16. Mai 2012
Aussetzung equal pay Rechtsstreit
Arbeitsrecht

CGZP: Landessozialgerichte entscheiden zu Nachforderungen der DRV

Wir haben bereits darüber berichtet, dass insbesondere die sozialversicherungsrechtlichen Konsequenzen aus dem Beschluss des BAG vom 14.12.2010 (Az. 1 ABR 19/10) zur gegenwartsbezogenen Tarifunfähigkeit der CGZP höchst umstritten sind. Zahlreiche Personaldienstleister haben sich gegen Bescheide der zuständigen Rentenversicherungsträger gerichtlich zur Wehr gesetzt, durch die sozialversicherungsrechtliche Nachforderungen wegen der Verletzung des gesetzlichen equal pay-Grundsatzes (§§ 9 Nr. 2, 10 Abs. 4 AÜG) realisiert werden sollten. Die zunächst im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes ergangenen Entscheidungen der Sozialgerichte sind dabei nicht einheitlich. Teilweise wurde die aufschiebende Wirkung von Widerspruch/Klage gegen den Beitragsbescheid angeordnet, teilweise wurde der Antrag des Personaldienstleisters mangels hinreichender Erfolgsaussichten der Hauptsache zurückgewiesen. Diese zerfaserte Rechtsprechung ist nicht zuletzt ein Indiz dafür, welche Schwierigkeiten die Entscheidung des BAG vom 14.12.2010 in der praktischen Handhabung bzw. der prozessualen Abwicklung aufwirft. Nunmehr liegen die ersten Beschlüsse einiger Landessozialgerichte vor, die ebenfalls das gesamte Entscheidungsspektrum abbilden:

Das Schleswig-Holsteinische Landessozialgericht hat einem Personaldienstleister umfänglichen Rechtsschutz gewährt (Beschluss vom 20.04.2012 – L 5 KR 9/12 B ER; Beschluss vom 20.04.2012 – L 5 KR 20/12 B ER). Der 5. Senat argumentiert, dass ernstliche Zweifel an der Rechtsmäßigkeit des Bescheides bestehen könnten, wenn diese von einer Mehrzahl von Voraussetzungen abhänge, deren Prüfung die Klärung schwieriger Rechtsfragen beinhalte. Dies sei insbesondere mit Blick auf die Rechtmäßigkeit der Beitragsnachforderungen aufgrund von equal-pay Ansprüchen nach der CGZP-Entscheidung des BAG vom 14.12.2010 der Fall, so dass die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs/einer Klage anzuordnen sei. Das Schleswig-Holsteinische Landessozialgericht verweist dabei u.a. darauf, dass nach wie vor ungeklärt sei, ob der Beschluss des BAG auch Wirkungen für die Vergangenheit entfalte. Zudem weist der darauf hin, dass gute Gründe angeführt werden könnten, das Instrument des fehlerhaften Tarifvertrages – ähnlich der Rechtsprechung zu dem fehlerhaften Arbeitsvertrag und der fehlerhaften Gesellschaft anzuwenden – mit der Folge, dass eine rückwirkende Unwirksamkeit der Tarifverträge der CGZP ausscheide. Dafür sprächen Vertrauens- und Verkehrsschutz, letzterer insbesondere im Hinblick auf die Normqualität der Tarifverträge, Rückabwicklungsschwierigkeiten insbesondere bei enger Regelungsdichte und Schutz der Vertragsparteien, die sich auf die Rechtmäßigkeit der Tarifverträge, an denen sie regelmäßig selbst nicht beteiligt seien, verlassen hätten.

Einen Mittelweg vertritt das Bayerische Landessozialgericht: Der Nachforderungsbescheid sei offensichtlich rechtswidrig, wenn der Rentenversicherungsträger einen früherer bestandkräftige Prüfbescheid nicht gem. § 45 SGB X aufgehoben habe, bevor weitere Nachforderungen für den (teil-)identischen Prüfzeitraum durch einen weiteren Prüfbescheid festgesetzt würden (wir berichteten; vgl. Beschluss vom 20.04.2011 – L 5 R 246/12 B ER; Beschluss vom 22.03.2012 – L 5 R 138/12 B ER; vgl. auch: Urteil vom 18.01.2011 – L 5 R 752/08; so auch: SG Magdeburg, Beschluss vom 07.05.2012 – S 12 R 192/12 ER). Dabei sind auch vertrauensschützende Elemente zugunsten des Personaldienstleisters zu berücksichtigen, die der Aufhebung entgegenstehen können. Im Übrigen hält das Bayerische Landessozialgericht das Vorgehen der Behörden aber – nach einer summarischen Prüfung – für rechtmäßig und lehnt einen umfänglichen Rechtsschutz ab.

