunden wegen des „drohenden equal pay-Anspruchs″ zugunsten des dort eingesetzten Zeitarbeitnehmers vorgenommene Abmeldung sodann von dem Personaldienstleister ausgesprochene betriebsbedingte Kündigung des Mitarbeiters (verbunden mit einer Wiedereinstellungszusage nach 3 Monaten und 1 Tag) ist unwirksam (vgl. ArbG Mönchengladbach, Urteil v. 20. März 2018 – 1 Ca 2686/17). Der Arbeitgeber habe nicht dargelegt, dass die Beschäftigungsmöglichkeit für die Klägerin für einen hinreichend langen Zeitraum fortgefallen sei.

Die fehlende Einsatzmöglichkeit für drei Monate und einem Tag sei insoweit nicht ausreichend. Es sei Sinn und Zweck des AÜG, dem Einsatz von Zeitarbeitnehmern zur Erledigung von Daueraufgaben entgegenzuwirken. Dadurch, dass der Beklagte Personaldienstleister fast ausschließlich für ein Einzelhandelsunternehmen tätig geworden sei, würde die Geltung des KSchG praktisch aufgehoben, wenn allein die fehlende Einsatzmöglichkeit zur Rechtfertigung der Kündigung ausreichen würde. In einem solchen Fall sei auch der Grund für die fehlende Einsatzmöglichkeit zu berück­sichtigen.

Praktische Umsetzung der AÜG-Reform 2017 weiterhin problembehaftet

Die Zeitarbeitsbranche hat noch mit der praktischen Umsetzung der AÜG-Reform 2017, insbesondere mit Blick auf das maßgebliche equal pay, zu kämpfen. Neben der erforderlichen und oft mühseligen Informationsbeschaffung über das maßgebliche Vergleichsentgelt eines Stammbeschäftigten stellt es eine besondere Herausforderung dar, mit den Angaben des Kunden das equal pay – insbesondere unter Berücksichtigung auch variabler Entgeltbestandteile, Sonderzahlungen, Zulagen, Zuschläge, Sachbezügen, VWL etc. – sodann korrekt zu berechnen.

Erschwerte Bedingungen zur Erbringung rechtskonformer Zeitarbeit

Als ob dies nicht schon genug wäre, droht nun weiterer (rechtlicher) Ungemach, indem die gesetzliche Konstruktion der Abweichung vom equal pay-Grundsatz durch Tarifverträge oder entsprechende arbeitsvertragliche Bezugnahmen auf diese mit europarechtlichen Erwägungen angegriffen wird. Zwar mag die Argumentation im Ergebnis wenig überzeugend sein, dennoch wird eine neue und damit eine weitere Flanke eröffnet, die es Personaldienstleistern (zusätzlich) erschweren dürfte, nach Maßgabe der gegenwärtig geltenden gesetzlichen Vorschriften rechtskonforme Zeitarbeit zu betreiben.

Die konkrete und insbesondere korrekte Bestimmung des gesetzlichen equal pay mag zwar aufgrund der Vielgestaltigkeit und der Komplexität der auf der Kundenseite existierenden Vergütungsmodelle nach wie vor mit gewissen (und zwar nicht unerheblichen) Unsicherheiten behaftet sein. Wichtig ist jedoch, dass sich der Personaldienstleister rechtzeitig darum bemüht, die für die Bestimmung von equal pay erforderlichen Informationen über die relevante Entgeltstruktur von den Kunden zu erhalten, indem von diesem die entsprechenden (in der Regel vom Zeitarbeitsunternehmen übermittelten) Fragebögen ausgefüllt und unterzeichnet werden.

Die anfängliche Skepsis auf Kundenseite, dass die von den Personaldienstleistern abgefragten Informationen nur den Zweck hatten, sich Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse zu verschaffen, ist inzwischen einer Routine und der damit einhergehenden Erkenntnis gewichen, dass die Erfassung der Daten kein Selbstzweck, sondern zur rechtskonformen Umsetzung des AÜG zwingend notwendig ist. Die überwiegende Anzahl der Kunden füllt die von den Personaldienstleistern bereit gestellten Fragebögen inzwischen „ohne Murren″ aus.

Prüfung von equal pay ohne Beanstandung möglich

Wird auf dieser Grundlage das equal pay berechnet und abgebildet, ist das Zeitarbeitsunternehmen bereits auf einem guten Weg, auch entsprechende Prüfungen der BA ohne Beanstandungen zu überstehen, wenn und soweit die Angaben umfänglich und vollständig sowie nicht offenkundig unrichtig sind. In diesem Fall werden die Informationen in den Fragebögen von der Behörde nicht weiter geprüft oder hinterfragt. Dies schützt den Personaldienstleister freilich nicht davor, dass ein Zeitarbeitnehmer (dennoch) die korrekte Abwicklung von equal pay in Abrede stellt und ggf. eine Klage auf eine Nachzahlung erhebt. Derartige Fälle dürften in der Praxis aber die Ausnahme darstellen.

*Gemeint sind Beschäftigte jeder Geschlechtsidentität. Lediglich der leichteren Lesbarkeit halber wird künftig bei allen Bezeichnungen nur noch die grammatikalisch männliche Form verwendet.

Tags: AÜG Beweislast equal pay Gleichstellungsgrundsatz Kündigung