5. März 2018
Koalitionsvertrag sachgrundlose Befristung
Arbeitsrecht

Koalitionsvertrag – Auswirkungen der geplanten Einschränkung sachgrundloser Befristungen

Ein Überblick über die von der GroKo im Koalitionsvertrag geplanten Änderungen sowie die Auswirkungen für Arbeitgeber bei sachgrundlosen Befristungen.

Die Große Koalition (GroKo) wird wieder Realität. Nach dem Koalitionsvertrag planen die Parteien für Arbeitgeber mit mehr als 75 Beschäftigten eine prozentuale Grenze sachgrundlos befristeter Arbeitsverhältnisse: nur noch maximal 2,5 Prozent der Belegschaft dürfen sachgrundlos befristet werden. Überschreitet der Arbeitgeber diese Quote gilt jedes weitere sachgrundlos befristete Arbeitsverhältnis als unbefristet zustande gekommen.

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bestimmung der Quote soll die letzte sachgrundlose Einstellung eines Arbeitnehmers sein. Es ist offensichtlich, dass die Einhaltung der Quote beim Arbeitgeber viel Bürokratieaufwand schaffen wird. Schließlich muss der Arbeitgeber die Quote bei jeder Einstellung neu berechnen und dokumentieren, wie viele Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Anstellung sachgrundlos befristet tätig waren.

Darüber hinaus will die GroKo die Höchstdauer von sachgrundlosen Befristungen von derzeit 24 Monaten mit drei möglichen Verlängerungen auf 18 Monate mit maximal einer möglichen Verlängerung verkürzen. Dem Koalitionsvertrag ist indes kein Hinweis darauf zu entnehmen, dass auch die Privilegierung für Startups sowie für ältere Arbeitnehmer eingeschränkt werden soll oder diese bei der Quote eine Rolle spielen. Derzeit ist nach § 14 Abs. 2a TzBfG eine sachgrundlose Befristung bis vier Jahre nach Gründung zulässig. Nach § 14 Abs. 3 TzBfG ist die sachgrundlose Befristung bis zur Dauer von fünf Jahren zulässig, wenn ein Arbeitnehmer bereits 52. Jahre alt ist und vorher mindestens vier Monate beschäftigungslos war.

Mehr unbefristete Neueinstellungen äußerst unwahrscheinlich

Das Instrument der sachgrundlosen Befristungen wird verstärkt dann genutzt, wenn neue Arbeitnehmer eingestellt werden. Nach Angaben des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung erhielt 2013 fast die Hälfte der neu eingestellten Mitarbeiter ein befristetes Arbeitsverhältnis; davon wiederum die Hälfte ein sachgrundlos befristetes Arbeitsverhältnis.

Es ist höchst fraglich, ob das von der SPD in den Koalitionsvertrag eingebrachte Vorhaben, sachgrundlose Befristungen stark einzuschränken, wirklich die beabsichtigten Auswirkungen haben wird. Die aus der Perspektive von Arbeitnehmern gut gemeinte de-facto Abschaffung der sachgrundlosen Befristung soll dazu führen, dass neu einzustellende Arbeitnehmer direkt einen unbefristeten Arbeitsvertrag erhalten.

Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass es dazu kommen wird. Arbeitgeber nutzen das Flexibilisierungsinstrument der sachgrundlosen Befristungen insbesondere, wenn der Bedarf an zusätzlichen Arbeitskräften lediglich vorübergehender Natur oder aus wirtschaftlichen Gründen unsicher ist. Zudem werden Befristungen oft als eine Art verlängerte Probezeit eingesetzt, wenn die Eignung des Bewerbers fraglich ist.

Bei vorübergehendem Arbeitsbedarf kann teilweise auf Sachgrundbefristung zurückgegriffen werden

Im ersten Fall, wenn der Bedarf an der Arbeitskraft nur vorübergehend besteht, könnten Arbeitgeber das Wegfallen der Möglichkeit einer sachgrundlosen Befristung nach Erreichen der Quote vielleicht durch eine Sachgrundbefristung wegen vorübergehenden Arbeitsbedarfs gem. § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 TzBfG kompensieren. Allerdings erfordert dies einen hohen Begründungsaufwand: Um nicht Gefahr zu laufen, wegen Unwirksamkeit der Befristung gem. § 16 S. 1 TzBfG ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zu begründen, muss der Arbeitgeber beim Sachgrund des vorübergehenden Arbeitsbedarfs (§ 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 TzBfG) darlegen, dass nach Ablauf der Befristung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit kein Bedarf mehr an der Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers besteht. Allein die bloße Unsicherheit über die weitere Entwicklung ergibt keinen sachlichen Grund.

Ob die Weiterbeschäftigungsmöglichkeit nach Ablauf der Befristung wegfällt, kann im Zeitpunkt des Vertragsschlusses jedoch oft noch nicht prognostiziert werden. Von daher kann der Sachgrund des vorübergehenden Arbeitsbedarfs allenfalls teilweise den Wegfall der Möglichkeit einer sachgrundlosen Befristung kompensieren.

Vorteil der Sachgrundbefristung ist, dass diese nach derzeitiger Rechtslage oft verlängert werden kann. Dies plant die GroKo jedoch auch zu kippen: Kettenbefristungen sollen danach nur noch bis zu einer Dauer von fünf Jahren zulässig sein.

Alternativen bei unsicherer wirtschaftlicher Entwicklung: Leiharbeit, Werkverträge, Überstunden durch Belegschaft

Im zweiten Fall, wenn die weitere wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens unsicher ist, werden Arbeitgeber wohl kaum unbefristete Arbeitskräfte einstellen, denn dann laufen sie Gefahr nach Ende der Hochphase zu viele Arbeitnehmer mit Kündigungsschutz zu beschäftigen. Auf Leiharbeiternehmer oder Werkunternehmer zurückzugreifen ist nicht immer eine Alternative.

