7. Februar 2018
Equal pay europarechtswidrig
Arbeitsrecht

Equal pay trifft das ArbG Gießen – und was hat der EuGH damit zu tun?

Das ArbG Gießen hat in einem aktuellen Fall zu prüfen, ob die Abweichung vom equal pay-Grundsatz durch die Anwendung der Tarifverträge der Zeitarbeit europarechtswidrig ist.

Bekanntermaßen ist eine Abweichung vom equal pay- und equal treatment-Grundsatz nur beschränkt möglich. Nämlich dann, wenn aufgrund einer beidseitigen Tarifbindung von Personaldienstleister und Zeitarbeitnehmer (in der Praxis die Ausnahme) die Tarifverträge der Zeitarbeit (BAP/DGB oder iGZ/DGB) „automatisch″ zur Anwendung kommen oder in einem zwischen den Parteien abgeschlossenen Arbeitsvertrag auf diese Bezug genommen wird (in der Praxis der Regelfall).

Aufgrund der zum 01. April 2017 in Kraft getretenen AÜG-Reform ist eine Ungleichbehandlung hinsichtlich des Entgelts („equal pay) nur noch bis zur Vollendung des 9. Einsatzmonats bei einem Kundeneinsatz möglich. Ab dem 10. Monat ist der Zeitarbeitnehmer hinsichtlich des Entgelts mit einem vergleichbaren Stammbeschäftigten gleichzustellen, es sei denn, für den konkreten Einsatz gilt ein sog. Branchenzuschlagstarifvertrag (§ 8 Abs. 1, 4 S. 1 und 2 AÜG).

Der equal treatment-Grundsatz im Übrigen kann jedoch weiterhin – zeitlich unbegrenzt – abbedungen werden.

Abweichung von equal pay-Grundsatz europarechtswidrig?

Die gesetzliche Abweichungsmöglichkeit vom equal treatment-/equal pay-Grundsatz wird teilweise als europarechtswidrig angesehen. Nach Ansicht des Herrn Prof. Däubler verstößt die Abweichungsmöglichkeiten von den Grundsätzen gegen die Zeitarbeitsrichtlinie.

Die (vermeintliche) Europarechtswidrigkeit lässt sich aber nicht ohne weiteres feststellen. Vielmehr bedarf es eines Rechtsstreits vor einem deutschen Arbeitsgericht, in dem die maßgeblichen Fragen eine entscheidungserhebliche Rolle spielen. Ist das angerufene Gericht davon überzeugt, dass eine Europarechtswidrigkeit anzunehmen ist, kann es dies nicht selbst feststellen, sondern muss den Rechtsstreit aussetzen und zur Entscheidung dem EuGH vorlegen. Denn nur dieser ist für die Auslegung des europäischen Rechts (hier: der Zeitarbeitsrichtlinie) zuständig (vgl. Art. 267 AEUV). Für ein solches Vorlageverfahren bedarf es insbesondere zunächst eines Zeitarbeitnehmers, der den Personaldienstleister auf equal pay in Anspruch nimmt; sodann muss das Gericht von dessen Ansicht der Europarechtswidrigkeit überzeugt werden, sodass es das Verfahren dem EuGH vorlegt.

Kampagne gegen die Zulässigkeit einer Abweichung vom equal pay-Grundsatz

Um ein solches Szenario zu erreichen, wurde von Herrn Prof. Däubler eine Kampagne ins Leben gerufen, die betroffene Zeitarbeitnehmer – unter Zusage von finanzieller und fachlicher Unterstützung – aufrief, sich als potentielle Kläger zu melden. Besondere Aufmerksamkeit erregte diese insbesondere vor dem Hintergrund einer recht ausführlichen Bewerbung in der politischen Kabarettsendung „Die Anstalt″ am 16. Mai 2017 im ZDF, indem dort ausdrücklich auf die von Herrn Prof. Däubler initiierte Kampagne unter Einblendung seiner E-Mail-Adresse hingewiesen wurde – mit nur mäßigem Erfolg, wie Herr Prof. Däubler kürzlich selbst berichtete.

Verhandlungen über etwaige Europarechtswidrigkeiten laufen bereits

Nach dessen eigenem Zwischenstand im Januar 2018 habe er zwar über 500 Emails von Zeitarbeitnehmern erhalten, jedoch habe es dann „Probleme″ gegeben. Im Ergebnis ist aufgrund der von Herrn Prof. Däubler initiierten Kampagne – soweit bekannt –ein Verfahren auf Zahlung von equal pay vor dem ArbG Gießen anhängig. Dies scheint gegenwärtig der einzige Rechtsstreit zu sein, in dem sich ausdrücklich mit der den Argumenten von Herrn Prof. Däubler zur Europarechtswidrigkeit auseinandergesetzt wird. Am 25. Januar 2018 fand dazu eine Kammerverhandlung statt. Eine (inhaltliche) Entscheidung hat das Gericht noch nicht getroffen – vielmehr hat es einen Verkündungstermin für den 14. Februar 2018 anberaumt.

Als ob es nicht schon schwierig genug wäre…

Die Zeitarbeitsbranche hat noch mit der praktischen Umsetzung der AÜG-Reform 2017, insbesondere mit Blick auf equal pay, zu kämpfen. Neben der erforderlichen und oft mühseligen Informationsbeschaffung über das maßgebliche Vergleichsentgelt eines Stammbeschäftigten des Kunden stellt es eine besondere Herausforderung dar, mit den Angaben dessen equal pay – insbesondere unter Berücksichtigung auch variabler Entgeltbestandteile, Sonderzahlungen, Zulagen, Zuschläge, Sachbezügen, VWL etc. sodann, korrekt für jeden eingesetzten Zeitarbeitnehmer zu berechnen.

Als ob dies nicht schon genug wäre, droht nun weiterer (rechtlicher) Ungemach, indem die gesetzliche Konstruktion der Abweichung vom equal pay-Grundsatz durch die Tarifverträge der Zeitarbeit mit europarechtlichen Erwägungen angegriffen wird. Zwar mag die Argumentation im Ergebnis wenig überzeugend sein, dennoch wird eine neue und damit eine weitere Flanke eröffnet, die es Personaldienstleistern (zusätzlich) erschweren soll, nach Maßgabe der gegenwärtig geltenden gesetzlichen Vorschriften rechtskonforme Zeitarbeit zu erbringen.

Über den Ausgang des Verfahrens vor dem ArbG Gießen werden wir selbstverständlich berichten.

Die weiteren Einzelheiten der Entscheidung entnehmen Sie unserer Februar-Ausgabe des „Infobriefs Zeitarbeit“, in dem wir jeden Monat über aktuelle Entwicklungen in Zusammenhang mit dem Einsatz von Fremdpersonal informieren. Sollten Sie Interesse haben, diesen kostenfrei zu beziehen, schreiben Sie uns bitte eine kurze E-Mail (alexander.bissels@cms-hs.com oder kira.falter@cms-hs.com).

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