31. August 2012
Aussetzung equal pay Rechtsstreit
Arbeitsrecht

CGZP: Voraussetzungen für die Aussetzung eines equal pay-Rechtsstreits – deutliche Worte des BAG

Nachdem das BAG unter dem 14.12.2010 festgestellt hat, dass die CGZP nicht tariffähig ist (Az. 1 ABR 19/10), war zunächst umstritten, ob dieser Beschluss zurückwirkt und – bejahendenfalls – bis zu welchem Zeitpunkt dies der Fall sein soll. Aufgrund dieser Rechtsunsicherheit neigten zahlreiche Arbeitsgerichte dazu, – mehr oder weniger – unreflektiert ein anhängiges Verfahren zwischen Personaldienstleister und Zeitarbeiternehmer auf equal pay (§§ 9 Nr. 2, 10 Abs. 4 AÜG) nach § 97 Abs. 5 S. 1 ArbGG auszusetzen, bis diese Frage geklärt war.

Dabei spielte sicherlich auch ein gewisses Unbehagen eine Rolle, dadurch verursacht, dass sich die gesamte CGZP-Entscheidung und deren Auswirkungen nicht so recht in das „normale“ Geschäft der Arbeitsgerichte einordnen ließen und sich darüber hinaus als ausgesprochen komplex und sperrig darstellten. Dass die Arbeitsgerichte mehr von pragmatischen Erwägungen geleitet wurden und dabei die gesetzlich bereits festgelegten bzw. höchstrichterlich entwickelten Voraussetzungen für eine Aussetzung nach § 97 Abs. 5 S. 1 ArbGG etwas aus dem Blick gerieten, wird anhand eines jüngst veröffentlichten Beschlusses des BAG deutlich, das eine entsprechende Entscheidung des LAG Mecklenburg-Vorpommern im Ergebnis aufgehoben hat (BAG, Beschl. v. 24.07.2012 – 1 AZB 47/11; LAG Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 17.08.2011 – 2 Ta 44/11):

Der 1. Senat weist zunächst darauf hin, dass zu den formellen Voraussetzungen eines Aussetzungsbeschlusses die Begründung der Entscheidungserheblichkeit der Tariffähigkeit/-zuständigkeit der Arbeitnehmervereinigung gehört. Die Aussetzung hat zu unterbleiben, wenn über den erhobenen Anspruch ohne die Klärung der Tariffähigkeit/-zuständigkeit entschieden werden kann. Dies setzt eine vorherige Prüfung der Schlüssigkeit und der Erheblichkeit des Parteivorbringens in Bezug auf die Klageforderung ebenso voraus wie die Durchführung einer ggf. notwendigen Beweisaufnahme. Die Entscheidung über den erhobenen Anspruch darf nur noch vom Vorliegen der Tariffähigkeit oder der Tarifzuständigkeit der Vereinigung abhängen. Im Aussetzungsbeschluss ist daher zu begründen, dass und in welchem Umfang die Tariffähigkeit/-zuständigkeit eine Vereinigung für den erhobenen prozessualen Anspruch von Bedeutung sind.

Das Arbeitsgericht hat im Aussetzungsbeschluss zudem den Zeitpunkt, zu dem die Tariffähigkeit/-zuständigkeit vorliegen müssen, zu nennen. Unzureichend ist es, wenn im Tenor oder in den Gründen nur die Dauer des Arbeitsverhältnisses angegeben wird und auf die in diesem Zeitraum geltenden Tarifverträge verwiesen wird. Vielmehr ist das Abschlussdatum des für entscheidungserheblich angesehenen Tarifvertrags konkret zu bezeichnen, da sich in den Beschlussverfahren nach § 2a Abs. 1 Nr. 4 ArbGG die Antragsbefugnis der Parteien des Ausgangsrechtsstreits für die Klärung der Tariffähigkeit/-zuständigkeit nach dem im Aussetzungsbeschluss angeführten Zeitpunkt bestimmt.