Anders als in zahlreichen Artikeln und Meldungen suggeriert wird, hat das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen den Antrag des Personaldienstleisters auf Gewährung von einstweiligen Rechtsschutz nicht uneingeschränkt zurückgewiesen (Beschluss vom 10.05.2012 – L 8 R 164/12 B ER). Richtig ist zwar, dass der 8. Senat die Anwendung von § 45 SGB X auf bereits vorher erlassene Prüfbescheide für einen (teil-)identischen Prüfzeitraum ablehnt und zudem die Ansicht vertritt, dass Vertrauensschutzgesichtspunkte der Beitragsnachforderung nicht entgegenstehen. Interessant ist die Entscheidung des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen aber unter dem Gesichtspunkt der Verjährung: der 8. Senat ist der Ansicht, dass zumindest ernsthafte Zweifel bestünden, ob die Regelung des § 25 Abs. 1 S. 2 SGB IV eingreife, nach der Ansprüche auf vorsätzlich vorenthaltene Beiträge in 30 Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres verjährten, in dem sie fällig geworden seien. Zwar komme diese Vorschrift auch dann zum Tragen, wenn der Vorsatz zur Vorenthaltung der Beiträge bei ihrer Fälligkeit noch nicht vorgelegen habe, jedoch bis zum Ablauf der vierjährigen Verjährungsfrist eingetreten sei, wobei bedingter Vorsatz ausreiche. Ob der Personaldienstleister indessen vor Eintritt der Verjährung für die im Jahr fällig gewordenen Beiträge für die Zeit von Dezember 2005 bis Dezember 2006 am 31.12.2010 bereits den Eintritt einer rückwirkenden Beitragspflicht für möglich gehalten habe, könne nur nach Maßgabe des jeweiligen Einzelfalles festgestellt werden. Allein der Umstand, dass der Beschluss des BAG am 14.12.2010 verkündet worden sei, reiche insoweit nicht aus. Einzelfallbezogene Feststellungen seien dazu erforderlich. Im Ergebnis dürfte damit ausgeschlossen sein, dass sich der Rentenversicherungsträger unter Hinweis auf die Entscheidung des BAG auf die Einschlägigkeit der verlängerten 30jährigen Verjährungsfrist beziehen.

Vor dem Hessische Landessozialgericht hatte der um vorläufigen Rechtsschutz ersuchende Personaldienstleister dagegen keine Chance: dessen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs wurde zurückgewiesen (Beschluss vom 23.04.2012 – L 1 KR 95/12 B ER). Im Rahmen der summarischen Prüfung sei es zunächst unbeachtlich, dass das BAG nicht über die Tariffähigkeit der CGZP in der Vergangenheit entschieden habe. Dessen Beschluss vom 14.12.2010 stelle auch keine Änderung der höchstrichterlichen Rspr. dar, die einer rückwirkenden Anwendung aus Gründen des Vertrauensschutz entgegenstehe. Würden aufgrund einer Betriebsprüfung Beiträge nacherhoben, müsse – anders als das Bayerische Landessozialgericht meint – nicht zunächst der vorher ergangene Beitragsbescheid gem. § 45 SGB X aufgehoben werden. Das Hessische Landessozialgericht lässt in diesem Zusammenhang aber eine Hintertür offen: dies solle zumindest gelten, soweit die Bescheide unterschiedliche Sach- oder Rechtsfragen beträfen. Umgekehrt bedeutet dies, dass eine Aufhebung zumindest erwogen werden muss, wenn der Rentenversicherungsträger zu den Tarifverträgen der CGZP und der daraus erwachsenden Entgelthöhe als Beitragsbemessungsgrundlage Feststellungen in einer vorherigen Betriebsprüfung getroffen hat. Der Gericht schneidet dem Personaldienstleister die Anwendung von § 45 SGB X nicht vollkommen ab; vielmehr kommt es auf die Umstände des Einzelfalls und das konkrete Prüfverhalten der Behörde in der Vergangenheit an.

Insgesamt betrachtet können auch aus den vorgeblich zu Lasten der Personaldienstleister ausfallenden Entscheidungen positive Ansätze gezogen werden, die für eine erfolgreiche Rechtsverfolgung nutzbar gemacht werden können. Die weitere Entwicklung in der Rspr. bleibt vor dem Hintergrund der divergierenden Beschlüsse der Landessozialgerichte aber abzuwarten. Gegen diese ist ein Rechtsmittel zum BSG nicht möglich (§ 177 SGG), so dass die abschließende Klärung der in Zusammenhang mit den Nachforderungen der Rentenversicherungsträger relevanten Rechtsfragen erst im Hauptsacheverfahren erfolgen wird. Dies kann jedoch noch Jahre dauern, selbst wenn gegen eine Entscheidung eines Sozialgerichtes eine Sprungrevision zugelassen und diese eingelegt wird (§ 161 SGG).

Tags: CGZP equal pay fehlerhafter Tarifvertrag LSG Nachforderung Rentenversicherungsträger Sozialgericht Tarifunfähigkeit Verjährung Vertrauensschutz