18. Januar 2017
AÜG Reform
Arbeitsrecht

Reform des Fremdpersonaleinsatzes: Was 2017 passiert! – Teil 3

Zeitarbeitnehmer sind zukünftig bei Schwellenwerten mitzuzählen. Dies ist eine der Neuerungen der geplanten Reform des Fremdpersonaleinsatzes.

Der erste Gesetzesentwurf vom 16. November 2015 wurde im Laufe des Jahres 2016 mehrfach – auch noch auf der Zielgeraden am 21. Oktober 2016 – angepasst. Schließlich hat der Bundesrat der AÜG-Reform am 25. November 2016 zugestimmt, die nun am 01. April 2017 in Kraft treten wird.

Wir geben in unserer dreiteiligen Blogreihe einen Überblick, welche Änderungen auf Sie zukommen werden.

Zeitarbeitnehmer zählen bei Schwellenwerten mit

Zeitarbeitnehmer sind zukünftig bei Schwellenwerten des BetrVG beim Kunden (Ausnahme: § 112a BetrVG), z.B. bei der Größe des Betriebsrates, sowie der Unternehmensmitbestimmung (u.a. MitbestG und DrittelbG) mitzuzählen. Für die Eingangsschwellenwerte der Mitbestimmungsgesetze gilt dies nur, wenn die Gesamtdauer der Überlassung sechs Monate übersteigt (§ 14 Abs. 4 AÜG).

Es entspricht einem „Trend″ in der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung, dass Zeitarbeitnehmer „nicht nur wählen, sondern auch zählen sollen″. In diesem Sinne hat die Große Koalition im Koalitionsvertrag angekündigt, dass Zeitarbeitnehmer bei Schwellenwerten des BetrVG berücksichtigt werden sollen. Von der Unternehmensmitbestimmung war hingegen keine Rede, so dass die neue gesetzliche Regelung die im Koalitionsvertrag getroffenen Festlegungen weit überdehnt.

Zudem geht die Rechtsprechung nicht undifferenziert davon aus, dass Zeitarbeitnehmer immer und unter allen Umständen bei (betriebsverfassungs- und unternehmensmitbestimmungsrechtlichen) Schwellenwerten mitzählen sollen. Die Gerichte legen vielmehr die jeweils betroffene Norm im Einzelfall aus und berücksichtigen nach Maßgabe von Sinn und Zweck, ob es tatsächlich geboten ist, Zeitarbeitnehmer mitzuzählen.

Diese differenzierte Betrachtung verwässert das neue Gesetz vollkommen, indem dieses – mit Ausnahme von § 112a BetrVG und der Einschränkung, dass dies bei den Eingangsschwellenwerten der Unternehmensmitbestimmung erst nach einer Überlassungsdauer von sechs Monaten gilt – „alles über einen Kamm schert″.

Unterrichtungsrechte des Betriebsrates

Der Betriebsrat muss über den Einsatz von Fremdpersonal informiert werden. Dieser ist dabei über den zeitlichen Umfang des Einsatzes, den Einsatzort und die Arbeitsaufgaben dieser Personen zu unterrichten. Zudem sind dem Betriebsrat die dem Einsatz des Fremdpersonals zugrunde liegenden Verträge vorzulegen (§ 80 Abs. 2 BetrVG).

Wichtig ist, dass der Abschluss von Werk-/Dienstverträgen zukünftig weiterhin mitbestimmungsfrei sein wird. Der Kunde ist also nicht verpflichtet, vor der Fremdvergabe von Tätigkeiten die Zustimmung des Betriebsrates einzuholen. Dies wäre aus verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten als höchst kritisch anzusehen. Stattdessen sieht das Gesetz im Wesentlichen eine Konkretisierung der von der Rechtsprechung bereits entwickelten betrieblichen Beteiligungsrechte zur Unterrichtung bei einem geplanten Einsatz von Fremdpersonal vor. Durch die dem Betriebsrat vom Arbeitgeber überlassenen Informationen kann dieser prüfen, ob eine (zustimmungspflichtige) Einstellung i.S.v. § 99 Abs. 1 BetrVG vorliegt, z.B. bei einem Einsatz von Zeitarbeitnehmern; die sich daraus ergebenden Rechte kann der Betriebsrat sodann vom Arbeitgeber einfordern.

Abgrenzung zum Arbeitsvertrag

Der ursprünglich in § 611a BGB-E vorgesehene Kriterienkatalog zur Abgrenzung eines Arbeitsverhältnisses von anderen Vertragsverhältnissen war in den Folgegesetzesentwürfen nicht mehr enthalten gewesen. Gleiches gilt für die (widerlegbare) Vermutungswirkung, nach der von einem Arbeitsverhältnis auszugehen sein sollte, wenn die DRV Bund im Rahmen eines Statusverfahrens ein sozialversicherungsrechtliches Beschäftigungsverhältnis festgestellt hat. Stattdessen fand sich zunächst folgende Definition eines „Arbeitnehmers″ in dem Folgeentwurf:

Arbeitnehmer ist, wer auf Grund eines privat-rechtlichen Vertrags im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist. Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betreffen. Arbeitnehmer ist derjenige Mitarbeiter, der nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeiten gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann; der Grad der persönlichen Abhängigkeit hängt dabei auch von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab. Für die Feststellung der Arbeitnehmereigenschaft ist eine Gesamtbetrachtung aller Umstände vorzunehmen. Zeigt die tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses, dass es sich um ein Arbeitsverhältnis handelt, kommt es auf die Bezeichnung im Vertrag nicht an.

Nach den gesetzgeberischen Vorstellungen sollten also folgende drei Kriterien maßgeblich für die Arbeitnehmereigenschaft sein:

  • die Weisungsgebundenheit,
  • die Fremdbestimmtheit sowie
  • die persönliche Abhängigkeit.

