8. Februar 2019
equal pay Europarecht
Arbeitsrecht

Contra „Däubler-Kampagne″: equal pay-Regelungen sind wirksam!

LAG Baden-Württemberg bestätigt: Die gesetzlichen Bestimmungen zur Abweichung vom equal pay-Grundsatz verstoßen nicht gegen Europarecht!

In der Vergangenheit wurden einige Klagen auf Zahlung von equal pay wegen der (vermeintlichen) Unwirksamkeit der gesetzlichen Regelungen zur tariflichen Abweichungsmöglichkeit vom Gleichstellungsgebot (auf Grundlage von europarechtlichen Erwägungen) angestrengt. Diese Klagen wurden von der sog. „Däubler-Kampagne″ auch finanziell unterstützt.

Es lagen bereits einige Urteile vor, die allesamt die Klagen der Zeitarbeitnehmer abgewiesen haben (vgl. ArbG Gießen, Urteil v. 14. Februar 2018 – 7 Ca 246/17; dazu: Bissels/Falter, jurisPR-ArbR 16/2018 Anm. 3).

Inzwischen wurde die erste obergerichtliche Entscheidung (LAG Baden-Württemberg, Urteil v. 6. Dezember 2018 – 14 Sa 27/18; die erste Instanz bestätigend: ArbG Karlsruhe, Urteil v. 10. April 2018 – 7 Ca 284/17) bekannt – auch diese fiel zugunsten des beklagten Personaldienstleisters aus.

LAG Baden-Württemberg: Art. 5 Abs. 2 der Zeitarbeitsrichtlinie ist eine eigenständige Rechtsnorm und hinreichende Ermächtigungsgrundlage

Das LAG Baden-Württemberg hat die Klage abgewiesen. Nach Ansicht der 14. Kammer stelle Art. 5 Abs. 2 der Zeitarbeitsrichtlinie eine eigenständige Rechtsnorm dar, die befristete Arbeitsverträge ebenfalls erfasse und auf diese anwendbar sei.

Die Bestimmung sei als hinreichende Ermächtigungsgrundlage anzusehen, durch Tarifverträge vom Gleichstellungsgrundsatz abzuweichen. Die Umsetzung einer Richtlinie obliege zunächst dem nationalen Gesetzgeber und sodann den Tarifvertragspartnern. Nicht nachvollziehbar sei es vor diesem Hintergrund, wie ein wirksamer Tarifvertrag gegen AGB-Recht verstoßen können solle. Dieser sei einer AGB-rechtlichen Kontrolle bereits entzogen.

Im Ergebnis müsse auch nicht abschließend entschieden werden, ob der von Art. 5 Abs. 3 der Zeitarbeitsrichtlinie vorgesehene Gesamtschutz des Tarifvertrages eine Tatbestandsvoraussetzung oder nur einen Programmsatz darstelle; der EU-Kommission fehle nämlich grundsätzlich die Kompetenz für Eingriffe in das nationale Tarifrecht. Abgesehen davon werde der Gesamtschutz durch die Tarifwerke der Zeitarbeit in Deutschland jedoch gewährleistet – dies aufgrund der dem deutschen Recht innewohnenden Vermutung der Angemessenheit von Tarifverträgen. Abgesehen davon spreche für einen hinreichenden Gesamtschutz, dass die Tarifwerke der Zeitarbeit und die darauf aufsetzende Lohnuntergrenze gem. § 3a AÜG seit deren Einführung im Jahr 2013 stets über dem gesetzlichen Mindestlohn nach §§ 1, 20 MiLoG gelegen habe.

Das Gericht hat die Revision zum BAG zugelassen.

Begründung des LAG Baden-Württemberg überzeugt sowohl in der Herleitung als auch im Ergebnis

Die Erwägung der Klägerin, dass die gegenwärtig abgeschlossenen und geltenden Tarifwerke die Tarifverträge der Zeitarbeit nicht den von der Richtlinie verlangten Gesamtschutz gewährleisten sollen, ist nicht nachvollziehbar.

In Art. 5 Abs. 3 der Zeitarbeitsrichtlinie heißt es dazu, dass

die Mitgliedstaaten nach Anhörung der Sozialpartner diesen die Möglichkeit einräumen können, auf der geeigneten Ebene und nach Maßgabe der von den Mitgliedstaaten festgelegten Bedingungen Tarifverträge aufrechtzuerhalten oder zu schließen, die unter Achtung des Gesamtschutzes von Leiharbeitnehmern Regelungen in Bezug auf die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen von Leiharbeitnehmern, welche von den in Absatz 1 aufgeführten Regelungen abweichen können, enthalten können.

