Gute Nachrichten sind für die zuletzt arg gebeutelte Zeitarbeitsbranche in der jüngeren Vergangenheit rar gewesen. Denn nachdem das BAG am 14.12.2010 festgestellt hatte, dass die CGZP nicht tariffähig sei, haben Leiharbeitnehmer nicht unerhebliche Nachzahlungsansprüche nach Maßgabe des equal pay-Grundsatzes angemeldet.
Bereits aus diesem Grund verdient eine aktuelle Entscheidung des ArbG Stuttgart besondere Beachtung: Die 32. Kammer hat nun anerkannt, dass der Verleiher dem geltend gemachten equal pay-Anspruch einer Leiharbeitnehmerin für den Zeitraum von Juli 2009 bis Juli 2010 eine vereinbarte Ausschlussfrist entgegenhalten kann (Urt. v. 12.05.2011 – 32 Ca 10252/10).
Der Arbeitsvertrag der Leiharbeitnehmerin sah neben einer Bezugnahme auf die von der CGZP abgeschlossenen Tarifverträge in einer gesonderten Klausel vor, dass Ansprüche innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend zu machen sind. Diese Frist hatte die klagende Leiharbeitnehmerin allerdings versäumt. Zu Recht weist das ArbG Stuttgart allerdings darauf hin, dass die Fälligkeit des Anspruchs nicht davon abhänge, ob die Leiharbeitnehmerin erst durch den medienwirksam aufbereiteten Beschluss des BAG von ihren möglichen Ansprüchen Kenntnis erlangt habe bzw. danach von den höheren Erfolgsaussichten einer Klage hätte ausgehen können. Entscheidend sei vielmehr, dass entsprechende Ansprüche von Beginn des Arbeitsverhältnisses bestanden hätten.
Zutreffend sieht das ArbG Stuttgart somit den gesetzlichen equal pay-Anspruch als von der arbeitsvertraglich vereinbarten Ausschlussfrist erfasst an. Das BAG hatte dies für den ebenfalls zwingenden und an sich unabdingbaren Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall schon in der Vergangenheit bestätigt. Für die Ansicht des BAG spricht bereits, dass die Verjährungsfrist durch eine Individualabrede verkürzt werden kann und Verfallfristen zumindest mit der Verjährung vergleichbar sind.
Für die Fälligkeit des equal pay-Anspruchs ist der Beschluss des BAG vom 14.12.2010 unerheblich, da dieser die gegenwartsbezogene Tarifunfähigkeit der CGZP nur festgestellt und diese nicht erst (konstitutiv) begründet hat. Leiharbeitnehmer hätten – unabhängig von der Entscheidung des BAG – ihre Ansprüche in der Vergangenheit gegen ihren Arbeitgeber geltend machen und mit Hilfe ihres gesetzlichen Auskunftsanspruchs gegen den jeweiligen Verleiher auch quantifizieren können.
Da den Nachzahlungsansprüchen der Klägerin bereits die arbeitsvertragliche Ausschlussfrist entgegenstand, war es auch richtig, dass das ArbG Stuttgart das Verfahren über die geltend gemachten equal pay-Ansprüche nicht ausgesetzt hat, bis rechtskräftig über die vergangenheitsbezogene Tariffähigkeit der CGZP entschieden worden wäre (wir berichteten bereits zu diesem Thema). Eine Verfahrensaussetzung wäre nämlich nur erforderlich, wenn es auf diese Frage in entscheidungserheblicher Weise ankäme. Dies war aber vorliegend aufgrund der einschlägigen Ausschlussfristen nicht der Fall.
Sehr geehrter Herr Kollege Bissels,
das Urteil dürfte eine zu vernachlässigende Einzelentscheidung bleiben, die vermutlich in der nächsten Instanz korrigiert wird.
Das Gericht hat offensichtlich nur geprüft, ob die Ausschlussfrist-Klausel wirksam ist. Es hat vermutlich übersehen, dass es einen Anspruch auf Schadensersatz gibt, welcher dem Arbeitgeber die Berufung auf die (wirksame) Klausel verbietet:
Der Arbeitgeberf darf sich nur dann auf eine Ausschlussfrist in einem CGZP-Arbeitsvertrag berufen, wenn dem Arbeitnehmer die zutreffenden „wesentlichen Arbeitsbedingungen“ schriftlich mitgeteilt worden sind. Das ergibt sich aus § 2 Nachweisgesetz (bei Antritt des Arbeitsverhältnisses) bzw. aus § 3 NachwG (bei Änderung im laufenden Arbeitsverhältnis).
Ich unterstelle, dass im vorliegenden Fall die gesetzliche Nachweispflicht verletzt worden ist. Es dürfte keinen schriftlichen Nachweis des AG zum Bestehen von Equal Pay geben. Die Folge ist Schadensersatzpflicht, und zwar dahingehend, dass der Arbeitnehmer so zu stellen ist, wie er bei vollständigem und zutreffenden Nachweis gestanden hätte. Das heißt:
Wäre die Leiharbeitnehmerin über das Bestehen des Equal Pay aufgeklärt worden, so hätte sie ihre Forderung rechtzeitig (vor Ablauf der Ausschlussfrist) geltend gemacht. Dies hat der Arbeitgeber pflichtwidrig vereitelt, weshalb er sich nicht auf die Ausschlussfrist berufen darf.
