An etwas ungewöhnlicher Stelle unter der Rubrik "Lebenswerte Städte, attraktive Regionen und bezahlbares Wohnen" hat sich die neue GroKo-Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag eine gesetzgeberische Aufgabe zur Grunderwerbsbesteuerung von Share Deals gesetzt.
Änderungswünsche bei der Grunderwerbsteuer in Bezug auf die Besteuerung von quasi mittelbaren Grundstücksübertragungen mittels der Übertragung von Anteilen sind seit längerem aus der politischen Gerüchteküche zu vernehmen. Der Koalitionsvertrag knüpft nun daran an, indem sich die neue GroKo-Regierung den Auftrag erteilt
missbräuchliche Steuergestaltungen bei der Grunderwerbsteuer mittels Share Deals zu beenden.
Man wolle
nach Abschluss der Prüfarbeiten durch Bund und Länder eine effektive und rechtssichere gesetzliche Regelung umsetzen.
Die gewonnen Mehreinnahmen könnten – so der Koalitionsvertrag in der Rubrik Lebenswerte Städte, attraktive Regionen und bezahlbares Wohnen – von den Ländern zur Senkung der Steuersätze verwendet werden.
Bisher: Grunderwerbsteuer bei Share Deals, wenn 95% von einer Person erworben werden
Aktuell werden Share Deals der Grunderwerbsteuer unterworfen, wenn mindestens 95% der Anteile (ggf. auch mittelbar) von einer Person erworben werden bzw. bei Personengesellschaften innerhalb von 5 Jahren auf neue Personen übergehen. Besteuert wird dann der gesetzlich fingierte Grundstückserwerb auf Basis des Gesamtwerts des Grundstücks, welcher zum Zweck der Besteuerung durch ein gesondertes Verfahren ermittelt und festgestellt werden muss.
Bereits die bestehenden grunderwerbsteuerlichen Regelungen zum Share Deal beruhen auf Missbrauchsvermeidungsüberlegungen. Zuletzt wurden im Jahr 2013 die bis dato bestehenden Regelungen zugunsten des Fiskus nachgebessert, indem ein weiterer Besteuerungstatbestand, nämlich die sog. wirtschaftliche Anteilsvereinigung, im Gesetz verankert wurde.
Weitere Verschärfung der 95%-Regelungen in Aussicht
Die Überlegung, die 95%-Grenze auf eine niedrigere Prozentgrenze abzusenken, ist bei Überlegungen hin zu einer erweiterten Besteuerung naheliegend. Allerdings wäre dann fraglich, wie eine volle Grunderwerbsteuerbelastung noch zu rechtfertigen wäre.
Während man einen 95%-Erwerb und eine Besteuerung auf Basis des Gesamtwerts des Grundstücks noch wegen der weitgehenden Vereinfachungs- und Pauschalierungsmöglichkeiten des Gesetzgebers im Steuerrecht für zulässig und gerechtfertigt halten mag, wird man dies bspw. bei einem 75%-Erwerb wohl kaum so sehen können. Die Besteuerung eines Anteils von 25%, den der Erwerber weder mittelbar noch unmittelbar erworben hat, dürfte nicht zu rechtfertigen sein und dem Charakter einer Verkehrsteuer widersprechen.
Hält der Gesetzgeber dennoch an der Überlegung einer Absenkung der 95%-Grenze fest, wäre eine weitere naheliegende Überlegung somit dieses mit der Rechtsfolge einer nur anteiligen Besteuerung entsprechend dem lediglich mittelbar quotal erworbenen Grundstück zu verknüpfen. Dies ist allerdings das Anfang vom Ende des Verkehrssteuerkonzepts der Grunderwerbsteuer. Denn bislang werden Share Deal stets als fiktive Grundstückserwerbe besteuert. Sollte der Gesetzgeber diesen Grundsatz aufweichen, würde dies eine weitgehende Reform des Grunderwerbsteuerrechts, wie wir es heute kennen, zur Folge haben müssen.
Man wird auch über die Anrechnung von Vorerwerben (§ 1 (6) GrEStG) und über die Steuerbefreiungen neu nachdenken müssen. Ferner stellt sich Frage, ob bei Einführung einer solchen eher transparenten Besteuerung überhaupt noch eine Verkehrssteuer von Grundstücken vorliegt. Ebenso erscheint es fraglich, ob die Festlegung einer niedrigeren Prozentgrenze dem verfassungsrechtlichen Gebot der Folgerichtigkeit entspricht bzw. ab wann insoweit die verfassungswidrige Willkürlichkeit beginnt.
Fazit: Erweiterte Grunderwerbsbesteuerung bei Share Deals nicht problemlos möglich
Eine erweiterte Besteuerung von Share Deals bedarf einer gewissen gesetzgeberischen Anstrengung, wenn die Neuregelungen rechtssicher (d.h. verfassungsgemäß) sein sollen. Aus unserer Sicht zeigt sich hierdurch, dass das Argument der Missbrauchsvermeidung bei der Grunderwerbsteuer mittlerweile etwas überbeansprucht ist. Eine derart erweiterte Besteuerung, wie diese offenbar von politischen Kräften teilweise gewünscht ist, dürfte im bisherigen Konzept des Grunderwerbsteuergesetzes nicht angelegt sein. Schließlich ist die Grunderwerbsteuer in erster Linie eine Verkehrssteuer auf Grundstückserwerbe, jedoch nicht auf Anteilserwerbe.
Die an einem Share Deal Beteiligten Vertragsparteien sollten sich der aktuellen Grunderwerbsteuerdiskussion bewusst sein. Je nach Interessenlage der Parteien kann es empfehlenswert sein, die Möglichkeit einer künftigen Gesetzesänderung auch in den entsprechenden Vereinbarungen abzubilden, um ggf. angemessen reagieren zu können. Der eher vage Wortlaut im Koalitionsvertrag könnte allerdings darauf schließen lassen, dass die gesetzgeberische Diskussion letztlich doch längere Zeit in Anspruch nehmen wird, als dies noch vor einigen Monaten gerüchtehalber zu vernehmen war.
Unsere Beitragsreihe informiert rund um die Pläne der GroKo in den verschiedenen Rechtsbereichen. Bereits erschienen sind Beiträge zu den allgemeinen Änderungen im Arbeitsrecht sowie speziell zur Zeitarbeit, zu den Auswirkungen der geplanten Einschränkung sachgrundloser Befristungen, zum Recht auf befristete Teilzeit und zu den Änderungen hinsichtlich flexibler und mobiler Arbeitsgestaltung. Weiter ging es mit einem Überblick über die von der GroKo im Koalitionsvertrag geplanten Maßnahmen zu den Themen Venture Capital, Start-ups und Unternehmensgründung. Wir haben einen Überblick über die Änderungspläne der GroKo im Steuerrecht gegeben sowie die Pläne einer Musterfeststellungsklage und eines Sanktionsrechts für Unternehmen beleuchtet. Neben einem Überblick übers Gesellschaftsrecht haben wir uns mit der SPE näher beschäftigt. Danach sind wir auf die Sitzverlegungsrichtlinie, die Reform des Personengesellschaftsrechts sowie die Grunderwerbsteuer bei Share Deals eingegangen. Zuletzt erschienen sind Beiträge zur Finanztransaktionsteuer und zu Änderungen im Kündigungsschutz hochbezahlter Bankangestellter.