In § 5 Abs. 1 der Richtlinie ist der equal treatment-/equal pay-Grundsatz festgeschrieben worden. Dieser lautet wörtlich wie folgt:

Die wesentlichen Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen der Leiharbeitnehmer entsprechen während der Dauer ihrer Überlassung an ein entleihendes Unternehmen mindestens denjenigen, die für sie gelten würden, wenn sie von jenem genannten Unternehmen unmittelbar für den gleichen Arbeitsplatz eingestellt worden wären.

Bei den Tarifwerken der Zeitarbeit (gegenwärtig: BAP/DGB und iGZ/DGB) handelt es sich um ausgewogene und die Arbeitsbedingungen der Zeitarbeitnehmer umfänglich bestimmende Regelungswerke. Wer argumentieren wolle, dass diese – quasi als Einbahnstraße – im Vergleich zu den Konditionen von Stammbeschäftigten ausschließlich Verschlechterungen für die Zeitarbeitnehmer mit sich brächten, irrt. Hier reicht allein ein Blick auf das in der Überlassungsbranche gegenwärtig geltende Entgeltniveau aus, das nicht nur weit über dem gesetzlichen Mindestlohn, sondern auch über dem Vergütungsgefüge anderer Branchen, z.B. dem Friseurhandwerk, liegt. Es ist also eine (bedauerlicherweise) weitverbreitete Mär, dass Zeitarbeitnehmern immer und unter allen Umständen durch die Tarifwerke BAP/DGB bzw. iGZ/DGB schlechtere Arbeitsbedingungen gewährt werden als den Stammbeschäftigten im Kundenbetrieb.

Freilich ist nicht wegzudiskutieren, dass in „teuren Branchen″, wie in der M+E-Industrie oder in der Chemie, in der Regel tarifliche Arbeitsbedingungen gelten, die über diejenigen der Zeitarbeitstarifverträge hinausgehen. Dies kann letztlich aber nicht dazu führen, dass dem überlassenen Arbeitnehmer nunmehr der von Richtlinie verlangte Gesamtschutz nicht mehr gewährleistet wird. In diesem Zusammenhang muss auch berücksichtigt werden, dass die Tarifwerke der Zeitarbeit mit den DGB-Gewerkschaften und damit nicht ganz unbedeutenden „Playern″ bei der Arbeitnehmervertretung geschlossen wurden. Diesen zu unterstellen, dass diese den Gesamtschutz und die Interessen der von den Gewerkschaften repräsentierten Zeitarbeitnehmern nicht im Blick gehabt haben sollen, kann wohl kaum unterstellt werden und entspricht schlichtweg nicht dem Selbstverständnis der DGB-Gewerkschaften. Dies hat das LAG Baden-Württemberg richtigerweise erkannt, indem es insbesondere das über dem gesetzlichen Mindestlohn liegende Entgeltgefüge der Tarifverträge der Zeitarbeit anführt, um darzulegen, dass der von der Richtlinie geforderte Gesamtschutz sehr wohl beachtet worden ist.

BAG dürfte sich zunächst Fragen der Auslegung und Anwendung des nationalen Rechts ohne europarechtlichen Bezug widmen

Dennoch bleibt es spannend und für die Praxis von enormer Bedeutung, wie es in der Sache weitergeht. Es nämlich damit zu rechnen, dass sich das BAG über kurz oder lang mit den entsprechenden Rechtsfragen wird befassen müssen. Die Klägerin bzw. deren Anwälte habe bereits angekündigt, Revision einzulegen.

Ob es in der Tat dann in der Revision wirklich um die von der Klägerin aufgeworfenen Rechtsfragen mit primär europarechtlichem Bezug gehen wird, darf aber durchaus mit einem Fragezeichen versehen werden. Ggf. dürfte das BAG diese zunächst unentschieden lassen und auch von einer wohl möglichen Vorlage zum EuGH Abstand nehmen (vgl. Art. 267 Abs. 3 AEUV), um sich zunächst noch nicht abschließend höchstrichterlich geklärten Fragen der Auslegung und Anwendung des nationalen Rechts ohne europarechtlichen Bezug zu widmen, u.a. der Tarifzuständigkeit der DGB-Gewerkschaften für die Zeitarbeit.

Es mag vor diesem Hintergrund daher nicht unwahrscheinlich erscheinen, dass sich das BAG zunächst gar nicht mit den von der Klägerin aufgeworfenen europarechtlichen Fragen befassen muss, sondern erst einmal „vor der eigenen Haustür kehrt″.

Weitere Einzelheiten dazu entnehmen Sie dabei bitte der Januar-Ausgabe des „Infobriefs Zeitarbeit″, in dem wir jeden Monat über aktuelle Entwicklungen in Zusammenhang mit dem Einsatz von Fremdpersonal informieren. Sollten Sie Interesse haben, diesen kostenfrei zu beziehen, schreiben Sie uns bitte eine kurze E-Mail (alexander.bissels@cms-hs.com oder kira.falter@cms-hs.com).

Tags: equal pay Europarecht Zeitarbeitsrichtlinie