Auf der Zielgeraden wurde § 611a BGB nochmals abgeändert, ein praktischer Nutzen ist damit aber weiterhin nicht verbunden. Die Vorschrift lautet nun unter der Überschrift „Arbeitsvertrag″ wie folgt:

(1) Durch den Arbeitsvertrag wird der Arbeitnehmer im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet. Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit und Ort der Tätigkeit betreffen. Weisungsgebunden ist, wer nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Der Grad der persönlichen Abhängigkeit hängt dabei auch von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab. Für die Feststellung, ob ein Arbeitsvertrag vorliegt, ist eine Gesamtbetrachtung aller Umstände vorzunehmen. Zeigt die tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses, dass es sich um ein Arbeitsverhältnis handelt, kommt es auf die Bezeichnung im Vertrag nicht an.

(2) Der Arbeitgeber ist zur Zahlung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.

Der Regelungsgegenstand wird dabei an die Systematik des BGB angepasst. In dem in Rede stehenden Abschnitt regelt dieses die Vertragstypen. Deshalb wird nicht mehr auf den „Arbeitnehmer″, sondern auf den „Arbeitsvertrag″ abgestellt und dieser als Unterfall des Dienstvertrages definiert. Inhaltlich soll damit zur Entwurfsfassung keine Änderung verbunden sein, da die Begriffsbestimmung zum Arbeitsvertrag den Arbeitnehmer als dessen Vertragspartei umfasst.

Außerdem wird die Vorschrift sprachlich gestrafft. Dabei wird das Weisungsrecht in § 611a Abs. 1 S. 2 BGB in Übereinstimmung mit der Vorschrift in § 106 der GewO ohne das Merkmal „Dauer″ umschrieben. Zur Vervollständigung und systematischen Anpassung wird mit § 611a Abs. 2 BGB eine Bestimmung zur Vergütungspflicht aufgenommen.

Inkrafttreten

Die gesetzlichen Änderungen sollen mit Wirkung zum 01. April 2017 in Kraft treten.

Ausdrücklich klargestellt wird, dass Überlassungszeiten, die vor diesem Zeitpunkt liegen, für die Berechnung der Höchstüberlassungsfrist und der Einsatzdauer für den zwingenden equal pay-Anspruch nicht berücksichtigt werden (§ 19 Abs. 2 AÜG). Die Höchstüberlassungsdauer kann danach frühestens ab dem 01. Oktober 2018 erreicht werden; der zwingende Anspruch auf equal pay kann erst ab dem 01. Januar 2018 einsetzen.

Eine gewisse Unsicherheit bzgl. dieser Zeitpunkte resultiert daraus, dass nicht abschließend geklärt ist, ob § 191 BGB bei der Berechnung anzuwenden ist. Danach wird der Monat mit 30, das Jahr mit 365 Tagen berechnet, wenn ein Zeitraum nach Monaten oder nach Jahren in dem Sinne bestimmt ist, dass er nicht zusammenhängend zu verlaufen braucht. Wäre die Vorschrift einschlägig, würde – ausgehend vom 01. April 2017 – die Höchstüberlassungsdauer von 18 Monaten bereits mit Ablauf des 22. September 2018 und die neunmonatige Frist zur Gewährung von zwingendem equal pay mit Ablauf des 26. Dezember 2017 erreicht.

Gegen die Anwendung von § 191 BGB spricht aber, dass der Zeitraum der Frist so bestimmt sein muss, dass er nicht zusammenhängend verlaufen muss. § 1 Abs. 1b S. 1 AÜG regelt aber als Grundsatz die Überlassungsfrist mit „18 aufeinander folgenden Monaten″ und damit eine zusammenhängende Frist für die Überlassung. Das Gesetz sieht dann als ergänzende Bestimmung in § 1 Abs. 1b S. 2 AÜG die Hinzurechnung vorangegangener Überlassungen vor. Die Überlassungshöchstdauer ist damit im Grundsatz als „zusammenhängend″ festgelegt; dies gilt dann aber auch im Sinne der Überlassungsdefinition in § 1 Abs. 1b S. 2 AÜG. Weitere, d.h. zusätzliche Überlassungszeiten werden dann hinzugerechnet.

Um jedoch sämtliche Risiken, die sich aus dem Verstoß gegen die Höchstüberlassungsdauer und den zwingenden equal pay-Grundsatz ergeben, rechtssicher ausschließen zu können, sollte vorsorglich mit den obigen Daten geplant und ein Einsatz mit Ablauf des 22. September 2018 unterbrochen bzw. des 26. Dezember 2017 unter Einhaltung von equal pay fortgesetzt werden.

Das war Teil 3 unserer Blogreihe. Teil 1 beschäftigt sich mit der Legaldefinition der Arbeitnehmerüberlassung, der Ausweitung der Bereichsausnahme und der Höchstüberlassungsdauer. Teil 2 geht auf den equal pay-Grundsatz, die Offenlegungs-, Konkretisierungs- und Unterrichtungspflichten, die Voraussetzungen einer wirksamen Festhaltenserklärung sowie den Einsatz von Zeitarbeitnehmern als Streitbrecher und die Unzulässigkeit einer Kettenüberlassung ein.

Die weiteren Einzelheiten zu den Änderungen der AÜG-Reform entnehmen Sie unserer Dezember-Ausgabe des „Infobriefs Zeitarbeit“, in dem wir jeden Monat über aktuelle Entwicklungen in Zusammenhang mit dem Einsatz von Fremdpersonal informieren. Sollten Sie Interesse haben, diesen kostenfrei zu beziehen, schreiben Sie mir bitte eine kurze E-Mail.

Tags: AÜG Inkrafttreten Reform Unterrichtungsrecht