Die Anforderungen an die Leiharbeit wurden gerade erst im Rahmen der AÜG-Novelle (in Kraft getreten am 01. April 2017) verschärft. Insbesondere darf der Entleiher denselben Leiharbeitnehmer nicht länger als 18 aufeinander folgende Monate tätig werden lassen (§ 1 Abs. 1b S. 1, 2. Hs. AÜG). Tut er dies doch, geht er das Risiko ein, mit dem Leiharbeitnehmer ein Arbeitsverhältnis zu begründen (§ 10 Abs. 1 S. 1 AÜG).

Ein unbefristetes Arbeitsverhältnis entsteht dann, wenn der Leiharbeitnehmer auch beim Verleiher unbefristet tätig war (§ 10 Abs. 1 S. 2 AÜG). Das hat zur Folge, dass der Arbeitgeber – benötigt er eine Arbeitskraft länger als 18 Monate – nach Ablauf der Überlassungshöchstdauer einen neuen Leiharbeitnehmer einsetzen muss, der einer neuen Einarbeitung bedarf. Darüber hinaus muss der Entleiher sicherstellen, dass die zahlreichen formalen Anforderungen erfüllt werden: z.B. Vorliegen einer Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis (§ 1 Abs. 1 S. 1 AÜG), Offenlegung der Arbeitnehmerüberlassung (§ 1 Abs. 1 S. 5 AÜG).

Auch der Einsatz von Werkunternehmern birgt Risiken. Werden diese in den Betrieb des Arbeitgebers eingegliedert oder unterliegen sie dessen direkten Weisungen, liegt schnell Scheinselbstständigkeit vor. Die Möglichkeit des Einsatzes eines Werkunternehmers sollte insbesondere auch im Hinblick auf die Strafbarkeit des Vorenthaltens von Sozialversicherungsbeiträgen nach § 266a StGB sorgfältig geprüft werden.

Vor dem Hintergrund dieser Risiken bei Leiharbeit und Werkverträgen müssen Arbeitgeber künftig genau überlegen, wie sie ihren Arbeitsbedarf abdecken. Die Zusammenarbeit mit (selbständigen) Dienstleistern oder das Abwälzen der Mehrarbeit auf die Stammbelegschaft durch Ableistung von Überstunden dürften nicht im Sinne der SPD liegen.

Bei Unsicherheit über Eignung des Bewerbers zukünftig im Zweifel keine Neueinstellung

Überdies wird auf das Instrument sachgrundloser Befristungen häufig zurückgegriffen, wenn die Eignung des Bewerbers fraglich ist und dieser sich erst noch beweisen muss. In solchen Fällen wird dem Arbeitnehmer oft erst die Chance eröffnet, überhaupt einen Arbeitsvertrag zu erhalten. Erweist sich der Arbeitnehmer im Laufe der Befristung als geeignet, steht ihm die Möglichkeit eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses im Anschluss oft gerade nur deshalb offen, weil zunächst die Möglichkeit einer „verlängerten Probezeit“ bestand.

Das Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung hat sogar beobachtet, dass die Anzahl innerbetrieblicher Übernahmen in unbefristete Arbeitsverhältnisse entsprechend höher ausfällt, je höher der Anteil sachgrundloser Befristungen an den eingesetzten befristeten Beschäftigungsverhältnissen ist.

Auswirkungen einer Einschränkung sachgrundloser Befristungen sollten beachtet werden

Sollte die sachgrundlose Befristung wirklich derart weitreichend eingeschränkt werden, wie es nach dem Koalitionsvertrag geplant ist, würde dies einen schweren Rückschlag für die Flexibilität von Arbeitgebern bedeuten. Insbesondere auch mit Blick auf die Verschärfung der Anforderungen im AÜG im letzten Jahr, ist die Leiharbeit für Arbeitgeber kaum noch eine attraktive Alternative.

Die GroKo sollte bei der Umsetzung des Koalitionsvertrags aber auch die Auswirkungen einer solchen Befristungseinschränkung auf die Arbeitnehmer bedenken.

Unsere Beitragsreihe informiert rund um die Pläne der GroKo in den verschiedenen Rechtsbereichen. Bereits erschienen sind Beiträge zu den allgemeinen Änderungen im Arbeitsrecht sowie speziell zur Zeitarbeit, zu den Auswirkungen der geplanten Einschränkung sachgrundloser Befristungen, zum Recht auf befristete Teilzeit und zu den Änderungen hinsichtlich flexibler und mobiler Arbeitsgestaltung. Weiter ging es mit einem Überblick über die von der GroKo im Koalitionsvertrag geplanten Maßnahmen zu den Themen Venture Capital, Start-ups und Unternehmensgründung. Wir haben einen Überblick über die Änderungspläne der GroKo im Steuerrecht gegeben sowie die Pläne einer Musterfeststellungsklage und eines Sanktionsrechts für Unternehmen beleuchtet. Neben einem Überblick übers Gesellschaftsrecht haben wir uns mit der SPE näher beschäftigt. Danach sind wir auf die Sitzverlegungsrichtlinie, die Reform des Personengesellschaftsrechts sowie die Grunderwerbsteuer bei Share Deals eingegangen. Zuletzt erschienen sind Beiträge zur Finanztransaktionsteuer und zu Änderungen im Kündigungsschutz hochbezahlter Bankangestellter.

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