Das BAG hatte zunächst entschieden, dass keine vernünftigen Zweifel an der Tariffähigkeit der DGB-Gewerkschaften im Hinblick auf die Zeitarbeit bestehen (Beschluss vom 19. Dezember 2012 – 1 AZB 72/12; darauf Bezug nehmend: LAG Baden-Württemberg vom 4. Juni 2013 – 22 Sa 73/12). Danach wurde es vorübergehend ruhig um den Streit zur Wirksamkeit der DGB-Tarifverträge, die im Vergleich zu den tariflichen Regelungswerken von CGZP und einigen CGB-Gewerkschaften immer als sicher bezeichnet wurden.
Erste Zweifel entstanden nach den Entscheidungen des BAG vom 13. März 2013, da - unter Übertragung der dort entwickelten Grundsätze zu der Unwirksamkeit der arbeitsvertraglichen Verweisung auf die mehrgliedrigen CGB-Tarifverträge – zumindest diskutiert wird, ob die in der Praxis verbreiteten Bezugnahmeklauseln auf die DGB-Tarifverträge nicht ebenfalls intransparent sind (ablehnend: LAG Baden-Württemberg vom 4. Juni 2013 – 22 Sa 73/12).
Darüber hinaus ist inzwischen eine Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg bekannt geworden, die eventuell weiteres Ungemacht ankündigen könnte. Aus dieser kann (mittelbar) abgeleitet werden, dass die Tarifzuständigkeit der DGB-Gewerkschaften für die Zeitarbeit doch nicht völlig zweifelsfrei festzustehen scheint, selbst wenn sich das Gericht konkret mit nur formellen Fragen zur örtlichen Zuständigkeit befassen musste (Beschluss vom 21. Februar 2013 – 9 TaBVHa 2446/12).
Der Sachverhalt ist dabei etwas „atypisch“: Im Arbeitsvertrag des Zeitarbeitnehmers wird auf die Tarifverträge BZA/DGB verwiesen. Dieser verlangte bei dem Kundenunternehmen, bei dem er eingesetzt war, Auskunft nach § 13 AÜG, um seinen equal pay-Anspruch gegen seinen Arbeitgeber geltend machen zu können. Die in Bezug genommen Tarifverträge seien unwirksam, da die DGB-Gewerkschaften für die Zeitarbeit nicht tarifzuständig seien. Das nach der Auskunftsverweigerung vom Zeitarbeitnehmer angerufene Arbeitsgericht setzte den Rechtsstreit nach § 97 Abs. 5 ArbGG aus.
Der Zeitarbeitnehmer hat nun ein Verfahren angestrengt, um gerichtlich feststellen zu lassen, dass die beteiligten Gewerkschaften für die Zeitarbeitsbranche nicht tarifzuständig waren waren (§§ 97 Abs. 1, 2a Abs. 1 Nr. 4 ArbGG). Dabei hat er zunächst - ohne anwaltliche Vertretung – das LAG Berlin-Brandenburg angerufen, das ein örtlich zuständiges Gericht zur Klärung der Tarifzuständigkeit bestimmen soll. Dieses wendete schließlich § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO an und nahm das ArbG Berlin in die Pflicht. Ein Rechtsmittel gegen den Beschluss ist nicht gegeben.
In der Tat dürfte der Antrag zur Bestimmung eines zuständigen Gerichts auf Grundlage von § 36 ZPO, der in der arbeitsrechtlichen Praxis wohl eher ein Schattendasein fristet, ein kluger Schachzug gewesen sein, sind doch insgesamt neun Gewerkschaften mit zum Teil unterschiedlichen Gerichtsständen an dem Verfahren beteiligt. Durch die Bündelung der Kompetenz beim ArbG Berlin ist folglich eine Entscheidung „aus einem Guss“ für sämtliche tarif(un)zuständigen Gewerkschaften zu erwarten.
Gegen den Aussetzungsbeschluss des ursprünglich wegen der Auskunftserteilung angerufenen Arbeitsgerichts sind wohl keine Rechtsmittel eingelegt worden, so dass es nicht mehr auf die Frage ankommen dürfte, ob - wie vom BAG verlangt (Beschluss vom 19. Dezember 2012 – 1 AZB 72/12) - überhaupt ernsthafte Zweifel an der Tarifzuständigkeit der DGB-Gewerkschaften bestehen, die eine Aussetzung nach § 97 Abs. 5 ArbGG erst rechtfertigen können.
Vor dem ArbG Berlin wird es nunmehr inhaltlich um die Frage gehen, ob die Gewerkschaften der DGB-Tarifgemeinschaft für die Zeitarbeit tatsächlich tarifzuständig waren oder nicht. Sollte diese verneint werden, wären die abgeschlossenen Tarifverträge unwirksam mit der Folge, dass equal pay-Ansprüche der Zeitarbeiternehmer entstanden wären. Auch die Rentenversicherungsträge könnten - analog zum Vorgehen bei der CGZP - Nachforderungen geltend machen. Für die Zeitarbeitsbranche bleibt es daher weiter spannend in Berlin – und es wird möglicherweise erneut teuer!
Allein die Tatsache, dass das BAG meint, dass es keine ernsthaften Zweifel an der Tariffähigkeit der DGB-Gemeinschaft im Bereich der Zeitarbeit gebe, zeigt sehr deutlich, dass die getroffene Entscheidung zur CGZP sehr politisch orientiert getroffen wurde. Denn die vorliegenden Argumente die gegen eine Tariffähigkeit der DGB-Gemeinschaft sprechen sind doch wohl eindeutig und lassen sich so lapidar nicht vom Tisch fegen. Herr Prof. Volker Rieble hat dies sehr eindeutig und ausdrücklich in seinem Aufsatz beschrieben. Hier der Link zum Artikel. http://www.zaar.uni-muenchen.de/organisation/abteilung1/schriftenverzeichnis/2012/vr2012-07.pdf
Wenn sich die Instanzen für den DGB-Tarifvertrag aussprechen sollten, dann wird klare Rechtsbeugung begangen. Noch bleibt zu hoffen, dass sich die Richter ihrer eigentlichen politischen Unabhängigkeit besinnen und juristisch einwandfrei entscheiden.
Sie weisen zu Recht darauf hin, dass sich Herr Prof. Rieble in dem von Ihnen genannten Beitrag sehr tiefgehend mit der Frage der Tarifzuständigkeit der DGB-Gewerkschaften für die Zeitarbeit auseinandersetzt (nicht: Tariffähigkeit). Das BAG hat dies in der Entscheidung vom 19.12.2012 keiner entsprechenden Prüfung zuführen müssen, weil das Gericht nicht hinreichend „Futter“ vom LAG Baden-Württemberg bekommen hat. Bitte beachten Sie auch, dass das BAG am 19.12.2012 nur darüber entschieden hat, dass eine Aussetzung, um überhaupt eine Entscheidung über die Tariffähigkeit/Tarifzuständigkeit der DGB-Gerwerkschaften nach § 97 Abs. 1 ArbGG herbeiführen zu können, in dem konkreten Fall nicht statthaft war. Diese „Klippe“ ist nunmehr umschifft, so dass sich das für zuständig erklärte ArbG Berlin nunmehr inhaltlich mit der Frage auseinandersetzen muss, ob eine entsprechende Tarifzuständigkeit besteht.
Sehr geehrter Herr Bissels,
Unter welchem AZ ist dieses Verfahren beim ArbG Berlin anhängig?
vielen Dank
Das Aktenzeichen liegt leider noch nicht vor. Wenn wir weitere Informationen dazu haben, werden wir Sie entsprechend unterrichten.