Wichtig ist aber:
Im Prozess muss die Leiharbeitnehmerin ausdrücklich vorgetragen, dass sie bei rechtzeitiger Aufklärung früher gehandelt hätte. Das sollte sie ggf. – soweit noch nicht geschehen – in der Berufung nachholen.
Sehr geehrter Herr Kollege Thieß,
dass der equal pay-Grundsatz eine „wesentliche Vertragsbedingung“ i.S.v. §§ 2 f. NachwG sein soll, wage ich zu bezweifeln. Es handelt sich nämlich gerade nicht um eine Vertragsbedingung im klassischen Sinne, sondern um eine gesetzlich angeordnete Rechtsfolge.
Besten Gruß
Alexander Bissels
Sehr geehrter Herr Dr. Bissels, aus eigener Erfahrung kann ich Ihnen sagen, das die Frage der Wirksamkeit von Ausschlussfristen in Arbeitsverträgen von der Gestaltung der Arbeitsverträge abhängig ist.
Wird die Ausschlussfrist aus dem Tarifvertrag übernommen, dann ist sie selbstverständlich unwirksam, wenn der Tarifvertrag unwirksam ist.
Auch scheidet eine alternative Verweisung auf einen anderen Tarifvertrag (Doppelanwendung) ohne Nennung eines konkreten Termins aus (intransparent), wie das BAG bereits am 15.01.2009 geurteilt hat.
Dazu hat nun das BAG am 23.03.2011 entschieden, was zu den wesentlichen Arbeitsbedingungen gehört (siehe S. 38 der BT-Drucksache 15/25 und Art. 3 f der EU-Richtlinie Leiharbeit), insbesondere auch das Lohnausfallprinzip innerhalb des Überlassungszeitraumes bei Urlaub, Krankheit, Feiertag und Unfall. Auf Grund der Randnummern 85,86 und 110 des BAG-Beschluss vom 14.12.2010 ist für mich persönlich klar, das ALLE Tarifverträge in der Arbeitnehmerüberlassung von Beginn an unwirksam beurteilt werden müssten, da ALLE Geltungsbereiche dieser Tarifverträge die Organisationsbereiche der CGB- und DGB-Gewerkschaften ÜBERSCHREITEN, weil diese Gewerkschaften NICHT in allen denkbaren Branchen organisiert (+tariffähig!) sind, in denen Leiharbeitnehmer durch Tarifverträge ÜBERLASSEN werden können. Ab Ende April 2011 ist in Bezug auf die EU-Richtlinie GESETZLICH und GERICHTLICH nicht geklärt, was denn nun eine „vorübergehende“ Überlassung ist bzw. ab welchen Zeitpunkt eine DAUERHAFTE Überlassung vorliegt (siehe Art. 1,2 und 3 der EU-Richtlinie)!
Da über 50 % der Leiharbeiter nur max. 3 Monate in Zeitarbeitsunternehmen beschäftigt sind, müsste eine „vorübergehende“ Überlassung bei 1 Entleihunternehmen also darunter liegen. Im Übrigen ist es auch so, das durch die geringen Beschäftigungszeiten keine einzige Gewerkschaft eine „soziale Mächtigkeit“ in der Branche der Arbeitnehmerüberlassung hat, was Randnummer 15 des BAG-Beschluss vom 14.12.2010 beweist und daher fraglich ist, ob diese Gewerkschaften mit so geringen Anzahlen von organisierten Leiharbeitnehmern überhaupt hätten Tarifverträge unterzeichnen dürfen. Ich bin daher der rechtlichen Auffassung, das aus Gründen der fehlenden Tariffähigkeit und insbesondere der fehlenden Tarifzuständigkeit, ALLE bisherigen Tarifverträge von Beginn an unwirksam sind, da Gewerkschaften nur in den Branchen Tarifverträge abschließen können, für die sie sich selbst zuständig erklärt haben und in denen sie auf Grund einer angemessenen Zahl an organisierten Arbeitnehmern auch eine „soziale Mächtigkeit“ haben. Beispiel: Wie ist im BZA- und IGZ-Tarifvertrag der Organisationsbereich der Transnet abgedeckt, in denen Leiharbeitnehmer überlassen werden KÖNNEN? Wie ist im BZA- und IGZ-Tarifvertrag der Organisationsbereich der NGG (laut Organisationsbereich der NGG) abgedeckt, in denen Leiharbeitnehmer überlassen werden KÖNNEN?
Der Geltungsbereich des AMP-, BZA_ und IGZ-Tarifvertrages bezieht sich auf Deutschland, jedoch NICHT auf die Organisationsbereiche (Branchen) der unterzeichneten Gewerkschaften!