Sodann stellt das BAG fest, dass die angefochtene Entscheidung schon deshalb aufzuheben ist, weil das LAG Mecklenburg-Vorpommern die Entscheidungserheblichkeit der Tariffähigkeit der CGZP nicht begründet hat. Es hat in seinem Aussetzungsbeschluss weder die Schlüssigkeit der Klageforderung festgestellt, noch ist es auf die von dem beklagten Personaldienstleister dagegen erhobenen Einwendungen eingegangen. Ebenso kann der angefochtenen Entscheidung nicht entnommen werden, von welchen Tarifverträgen aus Sicht des LAG Mecklenburg-Vorpommern die Beurteilung der Klageforderung abhängt. Diese werden weder in den Gründen aufgeführt noch ist dort oder im Tenor ein Zeitpunkt angegeben, für den in einem nachfolgenden Beschlussverfahren die Tariffähigkeit der CGZP beurteilt werden soll.

An den vom BAG festgestellten Mängeln dürften zahlreiche nach der Entscheidung vom 14.12.2010 getroffene Aussetzungsbeschlüsse leiden, die daher bereits aus formellen Gründen der Aufhebung bedürfen. In diesen wird sich überwiegend lediglich mit der Frage der Rückwirkung der vom BAG am 14.12.2010 festgestellten Tarifunfähigkeit der CGZP befasst, in der Regel aber nicht mit den sonstigen Einwendungen des Personaldienstleisters mit Blick auf die Schlüssigkeit der Klage an sich, Vertrauensschutzerwägungen, Einschlägigkeit von Verfallfristen, Verjährungsfragen etc. Oftmals wird in der Tat im Tenor – ohne Nennung eines konkreten Tarifvertrages – nur ein Zeitraum angegeben, für den die Tariffähigkeit der CGZP entscheidend sein soll. Dieser entspricht dabei regelmäßig dem Zeitraum, für den der Arbeitnehmer seinen equal pay-Anspruch geltend gemacht hat (exemplarisch: Hess. LAG v. 08.11.2011 – 9 Ta 271/11; Sächs. LAG v. 05.09.2011 – 4 Ta 162/11 (5).

Im Ergebnis hat die Entscheidung des BAG aufgrund der inzwischen auch für die Vergangenheit höchstrichterlich festgestellten Tarifunfähigkeit der CGZP keine (praktischen) Auswirkungen mehr: die equal pay-Verfahren sind nunmehr fortzuführen; selbst wenn der Beschluss die o.g. formellen Mängeln nicht aufweisen sollte, ist eine Aussetzung materiell nicht mehr berechtigt, da keine Zweifel mehr an der Tarif(un)fähigkeit der CGZP bestehen.

Gleichwohl sind die Ausführungen des BAG nicht unbedeutend: gegenwärtig ist immer noch die Tariffähigkeit zahlreicher christlicher Gewerkschaften ungeklärt, die im Jahre 2010 mit dem AMP einen mehrgliedrigen Tarifvertrag abgeschlossen haben  (u.a. medsonet, BIGD). Eine Bezugnahme auf diese tarifliche Vereinbarung schließt equal pay-Ansprüche der Zeitarbeitnehmer aus; dies setzt allerdings die Tariffähigkeit der christlichen Arbeitnehmervereinigungen voraus. Auch die von der DGB-Tarifgemeinschaft in der Zeitarbeitsbranche geschlossenen Tarifverträge werden z.T. mit dem Hinweis auf die fehlende Tariffähigkeit/-zuständigkeit der beteiligten Gewerkschaften angegriffen.

Entsprechende Aussetzungsbeschlüsse in den equal pay-Verfahren werden die Vorgaben beachten müssen, die das BAG mit der Entscheidung vom 24.07.2012 den damit befassten Gerichten nochmals deutlich vor Augen geführt hat – ansonsten droht bereits aus formellen Gründen die Aufhebung und im Zweifel die Zurückverweisung.

Tags: Arbeitnehmervereinigung Aussetzung BIGD CGZP Entscheidungserheblichkeit equal pay Gewerkschaft medsonet mehrgliedriger Tarifvertrag Tariffähigkeit Tarifzuständigkeit Zeitarbeit